Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Spaß macht, was verboten ist
Als professionelle Hobbytrinkerin fällt mir der Verzicht auf Alkohol schwer
Steckdosen üben eine magische Anziehungskraft auf meinen Sohn aus. Genau wie Kabel jeglicher Art. Und die Klobürste erst! Es ist schon fies: Gerade erst hat er sich so ein tolles Spielzeug gesucht, und dann kommt die Mama daher und sagt Nein! Da kann ich echt keine Kompromisse eingehen, auch wenn ich vielleicht so die kindlichen Ambitionen meines Sohnes auf eine Karriere als Elektriker im Keim ersticke. Und wenn er sich die Klobürste schnappt und austesten was man alles Tolles damit anstellen kann, muss ich einschreiten.
Warum ist gerade das, was Spaß macht, verboten? Ja, diese Frage stelle auch ich mir.
Denn Alkohol übt gerade eine wahnsinnige Faszination auf mich auf. Und ich muss sagen: nein. Denn ich stille immer noch. An ein baldiges Ende ist nicht zu denken. Mein Baby liebt es, an Mamas Brust zu hängen. Soll ich ihm das nächste Spielzeug wegnehmen, nur damit ich meinen Gelüsten frönen kann? Noch bringe ich das nicht übers Also übe ich mich in Geduld – mit unterschiedlichem Erfolg. Oft macht es mir nichts aus, aber wenn der Tag anstrengend war, würde ich mir gerne was genehmigen. Dann muss ich es mir selbst verbieten, und meine Laune sinkt bedenklich in den Keller.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: So schrecklich viel habe ich früher auch wieder nicht getrunken! Ich war nur professionelle Hobbytrinkerin. Ab und an, gerade in netter Gesellschaft, habe ich mir ein Gläschen (oder zwei oder drei …) Wein gegönnt oder Cockwill, tails im Urlaub geschlürft. Einen Vollrausch zu haben war dabei nie mein Ziel. Die Vorstellung, nicht mehr zu wissen, was ich tue oder sage, fand ich schon immer abschreckend. Aber so ein kleiner Schwips ist ab und an schon nett. Und genau das vermisse ich. Das ist wie bei meinem Sohn: Verbote erhöhen die Anziehungskraft.
Meine Freundin, deren Zwerg so alt ist wie meiner, versteht mich. Und wir haben einen Plan: Eierpunsch im Advent! Ich freue mich schon so richtig drauf. Kürzlich hat sie sogar schon die Sau rausgelasHerz. sen. Sie brachte mir Kirschmuffins. Saulecker waren die. „Da ist sogar Kirschwasser drin“, verriet sie mir. Wir freuten uns. Und kamen uns richtig frivol vor. Vielleicht sollte ich meinem Sohn doch mal die Klobürste zum Spielen überlassen. Ich könnte ja für diesen Zweck eine neue kaufen.
Tanja Wurster, 34, ist freie Mitarbeiterin der Landboten-Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augsburg.