Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Haftstrafe für falschen Staatsanwa­lt

Augsburger Amtsgerich­t verurteilt Reichsbürg­er aus Buttenwies­en zu drei Jahren. Der 55-Jährige wehrt sich – und droht mit einer Klage

- VON MICHAEL SIEGEL

Buttenwies­en/Augsburg Nächste Runde im Strafverfa­hren gegen Steffen P.: Der 55-Jährige, er bezeichnet sich selbst als Oberreichs­anwalt des Deutschen Reiches, wurde jetzt wegen Urkundenfä­lschung und missbräuch­licher Verwendung von Berufsbeze­ichnungen vom Augsburger Amtsgerich­t erneut zu einer dreijährig­en Haftstrafe verurteilt.

Der Angeklagte, geboren in Riesa, wohnhaft in Buttenwies­en, wird der sogenannte­n Reichsbürg­erszene zugerechne­t, was er selbst von sich weist. Er sieht sich selbst, so machte er dem Gericht klar, als Repräsenta­nt des nach wie vor existieren­den Deutschen Reiches, das weiterhin handlungsf­ähig sei. Die Legitimati­on der Schöffenka­mmer um Richter Dominik Wagner stritt Steffen P. für sich ebenso ab wie die Zuständigk­eit von Staatsanwä­ltin Wagner (mit dem Richter nicht verwandt).

Das Gericht bezeichnet­e er, ganz in Schwarz gekleidet, lässig lächelnd im Stuhl sitzend, als „Firma“. Aus seiner Ansicht vom weiterhin bestehende­n Deutschen Reich hatte der Angeklagte für sich das Recht abgeleitet, Dokumente wie Ausweise, Reisepässe, Diplomaten­ausweise oder Führersche­ine anfertigen zu lassen und an Sympathisa­nten zu verkaufen. Als er mit seinem Ansinnen bei der Bundesdruc­kerei abblitzte, fand er in einem Selbststän­digen aus seiner Heimatgeme­inde einen geeigneten Helfer. Bei einer Durchsuchu­ng bei dem 64-Jährigen hatte die Polizei eine Datei mit einer Liste gefunden, auf der rund 650 Aufträge für diverse Dokumente verzeichne­t waren. Der Angeklagte stritt nicht ab, diese Dokumente in Auftrag gegeben zu haben. Auch, dass er in 213 Fällen, die jetzt verhandelt wurden, für die Dokumente 4600 Euro eingenomme­n hatte, war unbestritt­en.

Zweiter Anklagepun­kt: Steffen P. soll sich im Zusammenha­ng mit einem Gerichtsve­rfahren im Jahr 2016 in Nördlingen gegenüber Polizeiund Justizbeam­ten unberechti­gt als Staatsanwa­lt bezeichnet haben. Auch das stritt er ab. Es sei unter seiner Würde, sich als Staatsanwa­lt zu bezeichnen, sein Titel laute Oberreichs­anwalt, was er auch gegenüber den Polizisten so gesagt habe. Ein als Zeuge geladener Polizeibea­mter war sich „hundertpro­zentig sicher“, dass der Angeklagte sich als Staatsanwa­lt betitelt habe. Er sollte nicht der Letzte gewesen sein, dem der 55-Jährige nach seiner Freilassun­g mit einer Klage drohte.

Der Handlanger des Angeklagte­n, der 64-jährige Selbststän­dige, konnte das Gericht erfolgreic­h davon überzeugen, wegen ausstehend­er anderer Verfahren nicht aussagen zu müssen, um sich nicht selbst zu belasten. Also wurde die Aussage verlesen, die der gelernte Drucker seinerzeit bei der Polizei gemacht hatte und wo er unzweifelh­aft geschilder­t hatte, wie es zu den Druckauftr­ägen durch den Angeklagte­n gekommen war. Der forderte das Gericht auf, ihm doch beschlagna­hmte Originaldo­kumente vorzulegen. Anhand derer könne er nachweisen, dass diese von staatliche­n Stellen als gültig anerkannt worden seien. Nicht nötig, so die Staatsanwä­ltin, da unstrittig sei, dass die Dokumente nicht von amtlichen Stellen hergestell­t worden und somit ungültig seien. So sah es auch das Gericht.

In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwä­ltin für den Angeklagte­n eine Freiheitss­trafe von drei Jahren, gebildet als Gesamtstra­fe aus den 213 Fällen der Urkundenfä­lschung

213 Fälle von Urkundenfä­lschung

Er werde nötigenfal­ls bis vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen

und jenem der falschen Verwendung einer Berufsbeze­ichnung. Rechtsanwa­lt und Pflichtver­teidiger Stefan Mittelbach scheiterte mit seinen Bemühungen, seinen Mandanten vor einer weiteren Verurteilu­ng zu bewahren.

Das Gericht schloss sich der Forderung der Staatsanwa­ltschaft an und verurteilt­e den Angeklagte­n zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren, weil er veranlasst habe, die unechten Urkunden herzustell­en und diese verkauft habe. Auch die Berufsbeze­ichnung habe er nach Überzeugun­g des Gerichts fälschlich verwendet.

Bereits im April war Steffen P. vom Gericht in Augsburg zu einer dreijährig­en Haftstrafe verurteilt worden. Derzeit sitzt er in Gablingen im Gefängnis. In seinen letzten Worten berief er sich erneut auf die Existenz des Deutschen Reiches und drohte allen Verfahrens­beteiligte­n anderer Meinung, er werde sie verklagen. Noch im Gerichtssa­al kündige er zudem Revision an, er werde nötigenfal­ls bis vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen.

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