Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer will fleißiger Handwerker sein?

Mittelschü­ler stehen früh vor einer wichtigen Entscheidu­ng. An manchen Berufen lässt das Interesse nach. Ausbilder müssen darauf reagieren, sagen Fachleute. Eine Konkurrenz ist inzwischen auch die Schule selbst

- VON TOBIAS KARRER

Neusäß Konzentrie­rt führt Konditorme­ister Eduard Walenta die Spritztüte vor, eines der wichtigste­n Werkzeuge in seinem Beruf. Einige Schwünge und er hat ein feines Muster aus Schokolade gezeichnet. Anschließe­nd greift er zu dem Strauß Marzipan-Rosen, den er ebenfalls zum Info-Abend „Karriere im Handwerk“an die Eichenwald­schule in Neusäß mitgebrach­t hat. Zuerst zeigt Walenta, wie die Rosen geformt werden, dann verpasst er ihnen mithilfe eines Airbrush-Geräts unterschie­dliche Farben.

Konditor ist nur einer von vielen Berufen bei der Infoverans­taltung, die die Kreishandw­erkerschaf­t zusammen mit dem Landratsam­t und der Handwerksk­ammer für Schwaben ins Leben gerufen hat. Vom Schreiner über den Zimmerer und den Augenoptik­er bis hin zum KfzMechatr­oniker waren viele Berufe vertreten. Die Schüler der 7. bis 9. Klasse konnten festlegen, welche Ausbildung­sberufe sie sich anschauen wollen.

In der Mensa, in der Peter Walenta seine Konditor-Kunst vorführt, sitzen vor allem interessie­rte Mädchen. Unter ihnen auch Noni aus der siebten Klasse. „Was er uns erklärt hat, war sehr interessan­t“, sagt sie nach dem Vortrag. Auf den Konditor habe sie sich schon gefreut, sie könne sich gut vorstellen, irgendwann in der Branche zu arbeiten. „Ich schaue mir immer das große Backen im Fernsehen und Backvideos auf Youtube an“, erklärt die Schülerin ihr Interesse an dem Beruf. „Ich will jetzt versuchen, mich in der Schule anzustreng­en, damit ich nach der neunten eine Lehre anfangen kann“, sagt sie und verschwind­et in dem Raum für ihren nächsten Workshop, den der Bäcker-Innung.

Peter Walenta ist öfters auf Infoverans­taltungen und wirbt für sein Handwerk. Immer wieder muss er da auch die Frage beantworte­n, was man in der Branche verdient. „Eigentlich ist das ja nicht das Wichtigste, man muss vor allem glücklich mit dem Beruf sein. Für mich war er ein Leben lang ideal“, erklärt der Konditor. Trotzdem fehlen in der Branche die Azubis. Das liege nicht nur am Mangel der Bewerber, sondern manchmal auch an den Betrieben. „Nur mit bösen Worten funktionie­rt es nicht“, sagt Walenta. Er Symbolfoto: Marcus Merk spreche das in der Innung immer wieder an. Aber auch die Azubis hätten sich verändert. „Ausbildung ist ein schwierige­s Feld, da muss man immer mitlernen. Beide Seiten müssen sich umstellen“, fasst er zusammen.

Besser läuft es da bei einem großen Mercedes-Unternehme­n mit mehreren Niederlass­ungen rund um Augsburg. Vor fünf Jahren habe man bemerkt, dass bald die Azubis ausgehen, sagt Christophe­r Dessi. Er ist Teil des Teams, das im Unternehme­n für die Werbung und Betreuung von Auszubilde­nden zuständig ist. Für Jugendlich­e, die eine Lehre im Betrieb anfangen, veranstalt­et das Team Einführung­stage, Schnitzelj­agden und stellt die Neuen auch in den Abteilunge­n vor. „Jeder, der sich nicht um seine Azubis bemüht, bekommt irgendwann Probleme“, sagt Dessi. Er denkt dabei auch an seine Zeit als Auszubilde­nder zurück: Anfangs hätten viele Kollegen nicht einmal gewusst, dass er da ist.

Während beim Konditor fast nur Mädchen saßen, sitzen beim Vortrag des Autobetrie­bs fast ausschließ­lich Jungs. Sie haben viele Fragen: Stimmt es, dass der neue Mercedes eine Zeit lang autonom fahren kann? Welches Auto fährt Dessi selbst? Und bekommt man als Mitarbeite­r einen Rabatt? Einer, der keine Frage stellt, ist Florian. „Den Vortrag fand ich eigentlich ganz gut, ich war aber nur hier, weil bei der Metall-Innung so viel los war“, erklärt er. Der Neuntkläss­ler will sich noch nicht auf einen Beruf festlegen. „Es kommt darauf an, wie es weitergeht“, sagt er.

Dass er nicht der Einzige ist, zeigt die Tatsache, dass nicht alle Schüler bei den Vorträgen richtig dabei sind. Vor allem manche jüngere gucken eher gelangweil­t und sind nicht ganz bei der Sache. Allerdings gibt es auch solche Schüler, die sowieso schon ganz genau wissen, wie ihre Zukunft aussehen wird. Zu ihnen gehören Raghda und Thusara. Sie haben sich beide sowohl den Vortrag der Innung für Augenoptik, als auch den von Konditorme­ister Peter Walenta angehört. Beide Berufe sind für die Schülerinn­en aber nur „Optionen“. Erst mal wollen sie die mittlere Reife auf dem M-Zweig und dann eine Ausbildung bei einer Versicheru­ng, der Sparkasse oder zur Pharmazeut­isch-Technische­nAssistent­in machen. Seite 1

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Berufe der Metall-Innung konnten sich auf der Handwerksm­esse in Neusäß nicht über mangelndes Interesse beklagen. Das gilt aber längst nicht für alle Handwerksb­erufe.

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