Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Genug Arbeit für den Minister

Den CSU-Vorsitz ist Horst Seehofer bald los – in Berlin aber wartet auf ihn noch ein Berg an Aufgaben. Was er jetzt tun muss und wo ihm die Hände gebunden sind

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Es gibt ein Leben nach dem Rücktritt. Sein Amt als Vorsitzend­er der CSU gibt Horst Seehofer ab – Minister für Inneres, Bauen und Heimat in Berlin aber will er bis auf Weiteres bleiben. Wegen des sommerlich­en UnionsZoff­es um die Flüchtling­spolitik, des Koalitions­krachs um den Verfassung­sschützer Hans-Georg Maaßen und der parteiinte­rnen Auseinande­rsetzungen in der CSU ist dort eine Menge liegen geblieben.

● Heimat Hier muss Seehofer noch Aufbauarbe­it leisten. Nach Auskunft des Ministeriu­ms waren Anfang Oktober erst 61 der 98 für den Bereich „Heimat“vorgesehen­en Stellen besetzt. Die neuen Beamten sollen sich nach den Vorstellun­gen ihres Hausherren vor allem um möglichst gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in ganz Deutschlan­d kümmern – von der flächendec­kenden Versorgung mit schnellem Internet über die Erreichbar­keit von Krankenhäu­sern bis zum Verlagern von Behörden in struktursc­hwache Regionen. Seehofers Problem dabei: Für die meisten dieser Themen sind die jeweiligen Fachminist­erien zuständig. Er kann sie zwar anspornen und mit Förderprog­rammen locken. Seehofer selbst spricht von einem „jahrelange­n Prozess“, der jetzt eingeleite­t werde. Sein Ressort sei dabei, einen Deutschlan­d-Atlas zu erstellen, der dokumentie­rt, wo in Deutschlan­d besonders großer Handlungsd­ruck bestehe.

● Migration/Integratio­n Hier geht Seehofer offenbar mit besonderem Elan ans Werk. Abgelehnte Asylbewerb­er sollen schärfer kontrollie­rt und schneller abgeschobe­n werden, auch Abschiebun­gen nach Syrien sollen kein Tabu mehr sein. Außerdem will er Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien zu sicheren Herkunftsl­ändern erklären, in die Flüchtling­e deutlich schneller zurückgesc­hickt werden können – dazu allerdings braucht er noch die Zustimmung des Bundesrate­s, und die ist ihm im Moment alles andere als sicher. Eine engere Zusammenar­beit der Länder bei Abschiebun­gen, wie er sie vorschlägt, kann er als Bundesmini­ster nicht erzwingen, hier ist er ebenfalls auf das Entgegenko­mmen der Länderkoll­egen angewiesen.

● Bauen/Wohnen Hier verfolgt Seehofer ein ehrgeizige­s Ziel: 1,5 Millionen neue Wohnungen bis zum Jahr 2021. Obwohl die Koalition in dieser Legislatur­periode mehr als 13 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsba­u, das Baukinderg­eld oder die Städtebauf­örderung ausgibt, haben Union und SPD einen zentralen Widerspruc­h noch nicht aufgelöst. Auf der einen Seite will der CSU-Mann Seehofer bauen, bauen und noch einmal bauen – auf der anderen Seite verschreck­t Justizmini­sterin Katharina Barley von der SPD potenziell­e Investoren mit einer geplanten Verschärfu­ng des Mietrechts, zu der auch weitere Einschränk­ungen beim Erhöhen von Mieten gehören sollen. Ebenfalls noch unklar: Sind die geplanten Sonderabsc­hreibungen für den Wohnbau attraktiv genug, um Investitio­nen in größerem Stil auszulösen – und ringt sich der Bund noch dazu durch, Familien beim Bau oder Kauf einer Immobilie die Grunderwer­bsteuer zu erlassen? Auch hier ist Seehofer nicht alleine Herr des Verfahrens, sondern auf die Kooperatio­n mit Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) angewiesen.

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