Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Schüler nur noch Bahnhof verstehen

Viele deutsche Wörter sind Augsburger Jugendlich­en unbekannt. Ein Förderprog­ramm an sechs Schulen soll helfen, die sprachlich­en Defizite auszugleic­hen. Wie das bei Lehrern und Schülern ankommt

- VON FELICITAS LACHMAYR uns eure Meinung »Sagt

Augsburg Manchmal scheitert das Lösen einer Matheaufga­be nicht an der Aufgabe. Schon ein unbekannte­s Wort im Text kann Schülern Probleme bereiten. Viele deutsche Wörter, die Schüler im Unterricht lesen oder hören, sind für sie nicht auf Anhieb zu verstehen.

Wörter wie Allee, Janker oder Verdruss sind schon schwierig, weiß Angelika Felber. Sie ist Lehrerin am Jakob-Fugger-Gymnasium in Augsburg und leitet eine sechste Klasse. Bei ihr landet jedes Wort, das die Schüler nicht kennen, in einem Wortschatz-Schnellhef­ter. Sie trainiert Lesestrate­gien, übt Vokabeln mit den Schülern und besucht Fortbildun­gen zum Thema sprachsens­ibles Unterricht­en.

All das ist keine Selbstvers­tändlichke­it, sondern Teil des Förderprog­rammes „Vielfalt in Sprache und Bildung“, das vor drei Jahren in Augsburg in Kooperatio­n zwischen Bildungsre­ferat und Staatliche­m Schulamt gestartet wurde. Es soll Sprachdefi­zite ausgleiche­n und Missverstä­ndnisse im Unterricht vermeiden. Sechs Augsburger Schulen beteiligen sich an dem Programm. Denn hier hat man das Problem früh erkannt.

Viele Schüler werden nicht mehr an die deutsche Bildungssp­rache herangefüh­rt, weiß Ruth HembacherS­ezer vom Staatliche­n Schulamt. Sei es, weil die Eltern selbst nicht so gut Deutsch sprechen oder keine Zeit haben, mit den Kindern gemeinsam zu lesen und so die Sprache zu fördern. In Augsburg hätten 50 Prozent aller Schulanfän­ger Migrations­hintergrun­d und würden oft zweisprach­ig aufwachsen. „Es ist klar, dass sie weniger mit deutscher Bildungssp­rache in Berührung kommen“, sagt Hembacher-Sezer. Doch das Problem betreffe deutsche Kinder gleicherma­ßen.

„Die Schüler haben immer weniger bildungssp­rachliche Fähigkeite­n, trotzdem werden diese im Unterricht wie selbstvers­tändlich vorausgese­tzt“, sagt Hembacher-Sezer. Genau da setzt das Förderprog­ramm der Augsburger Schulen an. Plakate mit Themenwort­schätzen, Vokabelhef­te, Texte lesen und bearbeiten, Fragen stellen, die klarer zum Text hinführen – die Möglichkei­ten, Sprachkomp­etenzen im Unterricht zu fördern, sind vielfältig.

Friederike Zama von der Reischlesc­hen Wirtschaft­sschule setzt auf intensive Textarbeit. „Die Schüler lesen die einzelnen Wörter, aber wissen am Ende nicht, was im Text steht“, sagt sie. Deshalb übt sie mit ihren Schülern Lesestrate­gien. Um welche Textsorte handelt es sich, wie ist das Layout gestaltet, Themengebi­ete deckt der Text ab – erst wenn diese Fragen beantworte­t sind, geht es ans Lesen, Unterstrei­chen, Abschnitte zusammenfa­ssen und Überbegrif­fe finden. „Nur wenn man sprachlich­e Probleme thematisie­rt, trauen sich die Schüler nachzufrag­en“, sagt Zama.

Die Erfahrunge­n, die die Lehrer im Rahmen des Förderprog­ramms gemacht haben, sind positiv. „Mittlerwei­le ist es selbstvers­tändlich, dass die Schüler unbekannte Wörter von alleine aufschreib­en und nachfragen, wenn sie ein Wort nicht verstehen“, sagt Lehrerin Angelika Felber. Sie achtet darauf, neue Vokabeln auch regelmäßig im Kontext zu verwenden. „So wissen die Schüler sie auch nach einem halben Jahr noch“, weiß Felber. Das kann Hembacher-Sezer vom Staatliche­n Schulamt bestätigen: „Wenn die Kinder ein bis zwei Jahre dahingehen­d gefördert werden, bauen sie Bildungssp­rache auf.“

Das Augsburger Förderprog­ramm bezieht alle Fächer mit ein. „Bei sprachlich­en Mängeln sind Schüler immer benachteil­igt, egal in welchem Fach“, sagt Heidemarie Brosche von der Schiller-Mittel- schule. Doch gerade in den Sachfächer­n fehle bei den Lehrern oft noch das Bewusstsei­n, dass allein die Sprache Probleme bereiten kann. „Auch hier sollte verstärkt sprachsens­ibel gearbeitet werden“, findet Brosche. Doch das bedeutet mehr Zeit, die die Lehrer oft nicht haben. „Es ist eine Herausford­erung, aber wir wissen, dass es notwendig ist“, sagt Friederike Zama. „Wir alle kennen das Gefühl, dass die Schüler einen nicht verstehen.“

Um das zu ändern, besuchen die Lehrer, die für die Umsetzung der Fördermaßn­ahmen an den sechs Schulen verantwort­lich sind, Fortbildun­gen und Vorträge.

Die wichtigste­n Erkenntnis­se aus der seit drei Jahren laufenden Initiative haben Brosche und Hembacher-Sezer in einem Handbuch für Lehrer zusammenge­fasst. Das Buch „Sprachsens­ibel unterricht­en: Schritt-für-Schritt-Leitfaden für einen kultur- und sprachsens­iblen Schulallta­g“enthält Materialie­n aus Theorie und Praxis von teilnehmen­den Lehrern.

Sie wünschen sich auch vonseiten der Verlage mehr Sensibilit­ät für das Thema. Denn meist stoßen die Kinwelche der in Schulbüche­rn auf unbekannte Wörter, weiß Felber. Es habe sich schon einiges getan. In einer neuen Generation von Schulbüche­rn werde das Problem mit gezielten Wortschatz­und Leseübunge­n aufgegriff­en. Doch Heidemarie Brosche von der Schiller-Mittelschu­le sieht noch deutlichen Nachholbed­arf. „Schulbucht­exte sind oft zu verschwurb­elt“, sagt sie.

Vonseiten des Klett Verlages heißt es, man biete seit Anfang 2015

Allee von Bäumen gesäumte Straße brach liegen nicht bestellt oder bebaut Janker Trachtenja­cke mit farbigem Besatz und Horn- oder Metallknöp­fen Gebärde Bewegung des Körpers, die eine Empfindung ausdrücken soll Märtyrer jemand, der sich für seine eine Vielfalt an sprachsens­iblen Fördermate­rialien für den regulären Fachunterr­icht in Grundschul­en und den weiterführ­enden Schulen an. „Das Programm wird seitdem kontinuier­lich ausgebaut und fließt in die Konzeption neuer Lehrwerke automatisc­h mit ein.“

Zum Einsatz kommen laut Verlag vereinfach­te Texte, sprachlich­e Brückenauf­gaben, Lückentext­e, Hörtracks und Wortlisten.

 ?? Foto: Marius Becker, dpa ?? Nicht jedes deutsche Wort, das Schüler im Unterricht lesen oder hören, kennen sie. Das kann zu Missverstä­ndnis oder völligem Unverständ­nis führen. In Augsburg hat man das Problem früh erkannt. Seit drei Jahren läuft ein Förderprog­ramm, um die Sprach- und Lesekompet­enz von Schülern zu fördern.
Foto: Marius Becker, dpa Nicht jedes deutsche Wort, das Schüler im Unterricht lesen oder hören, kennen sie. Das kann zu Missverstä­ndnis oder völligem Unverständ­nis führen. In Augsburg hat man das Problem früh erkannt. Seit drei Jahren läuft ein Förderprog­ramm, um die Sprach- und Lesekompet­enz von Schülern zu fördern.

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