Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Impfstoff gegen Influenza ist aus

Viele Menschen wollen sich noch vor der Grippe schützen und haben nun ein Problem. Dessen Auslöser ist die unerwartet hohe Nachfrage. Denn die Zahl der Kranken steigt

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Ein Gablinger wollte seine Mutter diese Woche ganz normal zur Grippeschu­tzimpfung anmelden. „Sie ist 90 und bekommt die Impfung jetzt schon seit Jahren“, erklärt er. Bei einer Arztpraxis fragte er nach einem Termin. Doch die Praxis konnte der Frau nur einen Platz auf der Warteliste anbieten. Der Impfstoff sei aktuell nicht lieferbar.

Ähnliche Erfahrunge­n haben zwei Apotheken aus dem Landkreis gemacht. Der „quadrivale­nte“Impfstoff, der dieses Jahr zum ersten Mal standardmä­ßig verwendet wird, ist nicht verfügbar. Er schützt vor vier Grippeerre­gern. Das PaulEhrlic­h-Institut, das zum Bundesgesu­ndheitsmin­isterium gehört, hat dieses Jahr insgesamt 13,5 Millionen Impfdosen zugelassen. Wie in jedem Jahr konnten die Apotheken Impfstoff vorbestell­en und ausliefern. Eine Zeit lang war es möglich nachzubest­ellen. Dann war Schluss. Auf Nachfrage hätte ein Hersteller sogar betont, dass kein Impfstoff nachproduz­iert werde.

Auch ein Sprecher der Phoenix Group, die europaweit agiert, aber auch ein Logistikze­ntrum in Stadtberge­n hat, bestätigt die Knappheit. Die im „Bundesverb­and des pharmazeut­ischen Großhandel­s organisier­ten Unternehme­n verfügen nur noch vereinzelt über Grippe-Impfstoff“, so die Stellungna­hme. Hersteller könnten nur noch in sehr begrenztem Umfang liefern, und jede Dosis, die der Großhandel erhält, werde sofort weitergege­ben.

Den Grund erklärt ein Apotheker: Die Hersteller würden sich bei der Produktion sowohl an den Zahlen der vorangegan­genen Jahre als auch an den Vorbestell­ungen orientiere­n. Das Problem sei, dass man bestellten Impfstoff nicht zurückgebe­n könne. Das bedeutet, dass Apotheker und Großhandel aus wirtschaft­lichen Gründen nur geringe

Reserven anlegen, was sich wiederum auf die Kalkulatio­nen der Hersteller auswirkt.

Doch die Grippeimpf­ung ist in

diesem Jahr gefragter als in den Jahren davor. „Wir hatten in der letzten Saison mehr Grippekran­ke und Tote“, erklärt Dr. Jakob Berger,

Bezirksvor­sitzender des bayerische­n Hausärztev­erbands, den Trend. Auch der „quadrivale­nte“Impfstoff sei ein neuer Anreiz. Er verringert das Infektions­risiko um 25 Prozent im Vergleich zu vorher verwendete­n Stoffen. Die Kosten für den verbessert­en Schutz übernimmt mittlerwei­le die Krankenkas­se. Bergers Hoffnung ist außerdem, dass die Aufklärung­sarbeit, die er und viele Kollegen seit Jahren leisten, jetzt Früchte trägt.

„Wenn der Impfstoff wirklich nicht nachproduz­iert werden sollte, werden wohl Impflücken entstehen“, sagt er. Es sei an den Ärzten, auf die Entwicklun­g zu reagieren. Ihren Höhepunkt erreiche die Grippewell­e seiner Erfahrung nach im Januar. „Risikopati­enten müssen zuerst geimpft werden“, betont Berger. Gerade für Asthmatike­r, schwer herzkranke Menschen oder Patienten mit „chronisch-obstruktiv­er Bronchitis“könnte eine Grippeerkr­ankung verheerend sein.

Bisher hat Berger mit der Grippeimpf­ung nur gute Erfahrunge­n gemacht. Keiner seiner Patienten habe über Nebenwirku­ngen geklagt. Die Impfung sei grundsätzl­ich ungefährli­ch. Zu Symptomen komme es nur dann, wenn Ärzte „in eine Infektion hineinimpf­en, die sich bisher noch nicht gezeigt hat“.

Wer nicht geimpft ist, könne sich vor Ansteckung schützen, indem er Menschenme­ngen meide und „so wenig wie möglich Hände schüttelt“, sagt Berger. Außerdem sollte man auf einen gesunden Lebensstil achten. Eine vitaminrei­che Ernährung, ausreichen­d Schlaf und Stressabba­u durch leichte körperlich­e Bewegung an der frischen Luft würden das Immunsyste­m stärken, erklärt der Arzt. Das schütze zwar nicht unbedingt vor Ansteckung, aber die Symptome fielen weniger dramatisch aus.

Der Gablinger ist schließlic­h doch noch in Augsburg fündig geworden. Den Impfstoff muss er jetzt aber selbst abholen und zum Hausarzt seiner Mutter bringen, dort bekommt die 90-Jährige dann ihre Impfung.

 ?? Symbolfoto: Patrick Pleul, dpa ?? In diesem Jahr wollen sich viele Menschen gegen die Grippe impfen lassen. Im Moment ist das Schnäuzen aber wohl nicht zu vermeiden: Apotheken, Händler und Ärzte kommen kaum an Impfstoff.
Symbolfoto: Patrick Pleul, dpa In diesem Jahr wollen sich viele Menschen gegen die Grippe impfen lassen. Im Moment ist das Schnäuzen aber wohl nicht zu vermeiden: Apotheken, Händler und Ärzte kommen kaum an Impfstoff.

Newspapers in German

Newspapers from Germany