Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Impfstoff gegen Influenza ist aus
Viele Menschen wollen sich noch vor der Grippe schützen und haben nun ein Problem. Dessen Auslöser ist die unerwartet hohe Nachfrage. Denn die Zahl der Kranken steigt
Landkreis Augsburg Ein Gablinger wollte seine Mutter diese Woche ganz normal zur Grippeschutzimpfung anmelden. „Sie ist 90 und bekommt die Impfung jetzt schon seit Jahren“, erklärt er. Bei einer Arztpraxis fragte er nach einem Termin. Doch die Praxis konnte der Frau nur einen Platz auf der Warteliste anbieten. Der Impfstoff sei aktuell nicht lieferbar.
Ähnliche Erfahrungen haben zwei Apotheken aus dem Landkreis gemacht. Der „quadrivalente“Impfstoff, der dieses Jahr zum ersten Mal standardmäßig verwendet wird, ist nicht verfügbar. Er schützt vor vier Grippeerregern. Das PaulEhrlich-Institut, das zum Bundesgesundheitsministerium gehört, hat dieses Jahr insgesamt 13,5 Millionen Impfdosen zugelassen. Wie in jedem Jahr konnten die Apotheken Impfstoff vorbestellen und ausliefern. Eine Zeit lang war es möglich nachzubestellen. Dann war Schluss. Auf Nachfrage hätte ein Hersteller sogar betont, dass kein Impfstoff nachproduziert werde.
Auch ein Sprecher der Phoenix Group, die europaweit agiert, aber auch ein Logistikzentrum in Stadtbergen hat, bestätigt die Knappheit. Die im „Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels organisierten Unternehmen verfügen nur noch vereinzelt über Grippe-Impfstoff“, so die Stellungnahme. Hersteller könnten nur noch in sehr begrenztem Umfang liefern, und jede Dosis, die der Großhandel erhält, werde sofort weitergegeben.
Den Grund erklärt ein Apotheker: Die Hersteller würden sich bei der Produktion sowohl an den Zahlen der vorangegangenen Jahre als auch an den Vorbestellungen orientieren. Das Problem sei, dass man bestellten Impfstoff nicht zurückgeben könne. Das bedeutet, dass Apotheker und Großhandel aus wirtschaftlichen Gründen nur geringe
Reserven anlegen, was sich wiederum auf die Kalkulationen der Hersteller auswirkt.
Doch die Grippeimpfung ist in
diesem Jahr gefragter als in den Jahren davor. „Wir hatten in der letzten Saison mehr Grippekranke und Tote“, erklärt Dr. Jakob Berger,
Bezirksvorsitzender des bayerischen Hausärzteverbands, den Trend. Auch der „quadrivalente“Impfstoff sei ein neuer Anreiz. Er verringert das Infektionsrisiko um 25 Prozent im Vergleich zu vorher verwendeten Stoffen. Die Kosten für den verbesserten Schutz übernimmt mittlerweile die Krankenkasse. Bergers Hoffnung ist außerdem, dass die Aufklärungsarbeit, die er und viele Kollegen seit Jahren leisten, jetzt Früchte trägt.
„Wenn der Impfstoff wirklich nicht nachproduziert werden sollte, werden wohl Impflücken entstehen“, sagt er. Es sei an den Ärzten, auf die Entwicklung zu reagieren. Ihren Höhepunkt erreiche die Grippewelle seiner Erfahrung nach im Januar. „Risikopatienten müssen zuerst geimpft werden“, betont Berger. Gerade für Asthmatiker, schwer herzkranke Menschen oder Patienten mit „chronisch-obstruktiver Bronchitis“könnte eine Grippeerkrankung verheerend sein.
Bisher hat Berger mit der Grippeimpfung nur gute Erfahrungen gemacht. Keiner seiner Patienten habe über Nebenwirkungen geklagt. Die Impfung sei grundsätzlich ungefährlich. Zu Symptomen komme es nur dann, wenn Ärzte „in eine Infektion hineinimpfen, die sich bisher noch nicht gezeigt hat“.
Wer nicht geimpft ist, könne sich vor Ansteckung schützen, indem er Menschenmengen meide und „so wenig wie möglich Hände schüttelt“, sagt Berger. Außerdem sollte man auf einen gesunden Lebensstil achten. Eine vitaminreiche Ernährung, ausreichend Schlaf und Stressabbau durch leichte körperliche Bewegung an der frischen Luft würden das Immunsystem stärken, erklärt der Arzt. Das schütze zwar nicht unbedingt vor Ansteckung, aber die Symptome fielen weniger dramatisch aus.
Der Gablinger ist schließlich doch noch in Augsburg fündig geworden. Den Impfstoff muss er jetzt aber selbst abholen und zum Hausarzt seiner Mutter bringen, dort bekommt die 90-Jährige dann ihre Impfung.