Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gersthofen feiert eine Widerstandskämpferin
Die neue Mittelschule trägt nun auch offiziell den Namen der Augsburger Ehrenbürgerin Anna Pröll. Der Abend wird zum Appell für Zivilcourage und gegen Ausgrenzung und rechtsradikale Tendenzen
Gersthofen Sie kämpfte gegen die Nazis, wurde ins Konzentrationslager geschickt und deswegen auch nach dem Krieg noch von vielen verachtet: Die Widerstandskämpferin Anna Pröll, die viele Jahre in Gersthofen lebte, ist die Namensgeberin der neuen Mittelschule. Mit einem Festakt – der auch ein Appell für Mitmenschlichkeit und Zivilcourage war – wurde die Umbenennung der Schule gefeiert.
„Ich möchte, dass die Kinder ohne Angst vor der Zukunft aufwachsen können. Nie mehr sollen Menschen Krieg oder Faschismus leiden müssen.“Dieses Zitat stand im Mittelpunkt der gesamten Feier.
Bürgermeister Michael Wörle zeigte sich erfreut, dass mehrere Mitglieder aus der Familie Anna Prölls, darunter auch ihr in Gersthofen lebender Sohn Josef, gekommen waren. Er zeigte sich glücklich, dass die Mittelschule nach einigen Diskussionen nun diesen Namen trägt. „Es ist schön, dass er der Schule nicht von außen aufgedrückt wurde, sondern dass er dem Wunsch der Schulfamilie entspricht“, erklärte er gegenüber unserer Zeitung. Ins Gespräch gebracht hatte Anna Pröll der Gersthofer Lehrer und Historiker Bernhard Lehmann.
Wie berichtet wurde im Gersthofer Stadtrat kontrovers über die Namensgebung diskutiert. Auch der Bürgermeister hätte zunächst lieber die Schule nach dem Ballonfahrer August von Parseval benannt, der 1901 den Augsburger Freiballonverein gründete. Doch Eltern, Schüler und Lehrer sprachen sich so eindeutig für die Benennung nach Anna Pröll aus, dass der Stadtrat schließlich zustimmte.
„Vor dem Durchhaltevermögen, der Courage und dem Standvermögen Anna Prölls kann man nur den Hut ziehen“, sagte Wörle in seiner Festrede. „Die wahre Intention, anderen helfen zu wollen, beginnt in unseren Köpfen.“Er ging auch auf das Engagement der Mittelschule ein: „Die Auszeichnung ,Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ ist Beweis, dass für Sie jeder Mensch gleichermaßen zählt.“
Schulleiterin Sigrid Puschner betonte: „Nach Franziskus, Paul Klee, Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Wolfgang Goethe ist es an der Zeit, eine Gersthofer Schule nach einer Frau zu benennen.“Anna Pröll sei „prädestiniert wie keine andere, den Namen für eine Schule mit Courage zu geben“.
Josef Pröll ging auf das Leben seiner Mutter ein und zitierte Kurt Tucholsky: „Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charak- ter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“Heute, da die Demokratie so gefährdet sei wie lange nicht mehr, erfordere es wieder eine neue Streitkultur“, so Pröll. „Populisten braucht es dazu nicht.“
Barbara Distel, langjährige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, ging darauf ein, dass Anna Pröll den Wandel im Umgang mit der Nazigeschichte vom Verdrängen bis zur Aufarbeitung noch erleben konnte. „Die politische Landschaft hat sich seit Anna Prölls Tod verändert: Die AfD will die Geschichtspolitik verändern und die Erinnerung an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik auslöschen.“Die Zivilgesellschaft und die Bildungseinrichtungen unseres Landes seien gefordert, sich dem entgegenzustellen.
Roberto Armellini, 2. Bevollmächtigter der IG-Metall Augsburg, nannte die Namensverleihung „ein weithin sichtbares Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus auch über die Stadtgrenzen hinaus“.
Auch die Schüler hatten sich mit der Widerstandskämpferin auseinandergesetzt, wie Schülersprecher Aivin Emini erläuterte: Eine Ausstellung ging auf Anna Prölls Leben ein. Außerdem gestalteten die Schulband und Chöre den Festakt musikalisch. Schulpatin Tina Schüßler begeisterte mit dem Song „Was ist aus uns geworden“.