Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Junge Talente im Holzwinkesaal
Die Harmoniemusik in Welden überrascht beim Herbstkonzert
Welden Beim Herbstkonzert der Harmoniemusik Welden läuft alles, so hätte man auf den ersten Blick ins Programmheft meinen können, ganz wie gewohnt. Wie immer: Es darf zuerst die Jugend ran und für Stimmung sorgen, dann kommen die „Alten“und setzen virtuos noch einen drauf. Ödes Einerlei also? Oh nein, mitnichten. Am vergangenen Samstag gab es in Welden so manch überraschend Neues zu hören und zu sehen – und auch völlig unerwartete Töne, die man so im Holzwinkelsaal noch nie vernommen hatte.
Ein Jugendorchester hat die Harmoniemusik nicht mehr. Diese fundamentale Ressource, die ein symphonisches Blasorchester braucht, um den eigenen Fortbestand zu sichern, ging nach kurzem Intermezzo in einem Projektorchester komplett ins Jugendorchester der Musikschule Holzwinkel & Altenmünster ein. Die brandneue junge Truppe ist kunterbunt aus allen Gemeinden der Umgebung zusammengewürfelt. Gemeinsam geprobt wird erst seit Schulbeginn, das heißt gerade vier Wochen lang.
Weiter als bis zu den Grenzen des Könnens seiner „schwächsten“Spieler kann man bei der Programmauswahl nicht gehen. Um so erstaunlicher ist es, was Nadine Schiffelholz im Verein mit dem Nachwuchs an diesem Abend aus dem Hut zauberte. Mit dem „Bolereo Nocturno“stimmte das Orchester südliche Klänge an, die deutlich an Ravels „Bolero“erinnerten und ins sonnige Spanien entführten. Ja, da kann es schon mal richtig laut werden, wenn so viele Musiker zugleich in ihre Instrumente blasen.
Mit dem Stück „Predators of the Deep“tauchten sie ab in die Tiefe, um bei den „Pirates of the Caribbean“wieder aufzutauchen. Professionelle Zwischenansagen aus den Reihen der kleinen Musiker ließen das Publikum schmunzeln, bevor es beim „Ketchup Song“mitwippen und zur Zugabe „Handclap“mitklatschen durfte. Auch Dirigent Markus Peter verlangte seiner Truppe an diesem Abend so manches Kunststück ab. Einem Salto mortale gleich kam der Sprung von Guiseppe Verdis Gefangenenchor raus aus der italienischen Oper und mitten rein ins kubanische Nachtleben – Buena Vista Social Club läßt grüßen – zum Danzon No.2 von Arturo Marquez. Vertrackte lateinamerikanische Rhythmen, die Harmoniemusik tanzte mal ganz abseits aller der heimischen Blasmusik sonst so vertrauten Wege, getragen vom soliden Fundament ihrer routinierten Schlagwerker. Hier ein tief aufseufzendes Aufbäumen in furioser Extase, dort ein wuchtiges Crescendo, nur um sich sodann wieder in sanfter Melancholie zu wiegen und zu verlieren: Die extravagante musikalische Darbietung ging zu Herzen und wirkte so berauschend wie süßer kubanischer Rum.
Mit Alfred Reeds Second Suite köchelte die Musik weiter in südamerikanischen Gefilden um dann wieder heimatliches Gefilde, respektive musikalisches Neuland zu betreten: John Williams „Schindler’s List“, in einem ausgefallenen Arrangement für Blasorchester und Geige – ja geht denn das? Ja, das geht. Junge Talente machen es möglich.