Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich will wieder Auto fahren“

Der Allgäuer Max Salcher verlor seinen Führersche­in wegen eines Bagatellun­falls. Weil er jedoch Herzproble­me hat, verweigern ihm Gutachter die Rückgabe seiner Fahrerlaub­nis

- VON JOSEF KARG

Augsburg Dies hier ist ein Fall, wie es vielleicht noch viele andere, ähnlich gelagerte in Bayern gibt: Ein 69-jähriger Mann bekommt seinen Führersche­in nicht mehr zurück. Er ist darüber regelrecht verzweifel­t. Mehrere Gutachten verwehren ihm die Rückgabe, weil die Experten der Meinung sind, dass er sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr hinters Steuer setzen sollte.

Ohne Auto ist er aber auf dem Land ziemlich aufgeschmi­ssen. „Ich muss regelmäßig zu meinen Ärzten. Ohne Führersche­in geht da gar nichts“, klagt der Allgäuer Max Salcher. Der Mann aus Legau versteht nicht, dass er eine Gefahr für den Verkehr darstellen soll, wie es die Spezialist­en behaupten. „Ich bin weder betrunken gefahren, noch nehme ich Drogen, noch bin ich ein notorische­r Temposünde­r“, sagt er. Allerdings ist er von verschiede­nen Krankheite­n geplagt. Deswegen könnte ihm ein lebensbedr­ohliches Vorhofflim­mern drohen. So steht es in einem Gutachten.

Was war passiert? Der 69-Jährige wollte am 5. Oktober 2015 mit seinem Pkw von der A96 auf den Parkplatz Wertachtal Nord fahren. Dabei bog er aus zunächst ungeklärte­n Gründen zu früh ab, fuhr ein Ausfahrtss­child um und prallte an die Mittelleit­planke, wo das Fahrzeug schließlic­h zum Stehen kam. Dann schaltete Salcher die Warnblinka­nlage ein.

Im Krankenhau­s wurde beim Auslesen des Herz-Defibrilla­tors festgestel­lt, dass der Grund für das zu frühe Abbiegen ein „Herzkammer­flimmern mit Herz-KreislaufS­tillstand“gewesen sei. Der zuständige Arzt der Kreisklini­k in Mindelheim meldete auf Polizeianf­rage die Diagnose, die schließlic­h ein Fahrverbot zur Folge hatte. Grund ist Paragraf 11 der Fahrererla­ubnisveror­dnung (FeV). Darin steht, dass keine Erkrankung und kein Mangel vorliegen dürfen, die das sichere Führen von Kraftfahrz­eugen beeinträch­tigen. Das kann etwa bei Alkoholsuc­ht, aber eben auch bei Depression­en, Diabetes, Epilepsie oder Herzleiden der Fall sein. Genau wie bei Max Salcher, der neben seinen Herzproble­men unter anderem noch ein Nierenleid­en hat und deswegen regelmäßig zum Blutreinig­en, also zur Dialyse, muss.

Weil Max Salcher aber, als er sich gesundheit­lich besser fühlte, wieder selbst Auto fahren wollte, musste er seine Eignung dafür nachweisen. Das gelang ihm bis zum heutigen Tag nicht. Die Gutachters­telle für eine Fahreignun­g des TÜV hatte bereits im Juli 2017 festgestel­lt, dass Salcher insbesonde­re aufgrund seiner Herzschwäc­he und seiner Herzrhythm­usstörunge­n nicht mehr fahrtüchti­g sei. Außerdem sei er nicht krankheits­einsichtig, wie es im Fachjargon heißt. Drei Anläufe hat Salcher schon unternomme­n, seinen Führersche­in wiederzube­kommen – dreimal sei er durch die Untersuchu­ng gefallen, erzählt er.

Ohne Erlaubnis zu fahren ist wiederum verboten. Wer von der Polizei gestoppt wird, jedoch wegen einer Erkrankung eigentlich nicht fahren dürfte, muss neben dem Entzug des Führersche­ins und einem Bußgeld sogar mit einer Anklage wegen Gefährdung des Straßenver­kehrs (Paragraf 315c Strafgeset­zbuch) rechnen.

Wie aber bekommt man seinen „Lappen“wieder? „Das ärztliche Gutachten ist für die Behörde das wichtigste Hilfsmitte­l, um zu beurteilen, ob jemand fahrgeeign­et ist oder nicht“, heißt es in der Führersche­instelle des Landratsam­tes Unterallgä­u auf Anfrage. Ein Betroffene­r könne jederzeit einen Antrag stellen, seine Fahreignun­g erneut prüfen zu lassen. Er könne selbst einen Arzt wählen. Die Führersche­instelle am Landratsam­t überprüft dann die Qualifikat­ion des Arztes. Hat er die entspreche­nde Qualifikat­ion, stellt ihm die Führersche­instelle die Akte des Betroffene­n zur Verfügung und erteilt ihm den Auftrag, die Person zu untersuche­n. Die Führersche­instelle prüft dann, ob das Gutachten schlüssig ist. Mitunter kommen Nachfragen zum Gutachten. In der Praxis weicht die Führersche­instelle nur in seltenen Fällen von der medizinisc­hen Sicht ab. Voraussetz­ung, um seinen Führersche­in wiederzuer­halten, ist also ein positives Gutachten eines Arztes mit entspreche­nder Qualifikat­ion.

Max Salcher konnte es anfangs noch nachvollzi­ehen, dass er sich nicht mehr hinters Steuer setzen darf. Weil er jedoch alleine zum Absolviere­n seiner Arzttermin­e immer wieder ein Auto braucht – die Taxikosten häufen sich bei ihm auf monatlich weit über 100 Euro –, versucht er, nachzuweis­en, dass er wieder fahrtüchti­g ist: „Ich nehme regelmäßig die von den Ärzten verordnete­n Medikament­e ein und gehe zur Herzsportg­ruppe, um gesund zu bleiben“, sagt er. Außerdem habe er schon seit drei Jahren keine Herzrhythm­usstörung mehr.

Doch aufgrund der negativen Gutachten des TÜV Süd sieht es bisher schlecht aus, obwohl zwei andere Ärzte – ein Neurologe und ein Nierenarzt – den Entzug der Fahrerlaub­nis aus ihrer Sicht für nicht gerechtfer­tigt halten. „Er ist vollkommen kreislaufs­tabil“, heißt es da. Salcher versteht die Welt nicht

Herzkammer­flimmern am Steuer erlitten

Die Chancen, dass er wieder fahren darf, stehen schlecht

mehr: „Für alle Menschen mit Handicap wird gesorgt. Sie werden wieder in die Gesellscha­ft eingeglied­ert. Ich kann nicht einmal ohne fremde Hilfe zu meinen Ärzten fahren. So fühle ich mich ein wenig wie lebendig begraben“, klagt er.

Salchers Schicksal ist sicher tragisch. Aber wegen des Risikos eines plötzliche­n Kontrollve­rlustes stehen die Chancen, wieder Auto fahren zu dürfen, nach wie vor schlecht für ihn. Vor Gericht hätte Salcher wohl keine Chance: Nach einem Urteil (Aktenzeich­en 3 K 518/01) des Verwaltung­sgerichts in Neustadt an der Weinstraße ist aufgrund einer schweren Herzerkran­kung der Entzug des Führersche­ins gerechtfer­tigt.

Dafür gibt es Gründe: Einer verkehrswi­ssenschaft­lichen Untersuchu­ng zufolge ist in Deutschlan­d bei etwa 0,4 Prozent der Verkehrsto­ten ein plötzliche­r, natürliche­r Tod am Steuer die Ursache. Meist steckt eine Herzkrankh­eit dahinter. Trotzdem will Salcher nicht aufgeben: „Ich mache nochmals einen Test. Denn ich will wieder Auto fahren.“

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Foto: Ralf Lienert Max Salcher möchte seinen Führersche­in zurück.

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