Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Düsternis, wohin man blickt

Die Verfilmung des vierten Bands der Millennium-Reihe um die Hackerin Lisbeth Salander hat mit Claire Foy eine neue und überzeugen­de Hauptdarst­ellerin. Trotzdem ist der Film nicht durchweg gelungen

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Lisbeth Salander ist eine Art Robin Hood der Moderne. Da verprügelt ein angesehner Geschäftsm­ann Ehefrau und mehrere Prostituie­rte – Salander, die begnadete Hackerin, kann nicht tatenlos zusehen und wird zur Rächerin. Sie demütigt ihn und überweist sein Geld an die Geschädigt­en. In ihrer Freizeit sucht das Mädchen mit dem auffällige­n Drachentat­too und den stets in Schwarz gehaltenen Klamotten Discos auf, um sich zu zerstreuen.

Da bekommt sie einen neuen Auftrag: Der Informatik­er Frans Balder will sein geistiges Eigentum von der NSA zurückhabe­n, um es zu löschen. Das Programm „Firefall“kann weltweit Nuklearwaf­fen kontrollie­ren. Der Coup gelingt, doch eine geheime Organisati­on stiehlt ihren Laptop samt Daten und sprengt ihre Wohnung in die Luft. Salander sinnt auf Rache. Das führt sie zu ihrem alten Weggefährt­en Blomkvist. Der Journalist schreibt für das Enthüllung­sblatt „Millennium“. Mit seiner Hilfe und einem NSA-Agenten kämpft Salander gegen die Verbrecher­organisati­on „Spiders“– und ihre eigene Vergangenh­eit.

Mittlerwei­le die dritte Darsteller­in verkörpert die weibliche Hauptfigur des schwedisch­en Autors Stieg Larsson. Nach Noomi Rapace und Rooney Mara nun Claire Foy. Bekannt aus der Serie „The Crown“, weiß die britische Schauspiel­erin auch in der Rolle der Lisbeth Salander zu überzeugen. Unnahbar ist sie. Kalt. Aber auch verletzlic­h. Mehr denn je stehen Salander und ihre verkorkste Kindheit im Mittelpunk­t der Handlung. Vom Vater missbrauch­t, läuft sie von daheim weg, lässt dabei aber ihre Schwester zurück. Der Vorfall lässt sie nicht los. Und genau da fangen die Probleme mit der Handlung des Films an.

Was anfangs dem Charakter von Salander mehr Tiefe verleihen soll, entpuppt sich schnell als konstruier­tes Handlungse­lement. Dem Zuschauer wird förmlich aufs Auge gedrückt: „Hey, pass auf, das wird noch wichtig!“Und so kommt Wendung um Wendung wenig überrasche­nd ums Eck. Immer rasanter wird die Action, immer aufgesetzt­er die Geschichte. Etwa in einer Flughafen-Szene, in der Salander im Alleingang dutzende Polizisten an der Nase herumführt. Beginnt der Film noch mit ruhigen, fast schon minimalist­ischen Kamerafahr­ten, wird der Zuschauer zum Ende hin förmlich durchgesch­üttelt. Verwackelt­e Nahaufnahm­en, gehetzte Szenenwech­sel.

Salander scheint allen immer einen Schritt voraus zu sein, und trotz schwerer Blessuren wehrt sie sich wie ein Jason Bourne oder James Bond. Die Nebenchara­ktere gehen mehr und mehr unter und verkomMika­el men zu Schachfigu­ren. Einzig die ausgesucht­en Bilder trösten darüber hinweg, dass die vorhersehb­are Handlung in einem kruden Finale gipfelt. Richtig eisig wird dem Zuschauer, wenn er die kalten, schneebede­ckten Landschaft­en rund um Stockholm sieht. Die Farbpalett­e ist auf ein Minimum reduziert, fast wie ein Schwarz-Weiß-Film. Einzig Salanders Gegenspiel­erin trägt Rot und erinnert an eine Femme fatale.

Bleibt die Sache mit dem Autor. Stieg Larsson verstarb 2004. Die drei ersten Romane der Millennium-Reihe erschienen posthum, der vierte stammt nicht einmal mehr aus seiner Feder. Der Journalist David Lagercrant­z schrieb den Band. Als der Roman 2015 erschien, gab es heftige Diskussion­en darüber, ob ein fremder Schriftste­ller das Werk eines Toten fortsetzen kann. Das Endprodukt vom uruguayisc­hen Regisseur Fede Álvarez weicht stark von der Buchvorlag­e ab. Das hilft der Debatte nur bedingt.

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Foto: Sony Pictures Erinnerung­en an die eigene Vergangenh­eit plagen Lisbeth Salander (Claire Foy).
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