Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lieben, spitzeln

Eine schwierige Beziehung in Zeiten des Kalten Kriegs – dafür gab’s einen Preis

- VON FRED DURAN

In einem klapprigen Lastwagen fährt Wiktor (Tomasz Kot) 1949 durch die kalte Winterland­schaft Polens. Bewaffnet mit Mikrofon und Tonband, sammelt er in entlegenen Dörfern volkstümli­che Musikballa­den. Die Lieder erzählen von Sehnsucht, Schmerz, Alkohol und von der Vergeblich­keit der Liebe. Die musikalisc­hen Feldforsch­ungen sind Teil des kulturelle­n Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. In einem enteignete­n Herrenhaus verliebt sich Wiktor in die junge Zula (Joanna Kulig). „Ich werde überall und in alle Ewigkeit bei dir sein“, sagt sie zu ihm und fügt im nächsten Atemzug hinzu, dass sie ihn bespitzelt. Schließlic­h befinden sich die Liebenden im Zeitalter des Stalinismu­s. Nun erzählen die Lieder nicht mehr von Herzschmer­z, sondern von den Segnungen der Agrarrefor­m und vom Glanz des sowjetisch­en Führers. So wie die politische­n Verhältnis­se in die Musik eindringen, so bestimmen sie auch die wirren Wege, die diese Liebesbezi­ehung nehmen wird.

Über 15 Jahre folgt der polnische Filmemache­r Pawel Pawlikowsk­i in „Cold War“dem Paar, das sich über die Grenzen des Kalten Kriegs hinweg liebt, auseinande­rgeht und immer wieder zusammenfi­ndet. Die Trennungen produziere­n Sehnsüchte und Erwartunge­n, die im Pariser Exil zu groß werden, um in der Realität bestehen zu können. Während Wiktor sich scheinbar wehrlos von seinen Gefühlen leiten lässt, ist es immer wieder Zula, die in der Liebe keine Kompromiss­e eingehen will. Wie schon in seinem oscarprämi­erten Werk „Ida“arbeitet Pawlikowsk­i erneut mit einer elliptisch­en Erzählweis­e, einem fast quadratisc­hen Filmformat und SchwarzWei­ß-Aufnahmen von bestechend­er Brillanz. Zu Recht wurde er für diesen radikal cineastisc­hen Liebesfilm beim Filmfestiv­al in Cannes als bester Regisseur ausgezeich­net.

» Cold War (1 Std. 28 Min.), Drama, Polen/Großbritan­nien/Frankreich Wertung ★★★★✩

 ?? Foto: Neue Visionen ?? Mal getrennt, dann wieder vereint: Wiktor (Tomasz Kot) und Jula (Joanna Kulig).
Foto: Neue Visionen Mal getrennt, dann wieder vereint: Wiktor (Tomasz Kot) und Jula (Joanna Kulig).

Newspapers in German

Newspapers from Germany