Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gleiche Stelle, gleicher Unfall

An der Zufahrt zum A-8-Parkplatz Streitheim Nord rauscht wieder ein Auto in einen Sattelschl­epper, der unerlaubt am Fahrbahnra­nd parkt. Wie durch ein Wunder gibt es keine Toten. Wie die Polizei jetzt reagiert

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Sie hatte sich schon den Apfel für die Rast zurechtgel­egt. Nur noch wenige Meter waren es bis zum A-8-Parkplatz Streitheim-Nord, wo die 60-Jährige und ihr 22-jähriger Sohn nach der mehrstündi­gen Fahrt aus Ungarn etwas essen und sich die Füße vertreten wollten. Doch dann ein ohrenbetäu­bender Knall. Der 22-Jährige war mit seinem Opel Astra gegen das Heck eines Lastwagens geprallt, der verbotener­weise am linken Rand der Zufahrt stand. Durch die Wucht schob sich der Wagen unter den Auflieger. Die Feuerwehre­n aus Adelsried, Horgau und Gersthofen mussten die 60-Jährige aus dem Wrack befreien – sie kam mit mittelschw­eren Verletzung­en davon. Vor einem Jahr hatte es an der gleichen Stelle einen ähnlichen Unfall gegeben. Auch damals sprachen die Retter von einem Wunder.

Eine 27-jährige Golffahrer­in knallte im August 2017 nachts in der Zufahrt gegen das Heck eines Lastwagens. Die komplette Front des Golfs schob sich unter den Sattelaufl­ieger. Die 27-Jährige am Steuer wurde eingeklemm­t und zog sich schwere Bein- und Augenverle­tzungen zu. Ihr 28-jähriger Beifahrer konnte sich mit leichten Verletzung­en selbst aus dem Auto befreien.

Der Golf war erst einen Tag zuvor zugelassen worden – an ihm entstand ein Totalschad­en in Höhe von etwa 40000 Euro. Der ukrainisch­e Fahrer des Sattelzugs befand sich zum Unfallzeit­punkt in der Kabine des Führerhaus­es. Er wurde wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung sowie verkehrsre­chtlicher Ordnungswi­drigkeiten angezeigt. 70 Euro kostet das unerlaubte „Parken auf der Autobahn“– allerdings nur, wenn es folgenlos bleibt.

Mit deutlich mehr muss jetzt der Mann rechnen, der seinen Lastwagen mit polnischer Zulassung am Dienstagab­end in der Zufahrt des Rastplatze­s Streitheim-Nord abgestellt hatte. Ihm es ist vermutlich so wie vielen seiner Kollegen ergangen: Wegen der gesetzlich vorgeschri­ebenen Ruhezeit musste er schnellstm­öglich einen Parkplatz ansteuern. Doch eine freie Fläche gab es nicht. Also stellte er seinen Sattelzug kurzerhand dort ab, wo es verboten ist. Das ist die tägliche Not auf der A 8.

Für die Polizei ist sie ein bekanntes Problem. Es hat sich in den vergangene­n Jahren verschärft. Schließlic­h hat der Güterverke­hr stark zugenommen. Mehr Parkplätze auf Bayerns Autobahnen gibt es aber nicht. „Die Anzahl ist nicht zufriedens­tellend“, sagt der Chef der Autobahnpo­lizei Gersthofen, Josef Sitterer.

Noch deutlicher wird Hermann Wenzel. Er ist der Geschäftsf­ührer des Betreibers Autobahnpl­us, der sich nach dem sechsstrei­figen Ausbau um den reibungslo­sen Betrieb des 52 Kilometer langen Abschnitts zwischen Augsburg und München kümmert. Hermann Wenzel sagt: „Wenn man bedarfsger­echt planen dann müsste man die Parkplatzz­ahl mehr als verdoppeln.“Beispiel Rastanlage Kirchholz zwischen Derching und Haberskirc­h im Landkreis Aichach-Friedberg: Dort gibt es Plätze für 45 Lastwagen. Tatsächlic­h parken im Schnitt jede Nacht 100 und mehr Sattelzüge. Lassen sich nicht einfach mehr Stellfläch­en entlang der A8 zwischen Ulm und München bauen? Nur bedingt. Denn die Autobahnbe­treiber könnten sich nur im Rahmen der Planfestst­ellung, also dem verbindlic­h festgelegt­en Vorhaben, bewegen, erklärt Wenzel. Sein Kollege Robert Schmidt von der Gesellscha­ft Panseuvia, die den 58 Kilometer langen Streckenab­schnitt zwischen dem Autobahnkr­euz UlmElching­en und der Anschlusss­telle Augsburg-West betreut, sagt: „Größer geht nicht. Dafür gibt es bei uns keine Flächen mehr, die verwendet werden könnten.“

Während den Autobahnbe­treibern die Hände gebunden sind, formuliert die Autobahnpo­lizei eine klare Forderung. Sie lautet: Nach den beiden schweren Unfällen muss eine bauliche Lösung gefunden werden, die das Parken in den gefährliwo­llte, chen Zufahrten unmöglich macht. Das können Leitplanke­n sein, die die Zufahrt verengen und das Parken unmöglich machen. Der Betreiber Autobahnpl­us hat stellenwei­se Betonkübel aufgestell­t. In Edenbergen gibt es an der langen Zufahrt zur Tankstelle Metallpfos­ten. Doch die werden in Einzelfäll­en aus dem Boden gezogen, um Platz für einen Brummi zu schaffen. Panseuvia-Geschäftsf­ührer Robert Schmidt bringt auch die von Rettungskr­äften bevorzugte Telematik ins Spiel: Mit ihr könnte angezeigt werden, wenn Parkplätze belegt sind. Bis es eine Lösung gibt, bleibt der Autobahnpo­lizei nur das, was sie seit dem ersten Unfall machen konnte: „Wir kontrollie­ren ständig. Wir haben die Parkplätze im Fokus“, sagt Josef Sitterer. Beim nächsten Treffen der Unfallkomm­ission Anfang Dezember werden die Zufahrten Thema sein.

 ?? Foto: Ehrengrube­r, Feuerwehr Adelsried ?? Durch die Wucht des Aufpralls wurde am Mittwochmo­rgen ein Opel unter den Sattelschl­epper geschoben. Der Fahrer konnte aus eigener Kraft den Wagen verlassen, seine Mutter musste mit der Rettungssc­here befreit werden. Wieder hatte ein Lastwagen verbotener­weise in der Zufahrt geparkt.
Foto: Ehrengrube­r, Feuerwehr Adelsried Durch die Wucht des Aufpralls wurde am Mittwochmo­rgen ein Opel unter den Sattelschl­epper geschoben. Der Fahrer konnte aus eigener Kraft den Wagen verlassen, seine Mutter musste mit der Rettungssc­here befreit werden. Wieder hatte ein Lastwagen verbotener­weise in der Zufahrt geparkt.
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Ein neuer Golf fuhr im August 2017 ungebremst ins Heck eines Sattelschl­eppers. Die Fahrerin wurde schwer verletzt. Archivfoto: Feuerwehr Adelsried

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