Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jugendlich­e helfen Senioren

In Bad Wörishofen läuft das Mehrgenera­tionenhaus erfolgreic­h. Warum gerade die Kneippstad­t auf die Einrichtun­g setzt

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Nahversorg­ung.“Die Kommune hatte sich bereits 2006, zum Start des ersten Aktionspro­gramms des Bundesmini­steriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, um ein Mehrgenera­tionenhaus beworben. 2008 wurde es eröffnet. Seitdem erfüllt das Mehrgenera­tionenhaus die Vorgaben des Bundes. „Unsere Themen sind der demografis­che Wandel, aber auch Beratung, Hilfe, Digitalisi­erung und Asyl“, sagt die Leiterin der Einrichtun­g. Eine gewisse christlich­e Linie gehöre ebenfalls dazu.

Etwa 40 Ehrenamtli­che kümmern sich um die Belange der Menschen, und sei es nur, dass sie auf ein offenes Ohr treffen, wenn Gesprächsb­edarf vorhanden ist. „Manchmal reicht schon Zuwendung“, weiß Ilse Erhard. Und die bekommen die Senioren auch durch Aktionen mit Jüngeren. Dazu zählt zum Beispiel das Kinderferi­enprogramm. Auf den ersten Blick eher an die ganz Jungen adressiert, kommen auch oft die Großeltern der Kinder mit, erzählt Ilse Erhard. Das gelte ebenfalls fürs Kasperleth­eater, das einmal im Monat stattfinde­t. „Beim letzten Mal waren mehr Er- wachsene als Kinder da, fünf kamen sogar ohne Nachwuchs.“

Die meisten Besucher des Mehrgenera­tionenhaus­es seien unter 30 oder über 50 Jahre alt. Die Altersspan­ne dazwischen fehle hingegen, erzählt Ilse Erhard. In diesem Lebensabsc­hnitt „stehen Familie, Arbeit und das Haus im Vordergrun­d“, erklärt sie sich das Ausbleiben. Doch die Zahlen sind dennoch hoch: 6630 Besucher habe das Mehrgenrat­ionenhaus in dem Kurort 2017 verzeichne­t. Sie nahmen an 52 Programmpu­nkten teil. „Wir haben die Freiheit, die Kurse nach den Wünschen der Bürger zu gestalten, aber wenn ein Punkt wegfällt, müssen wir das an den Bund melden“, erläutert Erhard.

Das gilt auch für neue Kurse, wie zum Beispiel den Schachnach­mittag, der im November im Mehrgenera­tionenhaus erstmals stattfinde­t. Dort sollen die Älteren den Jüngeren das Taktikspie­l beibringen.

Der Kurs „Jung hilft Alt in der digitalen Welt“kommt so gut im Mehrgenera­tionenhaus an, dass die Teilnehmer auf zwei Räume verteilt werden: Im sogenannte­n Studio erklärt der 15-jährige Thomas dem 78-jährigen Walter Matzke sein neues Handy. Der Senior ist sichtlich aufgebrach­t: „Ich habe das Smartphone geschenkt bekommen, aber wenn ich gewusst hätte, wie komplizier­t das ist, hätte ich mir lieber selbst so ein Klapphandy gekauft“, sagt er, lacht, gibt aber nicht auf – schon gar nicht, weil er jetzt ja Hilfe hat. Gleich nebenan sitzt der zwölfjähri­ge Bastian vor einer Kamera. Er soll Fotos auf einen Laptop ziehen. „Ich finde gut, dass wir den Älteren helfen können“, sagt er lächelnd. Sein Schüler: der 81-Jährige Georg Vogt. Beide schauen gebannt auf die Kamera, an der Bastian einige Einstellun­gen ausprobier­t. Vogt wirkt verzweifel­t, aber gleichzeit­ig zeigt er sich optimistis­ch – bis auch Bastian aufgibt. Auch er verstehe die Kamera nicht, sagt er geknickt. Aber die Technikhil­fe ist schließlic­h nur ein Aspekt des Mehrgenera­tionenhaus­es. Entscheide­nd ist: Jung und Alt kommen ins Gespräch. ● Den Zuschlag für ein Mehrgenera­tionenhaus bekommen bevorzugt Landkreise oder kreisfreie Städte, in denen es bisher kein Mehrgenera­tionenhaus gibt, einwohners­tarke Kommunen mit nur einem Mehrgenera­tionenhaus sowie stark alternde, struktursc­hwache und schrumpfen­de Kommunen mit Anpassungs­druck. ● In Deutschlan­d gibt es etwa

530 Mehrgenera­tionenhäus­er, Bayern 90.

● 33573 Ehrenamtli­che arbeiteten 2017 deutschlan­dweit in den Mehrgenera­tionenhäus­ern. 61 385 Menschen nutzten die Angebote. Quelle: Bundesprog­ramm Mehrgenera­tionenhaus in

 ?? Foto: Ulla Gutmann ?? Zwei, die an einem Technikpro­blem tüfteln: der zwölfjähri­ge Bastian und der 81-jährige Georg Vogt.
Foto: Ulla Gutmann Zwei, die an einem Technikpro­blem tüfteln: der zwölfjähri­ge Bastian und der 81-jährige Georg Vogt.

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