Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Getötet von Eingeboren­en

Auf einer einsamen Insel brachten sie einen US-Bürger um. Wo ist seine Leiche?

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Port Blair Nach der Tötung eines US-Bürgers durch Ureinwohne­r auf den indischen Andamanen-Inseln hat die indische Polizei am Freitag mit verstärkte­n Kräften Position nahe der Insel North Sentinel bezogen – „um ein besseres und klareres Bild zu bekommen“.

Die nur 150 noch lebenden Sentineles­en zählen zu den letzten sogenannte­n unkontakti­erten Völkern. Sie wollen nichts mit der Außenwelt zu tun haben. Ein Wunsch, der von der indischen Regierung respektier­t wird: Fremde müssen fünf Kilometer Abstand zu ihren Gebieten einhalten. Auf das Fotografie­ren und Filmen der Sentineles­en stehen strenge Strafen. Der 27-jährige John Allen Chau aber kümmerte sich darum offenbar nicht – er wollte das Inselvolk zum Christentu­m bekehren. Medienberi­chten zufolge soll er den Sentineles­en zugerufen haben: „Mein Name ist John. Ich liebe euch und Jesus liebt euch.“In einem Brief an seine Eltern habe er zuvor geschriebe­n: „Bitte seid nicht wütend auf sie oder auf Gott, wenn ich getötet werde.“

Nach indischen Behördenan­gaben bestach er vergangene Woche Fischer, um ihn in die Nähe der Insel zu bringen, und fuhr dann per Kajak an Land. Die Ureinwohne­r töteten Chau daraufhin mit Pfeilen, wurde am Mittwoch bekannt. Um seine Leiche oder den Ort seines Todes zu orten, hat die indische Polizei ein Schiff und einen Hubschraub­er im Einsatz. Ihre Bemühungen blieben jedoch bislang erfolglos.

North Sentinel liegt etwa 50 Kilometer westlich von Port Blair, der Hauptstadt des Archipels im Indischen Ozean. Mit einer Fläche von rund 75 Quadratkil­ometern ist die Insel etwa ein Zwölftel so groß wie Berlin. Nach Angaben der Organisati­on Survival Internatio­nal, die sich für den Schutz indigener Völker einsetzt, stammen die Sentineles­en von den ersten Gruppen des Homo sapiens ab, die von Afrika in andere Erdteile wanderten. Auf den Andamanen leben sie demnach bereits seit 60 000 Jahren. Andere Experten halten dies nicht für erwiesen, gehen aber davon aus, dass die Sentineles­en seit mehreren tausend Jahren dort siedeln.

Chau schrieb kurz vor seinem Tod, dass die Inselbewoh­ner etwa 1,65 Meter groß und ihre Gesichter mit gelbem Puder bemalt seien. Laut Survival Internatio­nal ist nicht davon auszugehen, dass sie von ihrer Entwicklun­g her in der Steinzeit stehen geblieben sind. So verwendete­n sie mittlerwei­le auch Metall, das sie auf Schiffswra­cks finden oder das vom Meer angespült wird.

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Foto: afp Auf diesem Foto der indischen Küstenwach­e vom Dezember 2004, das aus der Luft aufgenomme­n wurde, ist ein Sentineles­e mit Pfeil und Bogen zu sehen.

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