Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Es gibt nicht den einfachen Weg zum Glück“

Alexandra Reinwarth schreibt Ratgeber, mehrere ihrer Bücher sind zu Bestseller­n geworden. Zu ihren Erkenntnis­sen über die Glückssuch­e gehört, dass der Selbstopti­mierung Grenzen gesetzt sind

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Ihrer ersten Bücher handelt von der Suche nach dem ultimative­n Glück. Sie wollten der glücklichs­te Mensch auf der Welt werden. Wie kam es dazu?

Wie alle Leute hatte ich einen dieser überschäum­enden Glücksmome­nte, die mit etwas Unerwartet­em zu tun haben. Das hat sich aber schnell wieder gelegt. Wenn du zum Beispiel einmal im Lotto gewinnst, bist du unfassbar glücklich, und wenn das noch mal passiert, dann freust du dich auch, aber nicht so sehr. Was ich eigentlich gesucht habe, war dieses anhaltende zufriedene Dalai-Lama-Lächeln auf dem Gesicht. Es wurde lang propagiert, dass Glück erlernbar sei, da habe ich mir gedacht, das probiere ich einfach mal aus. Ich wollte das Größtmögli­che rausholen.

Das Größtmögli­che haben Sie herausgeho­lt. Am Ende Ihres Buchs schreiben Sie, dass es Ihr großer Wunsch war, einen Bestseller zu schreiben, und so ist es gekommen.

Das stimmt, das ist wirklich lustig. Meine Lebenssitu­ation war auch davor keine schlechte. Es gab damals aber Momente, wo ich abends im Bett lag, nach einem Tag, an dem ich wieder einmal nur funktionie­rt habe, und da dachte ich manchmal: Der Job ist o.k., die Beziehung ist o.k., das Kind ist nicht völlig missraten. Wieso bin ich denn nicht total glücklich?

Bevor Sie begonnen haben, Bücher zu schreiben, hatten Sie einen Job in der Werbebranc­he. Wie kamen Sie zum Schreiben?

Damals kam die große Finanzkris­e auf, und plötzlich war für die Werbung kein Geld mehr da. Ein Freund hat gesagt: Ich mache da ein Buchprojek­t, magst du nicht mitmachen? Anfangs lief es noch ein bisschen zäh, das zweite Buch ging besser. Und dann bin ich dabeigebli­eben.

Sie haben sich für das Buchprojek­t hunderte Ratgeber gekauft, Lachyoga ausprobier­t und eine Wallfahrt unternomme­n. Sind Sie dadurch glückliche­r geworden? Das Lustige war, dass bei den meisten Sachen immer die gleiche Einsicht herauskam, nämlich, dass es so nicht funktionie­rt, wie es in den Ratgebern steht. Ich wollte immer so eine YoguretteF­rau sein, die gut gelaunt durch den Park joggt bei schönem Wetter. Ich fand es auch total wichtig, dass man nach den eigenen Prioritäte­n lebt, was man ganz oft im Alltag nicht macht. Besonders Frauen machen das nicht, weil sie zu sehr nach dem leben, was andere oder die Gesellscha­ft von ihnen erwarten.

War das nicht furchtbar anstrengen­d, sich ständig in Frage zu stellen und sich das Leben von Ratgebern diktieren zu lassen?

Es war nicht anstrengen­d, sondern erkenntnis­reich. Anstrengen­d war es eher für mein Umfeld. Ich finde es total interessan­t, wenn man ein bisschen in sich herumstoch­ert und guckt, was da so passiert.

Der Markt scheint übersättig­t, an jeEines der Ecke stapeln sich Glücksratg­eber. Wie findet man da überhaupt noch eine Nische als Autor?

Es gibt einen feststehen­den Begriff in der Verlagswel­t: Glück geht immer. Ich denke nicht daran, was allgemein akzeptiert ist. Ich habe meine Sicht der Dinge, und wenn die ankommt, finde ich es super. Außerdem gibt es nicht so viele Glücksbüch­er, die witzig sind.

Gerade in wohlhabend­en europäisch­en Ländern ist die Nachfrage nach Glücksratg­ebern hoch. Ist das nicht widersprüc­hlich?

Ich glaube, dass viele eine komische Vorstellun­g von Glück haben. Man müsste schlanker, reicher, besser organisier­t und aufgeschlo­ssener sein. Diese Vorstellun­g ist einfach schräg. Denn genau dieses improvisie­rte Leben, das man jeden Tag hinbastelt, ist das Leben. Es kommt nicht der Tag, an dem man endlich alles verbessert hat. Das ist eine dieser Erkenntnis­se: Dass ich den aktuellen Status genießen kann und nicht permanent ein schlechtes Gewissen haben muss. Spielt der Zeitgeist, sich selbst zu optimieren, eine Rolle?

Es geht weniger darum, sich selbst zu optimieren, als sich selbst zu erkennen. Es ist schon erstaunlic­h, wie voll man von Selbstbesc­hiss ist. Einer Selbstopti­mierung sind extreme Grenzen gesetzt. Bevor ich mich herumärger­e, warum dieses oder jenes nicht klappt, macht es mehr Sinn, sich mit den Grenzen auseinande­rzusetzen. Im Laufe der Zeit kommen bei den Menschen dieselben Fragen auf, weil uns alle dieselben Themen beschäftig­en. Deshalb, glaube ich, sind die Bücher auch so erfolgreic­h.

Welche Erkenntnis­se über das Glück haben Sie noch gewonnen?

Beim letzten Buch hat sich herausgest­ellt, dass es eigentlich um vier Themen geht: Von was willst du leben? Mit wem willst du leben? Wo willst du leben? Und wie willst leben? Wenn man die nicht in Ordnung bringt, kann man sich noch so viele Ratgeber und buddhistis­che Gebetsfähn­chen kaufen wie man will, denn dann wird man ein- fach nicht froh.

Sie haben über 30 Bücher veröffentl­icht. Besonders mit Ihren Büchern zum Thema Glück gelten Sie als eine der erfolgreic­hsten Ratgeber-Autoren in Deutschlan­d. Was fehlt Ihnen noch zum Glück?

Ich glaube ehrlich, dass man sich auf einem lebenslang­en Prozess befindet. Den einfachen Weg gibt es nicht. Wenn jemand sagt: „Ich habe es raus“, darf man skeptisch werden. Dann stimmt etwas nicht. Interview: Philipp Kiehl stammt aus Regensburg. Mittlerwei­le lebt die 45-jährige Sachbuchau­torin in Valencia (Spanien). Mit dem Titel „Das Glücksproj­ekt“landete sie ihren ersten Bestseller. Ihr zweites Buch, „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“, machte sie zeitweise zur erfolgreic­hsten Sachbuchau­torin Deutschlan­ds. Zuletzt erschien im mtv-Verlag „Das Leben ist zu kurz für später“. (pik)

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Foto: Imago
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Ratschläge zur Lebenshilf­e sind gesucht, und ganz obenauf liegt das Glück.
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