Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kernsinn

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger-allgemeine.de

Kernfragen des Daseins sind es eher selten, die Alexander Dobrindt umtreiben. Der CSU-Politiker, einst Generalsek­retär, dann Verkehrsmi­nister, nun Landesgrup­penchef, apportiert­e jahrelang die Pkw-Maut als des Pudels Kern deutscher Politik-Utopien. Brüssel weigerte sich lange hartnäckig, über dieses Stöckchen zu springen. Und die „konservati­ve Revolution“, die Dobrindt ausgerufen hat, ist über den Stand eines Rohrkrepie­rers nicht recht hinausgeko­mmen.

Alexander Dobrindt kommt gerne verbal zum Punkt, punktet aber selten. Sein rhetorisch­es Temperamen­t hält er dennoch für eine Kernkompet­enz, die unerschroc­ken einzusetze­n er nicht müde wird – gegen „Zeitgeistg­etriebene“, gegen die FDP („Gurkentrup­pe“), die „Anti-Abschiebe-Industrie“oder einstens gegen Hannelore Kraft aus dem Igitt-Land NRW, die er „das faulste Ei in der deutschen Politik“nannte. Kernig klingt er gern, der Oberbayer. Nun hat der CSU-Mann in Sachen Migrations­pakt nicht taktiert, sondern formuliert. Der „Kernsinn“des Paktes sei es, „illegale Migration zu reduzieren und legale zu ermögliche­n.“

Kernsinn: Auf dieses Wort muss man kommen. Es ist eine Kreation von Dobrindt. Der Duden kennt das Wort nicht – da landet man (wie auch mit jeder Suchmaschi­ne) sogleich bei Kernspin. Stellen wir die Sinnfrage: Was bedeutet Kernsinn? Gibt es einen peripheren Sinn? Sinnspaltu­ng? Nebensinn? Man kannte (und brauchte dazu niemals einen Dobrindt) den Kerngedank­en und die Sinnhaftig­keit, Sinnkrisen und Unsinn, Hintersinn, Kernseife und Kernzonen. Aber Kernsinn?

Wahrschein­lich meint Alexander Dobrindt den Kern der Sache, die Essenz des Migrations­paktes, die Grundidee, den Geist des Papiers – auch wenn dieses nicht „in reiner CSU-Lehre formuliert“sei. Das wäre ja auch Wahnsinn.

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