Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kernsinn
Kernfragen des Daseins sind es eher selten, die Alexander Dobrindt umtreiben. Der CSU-Politiker, einst Generalsekretär, dann Verkehrsminister, nun Landesgruppenchef, apportierte jahrelang die Pkw-Maut als des Pudels Kern deutscher Politik-Utopien. Brüssel weigerte sich lange hartnäckig, über dieses Stöckchen zu springen. Und die „konservative Revolution“, die Dobrindt ausgerufen hat, ist über den Stand eines Rohrkrepierers nicht recht hinausgekommen.
Alexander Dobrindt kommt gerne verbal zum Punkt, punktet aber selten. Sein rhetorisches Temperament hält er dennoch für eine Kernkompetenz, die unerschrocken einzusetzen er nicht müde wird – gegen „Zeitgeistgetriebene“, gegen die FDP („Gurkentruppe“), die „Anti-Abschiebe-Industrie“oder einstens gegen Hannelore Kraft aus dem Igitt-Land NRW, die er „das faulste Ei in der deutschen Politik“nannte. Kernig klingt er gern, der Oberbayer. Nun hat der CSU-Mann in Sachen Migrationspakt nicht taktiert, sondern formuliert. Der „Kernsinn“des Paktes sei es, „illegale Migration zu reduzieren und legale zu ermöglichen.“
Kernsinn: Auf dieses Wort muss man kommen. Es ist eine Kreation von Dobrindt. Der Duden kennt das Wort nicht – da landet man (wie auch mit jeder Suchmaschine) sogleich bei Kernspin. Stellen wir die Sinnfrage: Was bedeutet Kernsinn? Gibt es einen peripheren Sinn? Sinnspaltung? Nebensinn? Man kannte (und brauchte dazu niemals einen Dobrindt) den Kerngedanken und die Sinnhaftigkeit, Sinnkrisen und Unsinn, Hintersinn, Kernseife und Kernzonen. Aber Kernsinn?
Wahrscheinlich meint Alexander Dobrindt den Kern der Sache, die Essenz des Migrationspaktes, die Grundidee, den Geist des Papiers – auch wenn dieses nicht „in reiner CSU-Lehre formuliert“sei. Das wäre ja auch Wahnsinn.