Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Rückkehr der Bücherschätze
Gut 200 Jahre nach Auflösung des Klosters Irsee wurden exquisite Bände aus seinem Bestand von der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek zurück ins Allgäu gebracht. Mit der Schau in Kaufbeuren endet auch ein großes Forschungsprojekt
Kaufbeuren/Augsburg Diese Bücher erzählen viele Geschichten – nicht nur auf ihren Seiten, sondern auch mit ihren Einbänden, ihren Besitzvermerken und ihren Beschädigungen. In einem umfangreichen Forschungsprojekt hat die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg die Bestände der Klosterbibliothek Irsee untersucht, die nach der Auflösung der Benediktinerabtei bei Kaufbeuren 1802 zu einem großen Teil in staatlichen Besitz übergegangen war. Rund 50 herausragende und bezeichnende Beispiele für die Bücherbestände des Klosters sind nun wieder in die Nähe ihres ursprünglichen Aufbewahrungsortes zurückgekehrt: Das Stadtmuseum Kaufbeuren zeigt sie, ergänzt durch weitere Objekte aus dem Kloster Irsee, in der Ausstellung „Von Bücherschätzen und gelehrten Mönchen“.
Vor 200 Jahren, im Herbst 1818, besuchten zwei Augsburger Bibliothekare das 16 Jahre zuvor aufgelöste Kloster Irsee. Daniel Eberhard Beyschlag und Johann Gottlob May hatten den Auftrag, für die damalige Vereinigte Königliche Kreis- und Stadtbibliothek Augsburg brauchbare Bücher auszuwählen. Aus Irsee nahmen sie sieben ihnen besonders wichtig erscheinende Werke sofort mit. 1821 und 1833 gab es dann zwei Repro: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg etlichen Irseer Äbten, dazu liturgische Geräte und andere Objekte aus dem Kloster, bildet quasi einen Zeitstrahl, dem dann die entsprechenden Bände zugeordnet sind.
So sind noch einige Pergamenthandschriften erhalten, die wohl zur Grundausstattung des 1182 gegründeten Klosters gezählt haben dürften. So etwa ein Kodex mit den ersten acht Büchern des Alten Testaments aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, in dem auch einer der ältesten erhaltenen Besitzeinträge der Irsee Klosterbibliothek aus dem 15. Jahrhundert zu finden ist. Die älteste aus Irsee überlieferte Handschrift überhaupt ist ein Kommentar zum biblischen Buch Hiob aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Anfang des 13. Jahrhunderts ist dann mit dem „Codex sancte Marie in Vrsin“das älteste, nachweislich in Irsee geschriebene Buch entstanden.
In der Folgezeit wurde die Bibliothek ständig durch Ankäufe und Schenkungen erweitert, wobei die Beschaffungspolitik der relativ kleinen und nicht sehr vermögenden Abtei eher preisbewusst und pragmatisch war. Eine prächtige Ausnahme bildeten die Bände, die Abt Sebastian Steiger, der von 1549 bis 1565 amtierte, für seinen persönlichen Gebrauch anfertigen ließ. Die zwei in Kaufbeuren gezeigten liturgischen Werke mit ihren exquisiten
Die Beschlagnahme war die Rettung der Bibliothek
Der prächtigste Raum gehörte den Büchern
Buchmalereien aus Steigers Besitz zählen zu den reizvollsten Exponaten. Im Dreißigjährigen Krieg wanderte die Irseer Bibliothek dann ein erstes Mal nach Augsburg – die schwedischen Besatzer hatten sie konfisziert und abtransportiert. Durch glückliche Zufälle kam sie aber wieder ins Allgäu zurück.
Mit dem barocken Neubau des Klosters Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der größte und prächtigste Raum des Konventgebäudes für die Bücher reserviert. Ein äußeres Zeichen dafür, dass sich das Kloster Irsee zu einem Zentrum der Wissenschaft und Bildung und zu einem Leuchtturm der „Katholischen Aufklärung“entwickelte. Entsprechend wandelte sich auch die Beschaffungspolitik für die Bibliothek: Es wurden systematisch wichtige Werke der Theologie, Philosophie, aber auch der Naturwissenschaften gekauft – zum Teil für immense Summen. Pater Magnus Remy (1674–1734), der als Baumeister und Maler beim Klosterneubau mitwirkte, verfügte über hochkarätige Architekturtraktate. Auch die Mönche publizierten fleißig ihre Werke, etwa der Prior, Komponist und Musiktheoretiker Meinrad Spieß (1683–1761) oder der Philosoph und Naturwissenschaftler Pater Ulrich Weis (1713– 1763). Die Säkularisation setzte dieser Blüte des Buchwesens im Kloster Irsee ein jähes Ende – Beyschlag und May walteten ihres Amtes.