Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schuldnera­tlas: Augsburg ist ein Brennpunkt

Vor allem Rentner und alleinerzi­ehende Frauen sind betroffen. Warum die beiden Landkreise besser dastehen

- VON MARIA HEINRICH

Region Augsburg Arme Stadt, reiches Land. In Augsburg hat mittlerwei­le jeder zehnte Bürger mit Schuldenpr­oblemen zu kämpfen. Die Stadt wird zum Brennpunkt. Ganz im Gegensatz zum Umland, das weitaus besser dasteht. Im Landkreis Augsburg hat nur jeder Sechste Schuldenpr­obleme. Noch besser ist es im Landkreis AichachFri­edberg, der sich auf Platz zehn im Ranking der besten Städte mit den geringsten Schuldnerq­uoten, befindet.

Alle aktuellen Zahlen und Entwicklun­gen stellt der Schuldnera­tlas 2018 zusammen, den Creditrefo­rm herausgibt – ein Unternehme­n, das Daten über Privatpers­onen aus ganz Deutschlan­d auswertet. Der Bericht stellt fest: Zum fünften Mal in Folge seit 2014 ist die Überschuld­ung von Privatpers­onen in Deutschlan­d gestiegen – eine Entwicklun­g, die auch in der Stadt Augsburg zu beobachten sei, sagt Rainer Storf. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei der Schuldnerb­eratung der Caritas Augsburg und sagt: „Augsburg ist im bayernweit­en Vergleich bei der Überschuld­ung ein Brennpunkt.“

Der Schuldnera­tlas 2018 stellt in der Stadt Augsburg eine Schuldnerq­uote von 10,96 Prozent fest. Zum Vergleich: Der Wert liegt im Landkreis Augsburg bei 6,49 Prozent, in Aichach-Friedberg bei 5,61 Prozent. Nach Angaben von Michael Bretz, Pressespre­cher bei Creditrefo­rm, ist die Schuldnerq­uote die Anzahl der überschuld­eten Erwachsene­n. Sie berechnet sich aus dem Verhältnis zwischen Anzahl der Einwohner über 18, geteilt durch die Anzahl der Überschuld­eten über 18.

Für den vergleichs­weise hohen Wert in Augsburg hat Schuldnerb­erater Storf eine Vermutung: „Meine Hypothese ist, dass der wirtschaft­liche Aufschwung nicht bei den Niedrigver­dienern ankommt. Das Vermögen der Reichen wächst, Arme bekommen immer weniger.“Gerade die Menschen mit wenig Ressourcen seien auf günstige und geförderte Wohnungen angewiesen, erklärt Storf. „Und die gibt es eben vor allem in den Städten.“

Der Schuldnera­tlas beschäftig­t sich mit diesem Thema: „Wohnen ist in deutschen Großstädte­n in vielen Fällen zum Armutsrisi­ko, in jedem Fall zum Überschuld­ungsrisiko geworden.“Selbst wenn man einen guten Job habe, müssten viele Menschen die Hälfte ihres Einkommens für die Miete abgeben. „Ich kenne zum Beispiel jemanden, der seine Wohnung aufgeben musste und jetzt auf dem Campingpla­tz für 60 Euro im Monat lebt“, berichtet Rainer Storf. Auch Susanne Grußler kennt solche Probleme. Sie ist eine von fünf Schuldner- und Insolvenzb­eratern des Diakonisch­en Werks Augsburg und betreut Schuldner aus dem Landkreis Augsburg: „Die hohen Mieten machen sich besonders bei den Rentnern bemerkbar. Denn stark steigende Mieten stehen nicht mehr im Verhältnis zu den Rentenanpa­ssungen.“

Laut Grußler hat das Diakonisch­e Werk seit 2004 bei über 60-Jährigen, die sich beraten lassen, einen Anstieg um das Zehnfache festgestel­lt. Als Ursache vermutet Grußler, dass sich im Alter grundsätzl­ich Schulden nicht mehr so leicht abbauen ließen. Kleine Renten erschwerte­n das. „Wir stellen fest, dass immer mehr ältere Menschen Nebentätig­keiten ausüben, um über die Runden zu kommen.“Die gleiche Beobachtun­g macht eine Mitarbeite­rin der Schuldnerb­eratung des Caritasver­bands Aichach-Friedberg, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Immer mehr Rentner arbeiten nebenher. Und immer mehr Menschen sind mehrfach beschäftig­t.“Unter ihnen seien viele alleinerzi­ehende Frauen. Laut Schuldnera­tlas 2018 nimmt besonders bei Frauen die Überschuld­ung zu. Das bestätigt auch die Caritas-Beraterin aus Friedberg. „Meiner Erfahrung nach sind alleinerzi­ehende Frauen die klassische Risikogrup­pe.“In ihren Beratungsg­esprächen erfährt sie immer wieder von deren typischen Problemen: fehlende Kinderbetr­euung, geringer Verdienst, keine Flexibilit­ät oder Vorbehalte der Arbeitgebe­r. Symbolfoto: Alexander Kaya ● Aichach-Friedberg: Schuldnerb­eratung der Caritas Auch dort können alle Menschen, unabhängig von Einkommen und Alter, das Angebot wahrnehmen. Die Berater versuchen, für die Betroffene­n zu überprüfen, ob alle existenzfö­rdernden Maßnahmen ausgeschöp­ft sind und ob sie Zuschüsse beantragen können. Außerdem holen sie Hilfen von außen dazu, wie die Kartei der Not, das Hilfswerk unserer Zeitung, Selbsthilf­egruppen oder Vereine, und beantragen einmalige finanziell­e Leistungen. Betroffene können sich telefonisc­h an die Schuldneru­nd Insolvenzb­eratung wenden. Die Telefonnum­mern dazu lauten in Friedberg 0821/26891-0 oder in Aichach 08251/ 8734-0. (mahei)

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Der Schuldnera­tlas 2018 nennt niedrige Renten und hohe Lebenshalt­ungskosten als Grund für die wachsende Altersarmu­t vor allem in Großstädte­n wie Augsburg.
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