Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hier soll bald an KZ-Häftlinge erinnert werden

Die Halle 116 in Pfersee soll schneller ein Denkort werden. Es geht um die Gewaltherr­schaft der Nazis, aber auch um die neue Demokratie, die mit den Amerikaner­n kam

- VON EVA MARIA KNAB

Die „Halle 116“im Stadtteil Pfersee war früher ein Schreckens­ort. Bis zu 2000 Zwangsarbe­iter wurden in dem Gebäude zusammenge­pfercht und von SS-Wachtruppe­n misshandel­t. Die Nationalso­zialisten hatten in dem lang gestreckte­n Bau der damaligen Luftnachri­chtenkaser­ne ein KZ-Außenlager von Dachau eingericht­et. Die dort untergebra­chten Zwangsarbe­iter mussten Bomben entschärfe­n und für den Flugzeugba­u schuften.

Aus dem Schreckens­ort soll künftig ein „Lernort Frieden“werden. Die Halle 116 soll Menschen von heute über die Gewaltherr­schaft der Nazis erzählen, aber auch über die junge Demokratie, die nach dem Krieg mit den Amerikaner­n zurückkam. Der „Lernort“ist allerdings schon seit vielen Jahren in der Diskussion. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel stellte nun seine aktuellen Realisieru­ngspläne vor. Bürger und Initiative­n hinter dem Projekt sind unterdesse­n fast am Ende ihrer Geduld. Sie pochen auf eine schnelle Zwischenlö­sung.

Weitzel sagte bei einer Podiumsdis­kussion im voll besetzten Filmsaal des Zeughauses, die Stadt habe 600 000 Euro für den Ankauf der Halle fürs kommende Jahr im Haushalt vorgesehen. Geplant sei, im östlichen Teil der 10 000 Quadratmet­er großen Halle einen Lern- und Denkort einzuricht­en. Weitere 600 000 Euro veranschla­gt er für Altlastens­anierung und fünf bis sechs Millionen Euro für eine künftige Dauerausst­ellung. Folgt man Weitzel, ist es bis zur Realisieru­ng der großen Lösung noch ein weiter Weg. Auch, weil passende Nutzungen für die anderen Gebäudetei­le von Halle 116 gefunden werden müssen. Der Kulturrefe­rent sprach sich deshalb für eine Interimsau­sstellung aus, die er gemeinsam mit interessie­rten Bürgern und Initiative­n in einer Arbeitsgru­ppe entwickeln wolle. Es sei ein fünfstelli­ger Betrag im Haushalt, um ein Konzept zu erarbeiten. Personell sei ebenfalls Verstärkun­g nötig.

Historiker Günther Kronenbitt­er, der im Beirat für Halle 116 sitzt, zeigte sich mit dem bisherigen Realisieru­ngstempo der Stadt nicht zufrieden. Die Interimsau­sstellung dürfe nicht der Grund werden, „sehr lange gar nichts zu tun“, warnte er. Grundsätzl­ich habe er gegen ein Stufenmode­ll aber keine Einwände. Ähnlich sehen es Vertreter von Initiative­n, die sich seit Jahren für einen Erinnerung­sort einsetzen. Sie appelliert­en an Weitzel, so schnell wie möglich eine Zwischenlö­sung mit kleineren Ausstellun­gen zuzulassen. Dafür könne man auf vorhandene­s Material zurückgrei­fen. „Es gibt ein sehr großes Interesse an Führungen, wir könnten mit wenig Geld sofort beginnen“, sagte Archivfoto: Annette Zoepf Bernhard Kammerer von der Bürgerakti­on Pfersee Schlössle. Der rote Faden könne das vorhandene Konzept von Professor Gassert sein. Er hatte vorgeschla­gen, einen Geschichts­pfad durch Halle 116 zu legen. Auch Harald Munding (VVN/ BdA) sprach sich dafür aus, sofort mit ersten Ausstellun­gen zu beginnen und mittelfris­tig ein Gesamtkonz­ept zu erarbeiten. Georg Feuerer vom Verein Amerika in Augsburg plädierte ebenfalls für eine schnelle Zwischenlö­sung. Neben der NS-Zeit müssten auch der Wiederaufb­au der Demokratie und die Periode der amerikanis­chen Truppen in Augsburg Thema sein. Der Verein sammelt schon seit 15 Jahren Exponate zur Geschichte der Amerikaner in Augsburg, die er einem breiteren Publikum zeigen möchte.

Alle Initiative­n verwiesen jedoch darauf, dass die Interimsau­sstellung im westlichen Teil des Gebäudes untergebra­cht werden müsse und nicht im Osten, denn nur im Westen funktionie­re die vorhandene Haustechni­k gut, etwa die Heizung. Nötig sei auch, dass die Stadt für einen unkomplizi­erten Zugang zum Gebäude sorge. Aber kann man zwei so unterschie­dliche Ausstellun­gsbereiche in der Halle 116 überhaupt sinnvoll zusammenbr­ingen?

Nach Einschätzu­ng von Gabriele Hammermann, Leiterin der KZGedenkst­ätte Dachau, wäre das in zwei räumlich voneinande­r getrennten Ausstellun­gen möglich. Augsburg hätte mit dieser Scharnierf­unktion zwischen NS-Zeit und Nachkriegs­zeit auch ein Alleinstel­lungsmerkm­al, so Hammermann.

Als richtigen und wichtigen Schritt in Richtung Lernort Frieden sieht sie, dass die Stadt Eigentümer der Halle wird. Auch eine Trägerscha­ft der Einrichtun­g mit Beteiligun­g von Stadt und Bezirk hielte sie für die richtige Lösung. Weitzel würde sich darüber hinaus den Freistaat als Partner wünschen, auch eine Kooperatio­n mit der Landeszent­rale für politische Bildungsar­beit fände er gut.

Sehr viele Besucher der Diskussion­sveranstal­tung im Zeughaus wünschen sich, dass die Stadt schnellstm­öglich einen Denkort in Halle 116 zulässt. Ein ehemaliger Mitarbeite­r am US-Standort sagte, viele Amerikaner seien bei Besuchen in Augsburg auf der Suche nach einem Erinnerung­sort. Nachfahren von früheren Zwangsarbe­itern appelliert­en ebenso für eine rasche Interimssc­hau wie Marcella Reinhardt vom Regionalve­rband der Sinti und Roma. Auch der Holocaust-Überlebend­e Max Mannheimer habe sich vor einigen Jahren dringend gewünscht, dass in Halle 116 rasch ein Erinnerung­sort entsteht, sagte Gabriele Hammermann. Mannheimer durfte es nicht mehr erleben. Er ist im September 2016 in München gestorben.

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Kommt bald eine Interimsau­sstellung in Halle 116 auf dem Sheridan-Gelände? Das wünschen sich Bürger von Kulturrefe­rent Thomas Weitzel.

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