Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Naturschutz: Bürger treiben die Stadt an
In der Augsburger Umweltpolitik gibt es einige Erfolgsmeldungen. Im Umgang mit der Natur direkt vor der Haustüre tut sich die Stadtregierung aber oft schwer
Ein Ergebnis der Landtagswahl war, dass für viele Wähler in Bayern der Schutz von Umwelt und Natur eine wichtige Rolle spielt. Das schlug sich in den guten Wahlergebnissen für die Grünen wider. Auf Landesebene sind die Grünen aber weiterhin in der Opposition und haben nur begrenzten Einfluss auf den politischen Gestaltungsprozess.
In Augsburg ist das anders. Hier sind die Grünen zusammen mit der SPD Partner in der Stadtregierung von CSU-Oberbürgermeister Kurt Gribl. Das bedeutet, dass sie mitreden können, wie die politischen Weichen gestellt werden. Doch wie erfolgreich ist die Stadt in diesen Bereichen? Und welchen Anteil daran haben umweltbewusste Bürger und Initiativen?
Ganz gut sieht die Zwischenbilanz des Regierungsbündnisses in den Bereichen Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung aus. Mit dem neuen Pfandbecher-System für Kaffee zum Mitnehmen, an dem sich eine ganze Reihe von Cafés und Bäckereien beteiligt, kann Umweltreferent Reiner Erben einen Erfolg vorweisen. Auch der neue Nachhaltigkeits-Check in Beschlussvorlagen für den Stadtrat ist ein Signal in die richtige Richtung. Stadträte können damit die Folgen ihrer Entscheidungen auch für die Umwelt abschätzen – falls sie diese Unterlage im großen Stapel ihrer Drucksachen tatsächlich lesen.
Einen erstaunlichen Erfolg kann die Stadt darüber hinaus beim Klimaschutz verbuchen. Zwischen 2011 und 2016 wurde in Augsburg zum ersten Mal überhaupt ein Rückgang beim Ausstoß der Treibhausgase errechnet. Das spricht für eine gute Aufklärungsarbeit der Klimaschutzabteilung im städtischen Umweltamt und ein wachsendes Bewusstsein von Wirtschaft und Bürgern für nötige Energieeinsparungen und den verstärkten Einsatz Erneuerbarer Energien. Allerdings muss man realistischerweise einschränken, dass Kommunen nur einen kleinen Teil dazu beisteuern können, den weltweit fortschreitenden Klimawandel abzumildern. Global ist die Entwicklung so dramatisch, dass Experten erst diese Woche wieder Alarm schlugen. Wichtig sind freilich Vorbilder wie Augsburg, die zeigen, wie man es richtig macht.
Weniger gut sieht die Bilanz in Augsburg beim Umgang mit der Natur aus. Die Grünen ließen es als Regierungspartner zu, dass mehr Bäume in der Stadt gefällt als gepflanzt werden. Da ist man bei einer Umweltpartei schon fassungslos. Auch beim Schutz der Stadt- bäume kommt der grüne Referent nur schwer und langsam voran. Zwar gibt es einen neuen Baumleitfaden, der Bauherren aufklärt, wie sie mit Bäumen richtig umgehen sollen. Die angekündigten schärferen Sanktionen für schwarze Schafe auf Baustellen lassen aber nach wie vor auf sich warten. Dabei sorgten etliche Fälle in Augsburg für Ärger, bei denen geschützte Bäume unzulässigerweise gefällt wurden. Auch beim Artenschutz agiert die städtische Umweltverwaltung teilweise unsensibel. So war es über Jahre hinweg nicht möglich, die Mähtermine an Grünstreifen auf Blühzeiten in der Natur abzustimmen, damit Insekten Nahrung finden. Erst nach öffentlichen Protesten von Naturschützern wurden Änderungen zugesagt, obwohl es dabei um simple praktische Maßnahmen geht, die aber ganz konkrete Verbesserungen im Kampf gegen das Insektensterben bringen.
Überhaupt fällt auf, dass in Augsburg oft erst vehemente Bürgerproteste nötig sind, wenn sich beim Schutz gefährdeter Natur etwas in die richtige Richtung bewegen soll. Ein Beispiel dafür ist der jüngste Streitfall am Herrenbachkanal, wo die Stadt fast 100 große und gesun- Archivfoto: Michael Hochgemuth de Bäume aus Gründen des Hochwasserschutzes fällen wollte. Umweltreferent Erben konnte ein schonenderes Konzept erst durchsetzen, nachdem große Teile der Anwohner auf die Barrikaden gingen und schließlich auch Oberbürgermeister Gribl selbst in die Kritik geriet. Jetzt zeigt sich, dass es sehr wohl möglich ist, nur die Hälfte der Bäume abzuholzen und trotzdem mehr Schutz vor möglichen Überschwemmungen zu erreichen.
Ein zweites Beispiel ist die Alte Flugplatzheide in Haunstetten. Sie ist eines der wertvollsten historischen Naturgebiete innerhalb der urbanen Zone, nur ein allerletzter Rest bleibt übrig. Doch auch hier mussten Naturschützer erst vehement protestieren, um eine weitere Bebauung vorläufig zu verhindern. Zwar gehört das Grundstück dem Freistaat. Er ist in erster Linie gefordert, auf eine weitere Bebauung zu verzichten und ein Schutzgebiet zuzulassen. Doch auch die „Umweltstadt“mit einem neuen bayerischen Artenschutzzentrum wäre glaubwürdiger, wenn sie den Schutzstatus für das gesamte Areal offensiver einfordern und mit umsetzen würde. Der Durchbruch lässt in diesem Fall weiter auf sich warten. Alles in allem läuft vieles gut in der Augsburger Umweltpolitik. Wenn es aber um den Schutz der Heimat direkt vor den Haustüren der Bürger geht, ist ein größerer politischer Wille nötig, nicht nur der Grünen, sondern der Stadtregierung insgesamt.
Es werden mehr Bäume gefällt als gepflanzt