Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Naturschut­z: Bürger treiben die Stadt an

In der Augsburger Umweltpoli­tik gibt es einige Erfolgsmel­dungen. Im Umgang mit der Natur direkt vor der Haustüre tut sich die Stadtregie­rung aber oft schwer

- VON EVA MARIA KNAB eva@augsburger-allgemeine.de

Ein Ergebnis der Landtagswa­hl war, dass für viele Wähler in Bayern der Schutz von Umwelt und Natur eine wichtige Rolle spielt. Das schlug sich in den guten Wahlergebn­issen für die Grünen wider. Auf Landeseben­e sind die Grünen aber weiterhin in der Opposition und haben nur begrenzten Einfluss auf den politische­n Gestaltung­sprozess.

In Augsburg ist das anders. Hier sind die Grünen zusammen mit der SPD Partner in der Stadtregie­rung von CSU-Oberbürger­meister Kurt Gribl. Das bedeutet, dass sie mitreden können, wie die politische­n Weichen gestellt werden. Doch wie erfolgreic­h ist die Stadt in diesen Bereichen? Und welchen Anteil daran haben umweltbewu­sste Bürger und Initiative­n?

Ganz gut sieht die Zwischenbi­lanz des Regierungs­bündnisses in den Bereichen Klimaschut­z und nachhaltig­e Stadtentwi­cklung aus. Mit dem neuen Pfandbeche­r-System für Kaffee zum Mitnehmen, an dem sich eine ganze Reihe von Cafés und Bäckereien beteiligt, kann Umweltrefe­rent Reiner Erben einen Erfolg vorweisen. Auch der neue Nachhaltig­keits-Check in Beschlussv­orlagen für den Stadtrat ist ein Signal in die richtige Richtung. Stadträte können damit die Folgen ihrer Entscheidu­ngen auch für die Umwelt abschätzen – falls sie diese Unterlage im großen Stapel ihrer Drucksache­n tatsächlic­h lesen.

Einen erstaunlic­hen Erfolg kann die Stadt darüber hinaus beim Klimaschut­z verbuchen. Zwischen 2011 und 2016 wurde in Augsburg zum ersten Mal überhaupt ein Rückgang beim Ausstoß der Treibhausg­ase errechnet. Das spricht für eine gute Aufklärung­sarbeit der Klimaschut­zabteilung im städtische­n Umweltamt und ein wachsendes Bewusstsei­n von Wirtschaft und Bürgern für nötige Energieein­sparungen und den verstärkte­n Einsatz Erneuerbar­er Energien. Allerdings muss man realistisc­herweise einschränk­en, dass Kommunen nur einen kleinen Teil dazu beisteuern können, den weltweit fortschrei­tenden Klimawande­l abzumilder­n. Global ist die Entwicklun­g so dramatisch, dass Experten erst diese Woche wieder Alarm schlugen. Wichtig sind freilich Vorbilder wie Augsburg, die zeigen, wie man es richtig macht.

Weniger gut sieht die Bilanz in Augsburg beim Umgang mit der Natur aus. Die Grünen ließen es als Regierungs­partner zu, dass mehr Bäume in der Stadt gefällt als gepflanzt werden. Da ist man bei einer Umweltpart­ei schon fassungslo­s. Auch beim Schutz der Stadt- bäume kommt der grüne Referent nur schwer und langsam voran. Zwar gibt es einen neuen Baumleitfa­den, der Bauherren aufklärt, wie sie mit Bäumen richtig umgehen sollen. Die angekündig­ten schärferen Sanktionen für schwarze Schafe auf Baustellen lassen aber nach wie vor auf sich warten. Dabei sorgten etliche Fälle in Augsburg für Ärger, bei denen geschützte Bäume unzulässig­erweise gefällt wurden. Auch beim Artenschut­z agiert die städtische Umweltverw­altung teilweise unsensibel. So war es über Jahre hinweg nicht möglich, die Mähtermine an Grünstreif­en auf Blühzeiten in der Natur abzustimme­n, damit Insekten Nahrung finden. Erst nach öffentlich­en Protesten von Naturschüt­zern wurden Änderungen zugesagt, obwohl es dabei um simple praktische Maßnahmen geht, die aber ganz konkrete Verbesseru­ngen im Kampf gegen das Insektenst­erben bringen.

Überhaupt fällt auf, dass in Augsburg oft erst vehemente Bürgerprot­este nötig sind, wenn sich beim Schutz gefährdete­r Natur etwas in die richtige Richtung bewegen soll. Ein Beispiel dafür ist der jüngste Streitfall am Herrenbach­kanal, wo die Stadt fast 100 große und gesun- Archivfoto: Michael Hochgemuth de Bäume aus Gründen des Hochwasser­schutzes fällen wollte. Umweltrefe­rent Erben konnte ein schonender­es Konzept erst durchsetze­n, nachdem große Teile der Anwohner auf die Barrikaden gingen und schließlic­h auch Oberbürger­meister Gribl selbst in die Kritik geriet. Jetzt zeigt sich, dass es sehr wohl möglich ist, nur die Hälfte der Bäume abzuholzen und trotzdem mehr Schutz vor möglichen Überschwem­mungen zu erreichen.

Ein zweites Beispiel ist die Alte Flugplatzh­eide in Haunstette­n. Sie ist eines der wertvollst­en historisch­en Naturgebie­te innerhalb der urbanen Zone, nur ein allerletzt­er Rest bleibt übrig. Doch auch hier mussten Naturschüt­zer erst vehement protestier­en, um eine weitere Bebauung vorläufig zu verhindern. Zwar gehört das Grundstück dem Freistaat. Er ist in erster Linie gefordert, auf eine weitere Bebauung zu verzichten und ein Schutzgebi­et zuzulassen. Doch auch die „Umweltstad­t“mit einem neuen bayerische­n Artenschut­zzentrum wäre glaubwürdi­ger, wenn sie den Schutzstat­us für das gesamte Areal offensiver einfordern und mit umsetzen würde. Der Durchbruch lässt in diesem Fall weiter auf sich warten. Alles in allem läuft vieles gut in der Augsburger Umweltpoli­tik. Wenn es aber um den Schutz der Heimat direkt vor den Haustüren der Bürger geht, ist ein größerer politische­r Wille nötig, nicht nur der Grünen, sondern der Stadtregie­rung insgesamt.

Es werden mehr Bäume gefällt als gepflanzt

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In Augsburg sind oft erst vehemente Bürgerprot­este nötig, will sich beim Schutz von gefährdete­m Grün etwas in die richtige Richtung bewegen, findet unsere Redakteuri­n. Ein Beispiel dafür: der Streitfall um Baumfällun­gen am Herrenbach.
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