Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Acht Stockwerke und viel Stockeinsatz
Besitzer und Bewohner auf dem Markter Burgberg gewähren dem Grenzgänger interessante Ein- und Weitblicke. In Biberbach gibt es auch abseits der Hauptwege viel zu entdecken. Ein Brückentest über den Biberbach fällt positiv aus
Biberbach Wer nach dem Aufstieg durch den romantischen Hohlweg denkt, höher als der Markter Burgberg geht es nicht mehr, der hat sich getäuscht. Da ist ja noch der Bergfried, ein 36 Meter hoher Turm aus dem 15. Jahrhundert, der weit über das Lechtal hinweg ins Land hinein grüßt. Vor allem um die Weihnachtszeit, wenn ganz oben traditionell ein Christbaum aufgehängt wird. Nur ganz selten öffnet Turmherr Heinz Mannert die über eine Tonne schwere Eingangstüre zu diesem Kleinod, das sein Vater 1987 erworben und mit viel Herzblut und Liebe zum Detail von Grund auf restauriert hat. Paul Mannert wurde dafür vom Freistaat Bayern die Denkmalschutzmedaille verliehen.
„Mein Vater war Jäger und Sammler“, sagt Heinz Mannert, während wir die sieben Stockwerke über schmale Holztreppen emporsteigen. Er selbst ließ den Turm 2013 zur 500. Jahrestag sanieren. „Ich erinnere mich noch, wie ich selbst den Außenputz abgeschlagen habe, weil der Wasserspeicher ganz oben dem Turm große Schäden zugefügt hatte“, erzählt der Unternehmer. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte seinerzeit die Verkleidung des Turmes als Mobilklo. Mannert hat den Turm selbst einmal für ein paar Wochen bewohnt. „Bei diesen vielen Treppen bekommt Logistik eine ganz andere Bedeutung“, schmunzelt er. Wir sind in der achten Etage angekommen. Die Aussicht von dort oben ist grandios. Nicht nur auf den Burgkomplex, der von der Familie Fries bewohnt wird, auch die Sicht auf Kirche und das alte Pfarrhaus. Man sieht weit hinein in die schöne Landschaft.
Diesen Weitblick genießen auch Peter Kerschbaum, der mit seinem Stirnband aussieht wie ein Indianer, und seine Lebensgefährtin Harriet Panitz, die seit vier Jahren im anderen Turm der bereits im Mittelalter errichteten Burganlage leben. Der Onoldsbacher Turm ist zwar nicht ganz so hoch, „doch bei schönem Wetter sehe ich die Berge“, sagt Peter. Das ist für ihn sehr wichtig, denn der gebürtige Tiroler hat 30 Jahre als Bergführer und Hüttenwirt gearbeitet. Sein Wissen aus der Natur nutzt Kerschbaum zum Beispiel für traditionelles energetisches Räuchern. „Kommen Sie einmal wieder“, werde ich von den Beiden verabschiedet, die mich spontan in ihr ungewöhnliches Heim eingeladen haben.
Es ist schon ein geheimnisvoller Ort, diese Markter Burg. Und es ist hoch interessant, was sich in diesen Gemäuern aus dem 15. Jahrhundert so alles abspielt. So leben hier junge Familien, gut situierte Herrschaften und auch etwas anders denkende und arbeitende Menschen.
Eine davon ist auch Tina Boche. Die in Argentinien geborene Reiterin betreibt hier einen Reitstall, bei dem das Verhältnis zwischen Mensch und Pferd auf Vertrauen und Verbundenheit aufgebaut ist. Ihre acht Haflinger werden gebisslos geritten. Zur Ausbildung kommen Pferde und Reiter bis aus der Schweiz auf die Markter Burg. Tina Boche liebt diesen Ort. „Ich habe fast den ganzen Sommer hier oben verbracht“, verrät sie mit einem Lächeln, dass es über den Stallungen auch ein kleines Schlafzimmer gibt.
Der Nebel ist verschwunden, die Sonne hat sich durchgesetzt. Jetzt wird es aber höchste Zeit, mit der Wanderung zu beginnen. „Smell the roses“, lautet ein Sprichwort meiner amerikanischen Freunde. Soll heißen: Des Öfteren auch mal vom vorgenommenen Plan abweichen, um sich nach Perlen am Wegesrand umsehen. Vom Bergfried aus habe ich die Biberbacher Wallfahrtskirche gesehen. Befindet sich darin auch das berühmte Hergöttle von Biberbach? Das frage ich Walburga Miller, die ihre morgendliche Nordic-Walking-Runde absolviert. Während die Heidschnucken des Singhofes neugierig näher kommen, erklärt mir die Seniorin den Weg dorthin. Ob sie denn unserer Serie „Grenzgänger“kenne? „Nein. Wir haben noch die Wertinger Zeitung. Die bekommen wir per Post.“Auch an der einen oder anderen Zeitungsbox mit der Aufschrift Wertinger Zeitung merkt man, dass hier noch immer eine Verbundenheit zum früheren Landkreis Wertingen besteht, der bei der Gebietsreform vor 40 Jahren aufgelöst wurde.
Den Kirchturm immer vor Augen laufe ich mitten durch den Ort. Ob denn die Biberbacher Bienen zu dieser Jahreszeit noch für den Biberbacher Honig sammeln? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Auf das Klingeln rührt sich nichts. In der Imkerei scheint niemand zu Hause. Mitten in Biberbach spannt sich das Biberbrückle über den Biberbach. „Aufgrund von statischen Mängeln darf die Brücke nur noch einzeln überquert werden. Der Aufenthalt mehrer Personen auf der Brücke ist nicht gestattet“, steht auf einem Schild. 100 Kilo hält sie locker aus. Das hat der Grenzgänger selbst getestet. In der Mitte hängt ein kleines Kästchen für den Brückenpfennig. Ob ein Euro genug war? Auch in der Wallfahrtskirche St. Jakobus, St. Laurentius und zum Heiligen Kreuz hätte der Wanderer gerne einen Obolus entrichtet und kleine Kerze entzündet. Es fand sich leider keine. Dafür habe ich das große hölzerne Kruzifix aus dem 13. Jahrhundert gesehen, von dem die schwäbische Anrufung „Ja lieabs Herrgöttle von Biberbach“ausgeht.
„Ja lieabs Herrgöttle von Biberbach“, werden sich auch die Feuerwehrleute gedacht haben, die schon am frühen Morgen zum Einsatz gerufen wurden. In einer 90-GradKurve in der Feigenhofener Straße ist ein Holztransporter umgekippt. Feuerwehrmann Franz Miller, der die Autofahrer auf eine Umleitung schickt, steht noch der Schrecken im Gesicht: „Kurz vorher sind an dieser Stelle noch Kinder auf dem Weg in die Schule unterwegs gewesen.“
Der Grenzgänger nimmt den Weg über den Ortsteil Albertshofen. Dort scheint die Zeit ein wenig langsamer zu gehen. Zur Mittagszeit kräht der Hahn. Es gibt weder ein Gasthaus, noch einen Metzger oder Bäcker – aber einen Getränkemarkt. Die Menschen in Albertshofen scheinen großen Durst zu haben.
Als hinter Albertshofen der Fußweg entlang der Bibertalstraße beginnt, ist der Grenzgänger froh, seine Nordic-Walking-Stöcke dabei zu haben. Da ich eher ein UrbanCowboy bin, der stundenlang durch große Städte streifen kann, aber nicht auf entschleunigtes Wandern stehe, gebe ich jetzt auf den 4,5 Kilometern richtig Gas und komme bei immer intensiverer Sonneneinstrahlung sogar ins Schwitzen. Gut, dass meine Tour hier in Feigenhofen zu Ende ist. So freue ich mich auf eine Dusche und den zweiten Teil meiner Wanderung.