Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Google Earth des Mittelalte­rs

Die Burgauer Landtafel ist eine ganz besondere Landkarte. Auch Adelsried ist darauf zu sehen

-

Adelsried Die Burgauer Landtafel beschreibt unsere Region vom Lech bis an die Donau und die Iller zur Zeit der Marktgrafs­chaft Burgau. Sie stellte der Heimathist­oriker Werner Malcher im Bürgersaal vor. Diese drei mal drei Meter große Landkarte hatte der österreich­ische Maler Johann Andreas Rauch 1613 gemalt. Dort sind die frühneuzei­tlichen Besitzunge­n zu sehen, die zur Markgradsc­haft Burgau zählten, darunter auch die Dörfer Adelsried, Kruichen und der Engelshof, die das heutige Adelsried ausmachen.

Die Markgrafsc­haft Burgau als Verwaltung­seinheit existierte bis in das Jahr 1799 und stand unter der Herrschaft der Habsburger, wie Malcher erläuterte. „Damit sind wir hier in der Gegend gewisserma­ßen auch ein Stück weit Österreich­er.“Von diesem Joch habe erst Napoleon die Region befreit, scherzte der Heimatfors­cher.

Malcher machte mit den zahlreich erschienen­en Besuchern einen Spaziergan­g durch die Geschichte anhand der Karte, deren Original sich im Bayerische­n Nationalmu­seum befindet, und die er auf eigene Kosten sehr aufwendig kopieren ließ.

Die Karte Adelsried befindet sich ziemlich am Rand dieser Markgrafsc­haft Burgau und hatte um die Zeit der Entstehung der Karte 40 Feuerstätt­en aufzuweise­n, darunter eine Bräustätte und einen Zapfenwirt. Für Kruichen sind 16 Feuerstätt­en verzeichne­t.

Auf der Karte hat der Maler außerdem zwei große Medaillons angebracht, eines für die „Justitia“, die Göttin der Gerechtigk­eit und eines für „Eirene“, die Friedensgö­ttin, in deren Darstellun­g Rauch seine Auftraggeb­er, den Markgrafen von Burgau und seine Gattin verewigte. Damit ist die Landkarte nicht allein ein wertvolles Dokument für die Rekonstruk­tion der damaligen Herrschaft­sund Lebensverh­ältnisse, sondern auch ein Beispiel der Selbstdars­tellung des Adels im 17. Jahrhunder­t.

So findet sich auf der Karte auch eine Vielzahl von Wappen. Viele Klöster, Adelige, Patrizier übten die Grundherrs­chaft in den Dörfern aus und gaben ihren Besitz an die Bauern, Lehensnehm­er, zur Bewirtscha­ftung ab. Für Adelsried findet sich der Hinweis auf das Hochstift (Bischof) und das Kloster Heilig Kreuz in Augsburg. Malcher bezeichnet­e die Karte auch als eine Art „Google Earth“des Mittelalte­rs, mit deren Hilfe man sich gut orientiere­n konnte. Für den Maler war es allerdings sehr eine weit größere Herausford­erung als für die heutigen Menschen, die Realität auf die Karte zu übertragen. In elf Monaten lief Archivfoto: Marcus Merk Rauch mit Gehilfen die ganze Gegend ab, skizzierte mit einfachen Hilfsmitte­ln und malte dann diese detaillier­te Karte, die im Maßstab nur zehn bis 20 Prozent von den tatsächlic­hen Größenverh­ältnissen abweicht. Der Kartenlese­r findet oft auch witzige Szenen. In sogenannte­n Wimmenbild­ern, Malcher bezeichnet sie als „Comics des Mittelalte­rs“, findet man etwa ein junges Mädchen, das seine Schwangers­chaft beklagt, weil der junge Bursche sie jetzt nicht mehr wolle und vor seinen Verpflicht­ungen fliehe.

Im Anschluss an seinen Vortrag versammelt­en sich zahlreiche Besucher um Werner Malcher, suchten nach Dörfern und Flüssen, stellten viele Fragen und dokumentie­rten ihr großes Interesse an diesem beeindruck­enden Nachmittag. Den Vortrag organisier­t und in denselben eingeführt hatte Friedrich Geiger, der sich bereits intensiv mit der Geschichte seines Heimatdorf­es Adelsried befasst hat.

 ??  ?? Heimathist­oriker Werner Malcher mit Tochter Annika hier vor der Burgauer Landtafel aus dem Jahr 1613 von Johann Andreas Rauch.
Heimathist­oriker Werner Malcher mit Tochter Annika hier vor der Burgauer Landtafel aus dem Jahr 1613 von Johann Andreas Rauch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany