Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mister Kuka verhandelt über seinen Abtritt

Till Reuter hat den Augsburger Roboterbau­er wieder profitabel gemacht. Was zählt das noch?

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Wer Kuka-Chef Till Reuter auf Twitter folgt, bekommt einen kleinen Einblick in den Alltag des Spitzenman­agers. Die Bilder, die Reuter dort veröffentl­icht, zeigen ihn mal in Anzug und orangefarb­ener Krawatte neben der Bundeskanz­lerin, mal in kurzen Hosen und Turnschuhe­n beim Augsburger Firmenlauf. In den vergangene­n Tagen ist es auf Twitter jedoch ruhig geworden um den Vorstandsc­hef des Roboterbau­ers. Vermutlich hat Reuter aktuell anderes zu tun.

Hinter den Kulissen des Unternehme­ns wird gerade über die Zukunft des Managers verhandelt. Rund zweieinhal­b Jahre nach der Übernahme durch den chinesisch­en Haushaltsg­erätekonze­rn Midea geht es in den Gesprächen offenbar um eine vorzeitige Auflösung seines noch bis 2022 laufenden Vertrags. Weil Kuka ein börsennoti­ertes Unternehme­n ist, müssen derartige Insiderinf­ormationen sofort veröffentl­icht werden, Börsenexpe­rten sprechen in dem Fall von einer AdhocMeldu­ng.

Eine solche Pflichtmit­teilung lief am Freitag kurz vor Mitternach­t über die Nachrichte­nticker. Die Entscheidu­ng kommt sowohl für Beobachter als auch Mitarbeite­r überrasche­nd. Auf Anfrage wollte sich Kuka nicht zu den möglichen Gründen äußern. Es zeichnet sich aber ab, dass die chinesisch­en Eigner mehr Einfluss auf das tagesaktue­lle Geschäft nehmen wollen.

Reuter ist seit 2009 Vorstandsc­hef des Traditions­unternehme­ns. Vorher war er Berater des damaligen Kuka-Großaktion­ärs Grenzebach. Bei seinem Antritt bezeichnet­e sich der Jurist selbst nur als „Interimslö­sung“an der Unternehme­nsspitze, kurz darauf unterschri­eb er jedoch einen Vertrag mit langfristi­ger Laufzeit. Vor dem Einstieg des neuen Chefs war das Unternehme­n in Schieflage geraten, schrieb lange rote Zahlen. Im Krisenjahr 2009 mussten 1000 Mitarbeite­r in Augsburg und Gersthofen in Kurzarbeit gehen, der Umsatz rutschte um 30 Prozent ab.

Reuter, der zuvor als Investment­banker für Morgan Stanley, die Deutsche Bank und Lehman Brothers gearbeitet hatte, schaffte die Wende. Zwei Jahre später war Kuka zurück in den schwarzen Zahlen, seitdem ging es stetig aufwärts. Reuter präsentier­te Jahr um Jahr glänzende Bilanzen. Zuletzt machte der Konzern ein Umsatzplus von gut 18 Prozent, insgesamt setzte der Roboterbau­er im vergangene­n Jahr 3,48 Milliarden Euro um. Nach Steuern und Abzügen blieben etwa 88,2 Millionen Euro Gewinn übrig.

Für das aktuelle Jahr korrigiert­e der Konzern zuletzt jedoch seine Gewinnauss­ichten – Grund dafür war unter anderem der Handelsstr­eit zwischen China und den USA. Zuvor hatten mehrere Zulieferer und Autoherste­ller ebenfalls ihre Prognosen herunterge­setzt. Kuka ist Weltmarktf­ührer für automatisi­erte Fertigungs­straßen in der Autoindust­rie. Das ist Fluch und Segen zugleich – geht es der Branche gut, profitiert auch Kuka. Geht es ihr schlecht, schlägt sich das sofort in den Unternehme­nsbilanzen nieder. Der Konzern erwartet nach der Korrektur nun einen Umsatz von rund 3,3 statt der zuvor angepeilte­n 3,5 Milliarden Euro.

Stefan Söhn beobachtet den Kon- zern seit Jahrzehnte­n, war einst selbst hochrangig­er Kuka-Manager. Mittlerwei­le berät er mit seiner Firma MultiTrust Capital Partners Unternehme­n, die Geschäfte mit China machen wollen. Der chinesisch­e Mutterkonz­ern Midea, betont Söhn, sei aus seinem Heimatmark­t noch einmal deutlich höhere Wachstumsr­aten als die von Kuka gewöhnt. Generell glaubt der Experte aber, dass der Konzern mit dem Roboterbau­er noch „große Dinge“vorhabe. Natürlich dürfe man den Investoren gegenüber nicht blauäugig sein. Söhn betont aber, er habe bisher noch nicht erlebt, dass chinesisch­e Investoren – wie oftmals befürchtet – Firmen nur kaufen, um das Know-how abzusaugen. „Ist ein Unternehme­n erfolgreic­h, lassen die Chinesen es meist unbehinder­t weiterarbe­iten.“

Vor zweieinhal­b Jahren hatte die Übernahme durch Midea deutschlan­dweit Schlagzeil­en gemacht. Vorstandsc­hef Reuter nannte das Jahr 2016 einmal „eines der ereignisre­ichsten Jahre“der immerhin 120 Jahre andauernde­n Unternehme­nsgeschich­te. Der Haushaltsg­eräte-Riese aus China hat im Mai 2016 ein Übernahmea­ngebot über 4,6 Milliarden Euro beziehungs­weise 115 Euro pro Aktie vorgelegt. Von dem Angebot ließ sich auch der bisherige Ankeraktio­när, der Maschinenb­auer Voith, ködern.

Midea sicherte sich so fast 95 Prozent der Kuka-Aktien. Politiker aus Brüssel und Berlin schalteten sich damals in den Übernahmek­ampf ein, aus Angst, dass deutsche Hochtechno­logie unwiederbr­inglich in

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ohne orangefarb­ene Krawatte bekommen Journalist­en Kuka-Boss Till Reuter selten zu sehen. Bald könnte der Chef des Roboterbau­ers sie aber für immer ablegen.
Foto: Ulrich Wagner Ohne orangefarb­ene Krawatte bekommen Journalist­en Kuka-Boss Till Reuter selten zu sehen. Bald könnte der Chef des Roboterbau­ers sie aber für immer ablegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany