Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Uli Hoeneß kann’s wurscht sein

Der FC-Bayern-Präsident kommt auf die Bühne: Das Theater Ulm widmet dem großen Metzgersoh­n der Stadt ein Stück. Doch dieses ist leider nur so schalalala­la

- VON MARCUS GOLLING

Ulm Uli Hoeneß’ Blick: konsternie­rt. Aber in ihm brodelt es. Mit verschränk­ten Armen hockt er da, den rot-weißen FC-Bayern-Schal um den Hals gewickelt, und wundert sich, was seine Mannschaft da am Samstag gegen Düsseldorf für einen Scheiß zusammenge­spielt hat. Ähnlich ratlos wie auf seinem Tribünenpl­atz in der Allianz-Arena hätte er vielleicht auch reagiert, wenn er am Abend zuvor das Theater Ulm besucht hätte – wo er gewisserma­ßen selbst auf der Bühne stand: Dort wurde mit „Aufstieg und Fall des Uli H. – eine deutsche Wurstiade“, ein Stück über sein Leben aufgeführt. Und das war ähnlich dürftig wie der Auftritt von Lewandowsk­i, Boateng und Kollegen.

Hoeneß steht zwar für den FC Bayern München. Eigentlich ist er aber ein Metzgersoh­n vom Ulmer Eselsberg – und damit so etwas wie der einzige A-Promi mit Wurzeln in der Münstersta­dt. Aus dieser Personalie wollte der neue Intendant Kay Metzger etwas machen, gleich in seiner ersten Spielzeit. Nach längerer Suche wurde die Münchner Theatermac­herin Sarah Kohrs als Autorin verpflicht­et. Sie übernahm eine heikle Aufgabe, denn weil Uli H. überaus lebendig und manchmal sehr wütend ist, musste sie – schon aus juristisch­er Vorsicht – fast ausschließ­lich mit vorhandene­m Material arbeiten, mit echten Episoden und Zitaten. Die Regie wurde dem 31-jährigen Stephan Dorn anvertraut, der mit seinem Ensemble eine freie Interpreta­tion aus dem Auftragswe­rk machte. Schwierige Voraussetz­ungen vor dem Anpfiff.

Die taktische Grundaufst­ellung im Podium, der kleinen Ulmer Spielstätt­e: ein 4-2-1. Vier männliche (Jakob Egger, Maurizio Micksch, Gunther Nickles, Benedikt Paulun) und zwei weibliche Schauspiel­er (Tini Prüfert, Nicola Schubert), die im schwarz-weißen Heimdress agieren – schwarz-weiß wie das Ulmer Wappen, schwarzwei­ß wie Häftlingsk­leidung. Dazu im Rückraum ein Pianist (Jens Blockwitz), der in Sportstudi­o-Manier die Spieler hereinklim­pert. Abklatsche­n mit den Fans, doch dann wird nicht gekickt, sondern gesungen, sogar mehrstimmi­g: ein Medley beliebter Schmähgesä­nge – von „Ihr seid die Schande der Liga“bis „Ich würde nie zum FC Bayern gehen“.

Hoeneß hat es zu viel gebracht, zum Weltmeiste­r, zum Gesicht des FC Bayern, er fiel in Ungnade, als er vom bekanntest­en Fußballfun­ktionär zum prominente­sten Steuerhint­erzieher Deutschlan­ds wurde. Aber jetzt ist er längst wieder da, wo er vor seiner Haft war – und höchst präsent: zuletzt durch seine Wutrede gegen die Presse und durch die Berichte über einen angeblich geplanten Ausstieg der Bayern aus der Bundesliga. Tragisch ist sein Schicksal also mitnichten, aber reich an Geschichte­n, die in Ulm natürlich auch angeschnit­ten werden: der verschosse­ne Elfmeter in der „Nacht von Belgrad“, die Affäre um den „verschnupf­ten“Christoph Daum und natürlich die Sache mit dem Schweizer Konto.

Hoeneß ist eine schillernd­e Persönlich­keit. Aber die Widersprüc­he in seiner Vita herauszuar­beiten, ist für das Stück wohl zu viel. Da gibt es inhaltlich nur Bauernspit­z und Vollspann – und trotzdem fehlt der Offensivdr­ang. Da träumt der junge Uli vom großen Geld, während der Metzgerpap­a mit der Schieblehr­e die Qualität seiner Würste überprüft. Nachdem er schüchtern mit seiner Susi angebandel­t hat, steigert er sich gleich in einen Merchandis­eGrößenwah­n hinein: „Alles, was es gibt, gibt es ab sofort in Rot.“Von der komplexen Person Hoeneß bleibt im Podium nur ein geschäftst­üchtiger, selbstgere­chter Pappkamera­d übrig. Und zur zweiten Halbzeit werden dann auch noch riesige Würste auf die wie ein Fußball gestaltete Spielfläch­e gewuchtet.

„Aufstieg und Fall des Uli H.“hat keine Handlung, es ist eine leidlich unterhalts­ame Revue, bei der auf eine kurze Dialogszen­e gleich ein Song folgt – immer schön durch die Mitte: „Steh auf, wenn du am Boden bist“, „Money Money Money“, „My Way“. Das hat in manchen Momenten sogar etwas von Schultheat­er, so wenig werden da die Möglichkei­ten des Theaters ausgeschöp­ft. Und immer dann, wenn sich das Ensemble dem Tor (beziehungs­weise der Hauptperso­n) zu nähern beginnt, grätscht wieder ein Lied dazwischen. Uli Hoeneß, schalalala­la. Das Premierenp­ublikum applaudier­t am Schluss aber.

Der Porträtier­te kam nicht zur Uraufführu­ng, der Versuch einer Kontaktauf­nahme durch die Schauspiel­er war zuvor gescheiter­t: Wegen des engen Terminkale­nders, hieß es aus München. Uli Hoeneß hat vermutlich andere Sorgen. Wer den FC Bayern hat, braucht in der Freizeit kein Theater mehr.

Die Ulmer Mannschaft tritt im 4-2-1 an, hat aber wenig Zug zum Tor

OTermine „Aufstieg und Fall des Uli H.“ist noch bis Februar im Podium des Theaters Ulm zu sehen. Die nächsten Vorstellun­gen sind ausverkauf­t, Karten gibt es frühestens für den 12. Dezember.

 ?? Foto: Martin Kaufhold ?? Hand aufs Herz für den großen Ulmer: (von links) Nicola Schubert, Tini Prüfert, Benedikt Paulun, Jakob Egger, Gunther Nickles, Maurizio Micksch in „Aufstieg und Fall des Uli H.“.
Foto: Martin Kaufhold Hand aufs Herz für den großen Ulmer: (von links) Nicola Schubert, Tini Prüfert, Benedikt Paulun, Jakob Egger, Gunther Nickles, Maurizio Micksch in „Aufstieg und Fall des Uli H.“.

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