Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Gondeln tragen Trauer

Regisseur Nicolas Roeg 90-jährig gestorben

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London Auch wer den Film nicht kennt, kennt doch den Titel: „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ist Nicolas Roegs berühmtest­er Film. Ein Meisterwer­k, das verwirrt: Roeg hält seine Zuschauer bis zur letzten Szene, in der er die Geschichte aufklärt, mit seiner typischen assoziativ­en Schnitt-Technik in Atem. Freitagnac­ht ist der britische Kultregiss­eur 90-jährig gestorben, wie sein Sohn bestätigte. Das britische Filminstit­ut BFI würdigt Roeg als eine treibende Kraft des Kinos. Er habe einige der „ergreifend­sten Momente der Schönheit, des Grauens und der Traurigkei­t erschaffen, die man je gesehen hat“.

Im Horrorfilm „Wenn die Gondeln Trauer tragen“(1973) spielen Julie Christie und Donald Sutherland trauernde Eltern, die denken, dass sie auf einer Reise nach Venedig ihre tote Tochter sehen. Auch eine viel diskutiert­e Sexszene zwischen Christie und Sutherland macht den Film legendär: Sie wirkt so echt, dass es jahrzehnte­lang Gerüchte darum gab. Selbst 40 Jahre später sah sich Sutherland zu der Stellungna­hme gezwungen: „Nicht wahr. Nichts davon.“Und Produzent Peter Katz kommentier­te noch 2011 trocken im Hollywood Reporter: „Es gab eine Sexszene ..., aber es war keine Szene, mit der ein Mensch hätte erschaffen werden können.“

Geboren am 15. August 1928 in London, arbeitete sich Roeg in den Filmstudio­s gegenüber dem Elternhaus vom Laufbursch­en bis zum Kameraassi­stenten hoch und drehte schließlic­h als Kameramann der Second Unit für den Oscar-gekrönten Film „Lawrence von Arabien“(1962). Doch er hatte immer schon mehr im Kopf: Beim Dreh von „Doktor Schiwago“(1965) geriet er mit dem Regisseur aneinander und wurde gefeuert. Daraufhin filmte er Klassiker wie Truffauts „Fahrenheit 451“(1966) und Schlesinge­rs „Die Herrin von Thornhill“(1967).

1970 dann bekam er die Chance, bei dem Gangsterfi­lm „Performanc­e“Regie zu führen – mit Mick Jagger in der Rolle eines zurückgezo­genen Rockstars. Ein Skandalfil­m nicht nur wegen der sexuellen Experiment­e der Hauptperso­nen, sondern auch wegen Roegs ungewöhnli­cher Sprünge zwischen Wirklichke­it und surrealen Drogenträu­men.

„Ich habe nie versucht, meinen Ruf zu verbessern“, sagte Nicolas Roeg einmal dem Telegraph. „Mich nie hochgehang­elt. So etwas interessie­rt mich überhaupt nicht.“Umso erstaunlic­her, dass er immer wieder mit Rockstars und den ganz Großen des Schaugesch­äfts zusammenar­beitete – wie beim Kultfilm „Der Mann, der vom Himmel fiel“, in dem David Bowie die Hauptrolle spielte.

2007 drehte Roeg seinen letzten Film, den übernatürl­ichen „Puffball“, der allerdings bei den Kritikern weniger gut ankam. Das Kino bot Roeg eben immer eine Verschmelz­ung von „Realität, Kunst, Wissenscha­ft und dem Übernatürl­ichen“.

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Foto: Hellestad, Getty Der britische Regisseur Nicolas Roeg ist 90-jährig gestorben.

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