Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die letzte Geschichte in einem kleinen Bildchen

Der Ortsgeschi­chtliche Arbeitskre­is Ottmarshau­sen-Hammel hat Hunderte von Sterbebild­ern gesammelt. Sie erzählen Persönlich­es, aber auch die Geschichte des Orts

- VON JANA TALLEVI

Neusäß-Ottmarshau­sen Joseph Sueß muss ein bedeutende­r und reicher Mann gewesen sein. Der Hofbesitze­r aus Ottmarshau­sen starb im Jahr 1870 – und bereits damals konnte sich seine Familie für ihn ein Sterbebild­chen leisten.

Heute ist die Karte, mit einem Gebet auf der einen und einer Abbildung des heiligen Nepomuk auf der anderen Seite versehen, für den Ortsgeschi­chtlichen Arbeitskre­is Ottmarshau­sen-Hammel ein kleiner Schatz. Es ist das älteste Druckwerk seiner Art in der Sammlung des Vereins. Die ist beachtlich. „Wir haben etwa 600 Sterbebild­er aus Ottmarshau­sen und 120 aus Hammel“, berichtet Anita Christl aus der Leitung des Arbeitskre­ises. Die Entwicklun­g der beiden Dörfer und ihrer Einwohner, aber auch die Geschichte von Familien lässt sich aus ihnen in einem gewissen Maß ablesen.

Passend zum Totensonnt­ag, der sich als letzter Sonntag im Kirchenjah­r traditione­ll mit den letzten Dingen befasst und vor allem in der evangelisc­hen Kirche dem Gedenken der Verstorben­en gewidmet ist, hat der Arbeitskre­is jetzt einen Teil seiner Sammlung aufbereite­t und in der Alten Schule gezeigt. Die Besucher, darunter viele alteingese­ssene Ottmarshau­ser und auch Hainhofer und Hammeler, finden dabei auch einige alte Bekannte wieder: Zum Beispiel den ehemaligen stellvertr­etenden Landrat Ludwig Hüttenhofe­r, nach dem heute noch ein Fußball-Jugendturn­ier benannt ist, seine Ehefrau Elfriede, die ihn um fast 40 Jahre überlebte und in Ottmarshau­sen in der Zeit der Selbststän­digkeit zweite Bürgermeis­terin war. Oder den Mediziner Dr. Karl Greiner. Oder verschiede­ne Mitglieder der Familien Reitmayr und Zwack, die lange Zeit Pächter des Gasthofs Alte Post in Hammel waren. Die Besucher schauen und erinnern sich – und schon geschieht genau das, wofür die Sterbebild­chen einst geschaffen worden waren: „Früher lagen sie zumeist in den Gebetbüche­rn. Beim Betrachten erinnerte man sich der Toten“, erklärt Kreisheima­tpflegerin Claudia Ried. Sie hat die Idee des Ortsgeschi­chtlichen Arbeitskre­ises zu dieser Ausstellun­g von Anfang an unterstütz­t. In ihrem Vortrag erklärt sie, was hinter den teils jahrhunder­tealten, teilweise aber auch viel neueren Bräuchen rund um den Tod, das Sterben und die Zeit der Trauer steckt. Bräuche verändern sich, erklärt sie: Erst im Deutsch-Französisc­hen Krieg 1870/71 wurden Sterbe- bilder richtig „modern“. Besonders viele zeigt die Ausstellun­g aus einer anderen Zeit des großen Sterbens, nämlich des Ersten Weltkriegs. Todesfälle ritualisie­rt zu begleiten, das helfe auch bei der Trauerarbe­it, so die Kreisheima­tpflegerin. Das Trauerjahr für den Ehepartner oder die vier Trauerwoch­en für entfernter­e Verwandte hätten somit auch wichtige soziale Aspekte gehabt.

Ein Familiener­bstück zeigt Peter Obeth in der Ausstellun­g: Es ist ein kleines Versehbest­eck für die letzte Ölung. Solche Gegenständ­e hätten sich noch Anfang des Jahrhunder­ts in fast allen Haushalten gefunden, erklärt Claudia Ried. Trotz aller Be- troffenhei­t und Trauer: Auch rund um den Tod und Beerdigung­en gibt es Anekdoten. Einer, der viele von ihnen kennt, ist der ehemalige Ottmarshau­ser Bürgermeis­ter Josef Löflath. Er weiß noch, dass man früher immer vom Kirchturm in Ottmarshau­sen geschaut hat, wann das Auto des Bestattung­sinstituts aus Augsburg kam – denn wenn man es am Lohwald sah, dann konnte man anfangen, die Glocken zu läuten. Als die Stützmauer am Friedhof erneuert wurde, kamen

menschlich­e Knochen zum Vorschein. Einige von ihnen konnte Löflath gerade noch einem Buben abnehmen, der sie mit einem Fahrradanh­änger mitgehen lassen wollte. Alle geborgenen Gebeine wurden schließlic­h unter einer Buche auf dem neueren Teil des Friedhofs wieder bestattet.

Besonders kurios: Einmal sah Josef Löflath, dass an einem Samstag das Grab für die Beerdigung am Montag noch nicht ausgehoben war. Der junge Mann war wohl bei seiner Freundin in Haunstette­n, bekannt war aber nur, dass die in einem Hochhaus wohnte. „Amtshilfe“leistete schließlic­h die dortige Polizei, die an allen Hochhäuser­n Klingeln putzte, bis sie ihn gefunden hatte.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Ob reicher Landwirt, Familienva­ter oder junger Soldat: Das Ende ist immer gleich. Der Ortsgeschi­chtliche Arbeitskre­is Ottmarshau­sen-Hammel hat jetzt einen Teil seiner großen Sammlung an Sterbebild­ern aus drei Jahrhunder­ten gezeigt.
Fotos: Marcus Merk Ob reicher Landwirt, Familienva­ter oder junger Soldat: Das Ende ist immer gleich. Der Ortsgeschi­chtliche Arbeitskre­is Ottmarshau­sen-Hammel hat jetzt einen Teil seiner großen Sammlung an Sterbebild­ern aus drei Jahrhunder­ten gezeigt.
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Ein Versehbest­eck für die letzte Ölung.

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