Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie früher auf der warmen Ofenbank

Die einen schätzen die Behaglichk­eit, die anderen verbinden mit ihm nostalgisc­he Gefühle: Der Kachelofen erlebt eine Renaissanc­e. Was moderne Modelle dabei leisten

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Bonn Wenn es um die Einrichtun­g und den Hausbau geht, mag man manchmal wieder das haben, was die eigene Kindheit geprägt hat. So kommt es immer wieder zum Comeback von Altbekannt­em – auch beim Ofenbau. Der gemütliche Kachelofen wird derzeit wieder beliebter. Einer der Gründe sei die nostalgisc­he Erinnerung an die Zeit bei den Eltern und Großeltern, glaubt Tim Froitzheim vom Zentralver­band Sanitär Heizung Klima. Aber der Kamin stehe auch für Entschleun­igung. „Wir beobachten, dass sich häufig junge Familien einen Kachelofen anschaffen. Sie sind beruflich viel unterwegs und wünschen einen Gegenpol zur Alltagshek­tik“, erklärt der Referent für Ofen- und Luftheizun­gsbau. „Mit dem Kachelofen verbinden sie Behaglichk­eit.“

Und da ist als Motiv noch die ebenfalls wieder verstärkt aufkommend­e Naturverbu­ndenheit. „Unsere moderne Welt ist geprägt von Technik. Der Ofen bringt ein Stück Natur zurück. Wir nehmen den natürliche­n Brennstoff wieder in die Hand, machen selbst Feuer“, sagt Froitzheim.

Doch ganz so naturverbu­nden und urig wie anno dazumal soll es dann aber bitte auch nicht sein – der moderne Kachelofen habe durchaus Vorzüge. Vor allem ist er viel effiziente­r. „Im Gegensatz zum klassische­n Kaminofen, der die Wärme während des Abbrands komplett an den Raum abgibt, gibt der Kachelofen nur einen Teil frei und speichert den Rest in den keramische­n Zügen“, erklärt Alexis Gula vom Bundesverb­and des Schornstei­nfegerhand­werks. „Diese Wärme wird zeitverset­zt freigegebe­n, wodurch er auch dann noch heizt, wenn das Feuer bereits erloschen ist.“Dazu hielten die Öfen im Normalfall die heutigen FeinstaubG­renzwerte ein.

Der klassische Kachelofen, Grundofen genannt, arbeitet vor allem mit Strahlungs­wärme. Diese Modelle sind „von Grund auf gemauert“, erklärt Gula. Sie speichern die entstehend­e Wärme ab, um sie nach und nach abzugeben. „Je nach Länge und Masse der keramische­n Züge ist der Wirkungsgr­ad sehr effektiv.“Aber Kachelöfen können auch mit Konvektion­swärme arbeiten. Dafür befinden sich am Boden Öffnungen, durch die kalte Luft einströmt. Diese wird erwärmt, steigt nach oben und wird wieder freigegebe­n. Außerdem gibt es BauVariant­en mit industriel­l gefertigte­n Heizeinsät­zen. Der Warmluft-Kachelofen von früher, der über Schächte das gesamte Haus heizte, sei aus der Mode, sagt Gula. „Durch die moderne Zentralhei­zung ist der Kachelofen heute eher eine zusätzlich­e Wärmequell­e, die nur einzelne Räume beheizt.“Mit Warmluftsc­hächten zu arbeiten und den Kachelofen damit als Zentralhei­zung einzusetze­n, sei aber immer noch möglich.

Optisch wird der Ofen oft an den Stil des Hauses angelehnt – dazu rät Froitzheim auch. „Zu einem alten Bauernhaus passt der klassische Ofen, in einer Stadtvilla kann ich zum Beispiel mit einem weißen Säulenofen oder blauen Kacheln arbeiten.“Wer es modern und zugleich gemütlich mag, greift etwa zu großformat­igen Kacheln in warmen Erdtönen. So breit wie die Designpale­tte von Öfen ist auch die Preisspann­e. „Wer sich einen individuel­len Ofen bauen lässt, zahlt schnell um die 16 000 Euro“, nennt Rolf Heinen vom Industriev­erband Haus-, Heizund Küchentech­nik eine Größenordn­ung. Abhängig ist der Preis unter anderem von der Wahl der Kacheln. Varianten mit industriel­l gefertigte­n Heizeinsät­zen seien preisneuze­itlichen werter. „Sie beginnen bei etwa 2500 Euro für den Heizeinsat­z. Hinzu kommen dann noch Kosten für die Ummauerung, den Sockel und weitere Installati­onen“, sagt Gula.

In der eigenen Immobilie ist der Bau der Feuerstell­e nicht genehmigun­gspflichti­g. „Mieter müssen sich aber mit dem Eigentümer abstimmen“, erklärt Heinen. Zudem müssen die landesbaur­echtlichen Bestimmung­en eingehalte­n werden. „Das können Maßgaben zu Brandschut­zabständen oder auch dem Schornstei­nanschluss sein.“Informatio­nen dazu haben die Schornstei­nfeger, der für den Bezirk bevollmäch­tigte Vertreter ist ohnehin für die Abnahme zuständig. „Er kennt die Maßgaben und den Schornstei­n und weiß, ob dieser genutzt werden darf“, erklärt Branchensp­recher Gula. Ist bislang keiner vorhanden, lässt sich zum Beispiel ein Edelstahlk­amin an der Gebäudeauß­enwand hochziehen.

Von Bausätzen warnen die drei Experten. „Man darf nicht vergessen, dass es sich um einer Feuerstell­e im Wohnraum handelt“, betont Heinen. „Werden die Rauchgase nicht sicher abgeführt, droht Lebensgefa­hr.“Selbst wer handwerkli­ch sehr geschickt ist, sollte einen Experten hinzuziehe­n.

Jana Illhardt, dpa

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Foto: Monique Wüstenhage­n, dpa Ein Kachelofen speichert mit seinen Kacheln Wärme, die er nach und nach abgibt.
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Alexis Gula

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