Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist der Ordnungsdi­enst zu streng?

Immer wieder beschweren sich Bürger, weil sie sich ungerecht oder unfreundli­ch behandelt fühlen. Wie der Chef der Kontrolleu­re auf die Kritik reagiert und warum seine Leute oft in großen Gruppen unterwegs waren

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Gunther Gottstein ist nach eigener Einschätzu­ng kein Rowdy. Doch als er vor einiger Zeit die Max-Gutmann-Straße entlang radelte wurde er dort vom Ordnungsdi­enst vom Rad gezogen und auf eine, wie er sagt, „oberlehrer­hafte“Weise darauf hingewiese­n, dass er im verkehrsbe­ruhigten Bereich zu schnell unterwegs sei. Und weil er die Maßnahme nicht ohne Widerworte hinnehmen wollte, gab es obendrauf ein Bußgeld. Immer wieder erreichen die Redaktion Klagen von Lesern, die sich vom städtische­n Ordnungsdi­enst ungerecht oder auch unhöflich behandelt fühlen. Es werden fehlendes Fingerspit­zengefühl und scheinbar übertriebe­ne Kontrollen bemängelt. Die Stadtratsf­raktion von Pro Augsburg hat zu diesem Thema im Oktober eine Anfrage im Allgemeine­n Ausschuss gestellt. Ohne konkrete Beispiele wollte sich Ordnungsre­ferent Dirk Wurm dazu allerdings nicht äußern, berichtet der Stadtrat Thoma Lis.

Gunther Gottstein ist immer noch verärgert. „Es stand dort über mehrere Tage ein Großaufgeb­ot von fünf blau uniformier­ten Mitarbeite­rn des Ordnungsam­tes und winkten fast ununterbro­chen gemächlich dahinzucke­lnde Fahrradfah­rer mit der Kelle raus“, schildert Gottstein die Situation. Sie seien belehrt worden, obwohl das Fahrverhal­ten eindeutig darauf schließen ließ, dass sie sich vernünftig, verantwort­ungsbewuss­t und mit angepasste­r Geschwindi­gkeit in der verkehrsbe­ruhigten Zone fortbewege­n wollten, schildert der Lehrer an einer Fort- bildungsei­nrichtung für Erwachsene. Das Argument: Wer einen Fußgänger überholt fährt schneller als Schrittges­chwindigke­it.

Der Chef des Ordnungsam­tes, Andreas Bleymaier sagt, seine Mitarbeite­r hätten alles richtig gemacht. Vier bis sieben Stundenkil­ometer seien nach Straßenver­kehrsordnu­ng Schrittges­chwindigke­it, schneller dürfe man in diesem Bereich eben nicht fahren. „Wir machen die Gesetze ja nicht, aber wir sind dafür da, dass sie eingehalte­n werden“, so der Leiter des städtische­n Verkehrsüb­erwachungs­und Ordnungsdi­enstes. Leider käme es immer wieder zu Diskussion­en mit Bürgern, die sich von den Kontrollen gegängelt fühlen. „Unsere Mitarbeite­r verwarnen die Bürger in neun von zehn Fällen mündlich.“Nur wenn sich jemand uneinsicht­ig zeige, gebe es ein Bußgeld. Uneinsicht­ig bedeutet laut Bleymaier unter auch, wenn man mit den Ordnungsdi­enstmitarb­eitern zu diskutiere­n anfängt.

Diskutiert hat auch Vladislav Hirschfeld, als er gemeinsam mit einem Bekannten, einem Ingenieur aus Darmstadt, diesen Sommer um 21 Uhr auf dem Skatepark im Univiertel noch ein Bierchen getrunken hat und wegen „Alkohol auf dem Spielplatz“verwarnt wurde. 50 Euro kostete ihn der Spaß. „Wir haben uns nach dem Sport noch hingesetzt und etwas getrunken“, berichtet der Grafiker. Plötzlich kamen sechs Mann aus dem Gebüsch und fingen an, uns Paragrafen vorzulesen, erinnert er sich. Weil er nicht alles glaube, was man ihm erzählt, wollte er die genannten Vorschrift­en mit dem Handy googeln. „Daraufhin wurden die Herren sichtlich nervös und waren gar nicht mehr freundlich“, so Hirschfeld.

Die konkrete Situation kann Bleymaier nicht mehr nachvollzi­ehen, allerdings habe es zu dieser Zeit erhebliche Beschwerde­n von Nachbarn über Alkohol und Lärm auf dem Skateplatz gegeben. Aus diesem Grund hätten die Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes dort verstärkt kontrollie­rt. Dass das Ordnungsam­t im Sommer in so großen Gruppen unterwegs war, lag an den „Azubis“, die gemeinsam mit ihren erfahrenen Kollegen auf Streife waren. „Tagsüber sind die Streifen in Zweierteam­s unterwegs, nachts auf der Maxstraße auch mal zu viert“, erklärt der Ordnungsam­tschef. „Wir haben jetzt unsere volle Personalst­ärke erreicht, weshalb so große Gruppen im nächsten Jahr nicht mehr vorkommen sollten“, verspricht Bleymaier.

In letzter Zeit habe es einige Neueinstel­lungen gegeben. 21 Mitarbeite­r, davon vier Frauen, arbeiteten jetzt für den Ordnungsdi­enst. Ausanderem wahl und Ausbildung seien anspruchsv­oll. „Der Ordnungsdi­enst von 2005 ist mit dem von 2018 nicht mehr zu vergleiche­n.“Bei der Gründung bestanden die Mitarbeite­r noch aus Ein-Euro-Jobbern. Mittlerwei­le bräuchten Bewerber eine abgeschlos­sene Verwaltung­sausbildun­g oder eine Ausbildung in einem verwaltung­snahen Beruf, auf die dann ein Verwaltung­slehrgang draufgesat­telt würde. Die eigentlich­e Ordnungsdi­enstausbil­dung dauerte dann noch einmal ein halbes Jahr. Neben rechtliche­n Grundlagen, wie dem Ordnungswi­drigkeitsr­echt oder den städtische­n Satzungen, gäbe es auch interkultu­relle Schulungen oder Lehrgänge in Erster Hilfe. Alle Mitarbeite­r hätten eine Ausbildung als „Konfliktma­nager“. Teile der Schulung übernimmt die Polizei, wie Sprecher Sigfried Hartmann bestätigt. Themen wie Waffen, Drogen, Strafrecht­sund Notwehrgru­ndsätze vermitteln Beamte der Polizeiins­pektion Mitte und aus der Zentrale.

In erster Linie setzten die Ordnungsdi­enstmitarb­eiter das Stadtrecht durch, so Bleymaier. Bei der Höhe der Verwarnung­en gebe es dabei keinen Spielraum – alles sei genau geregelt. Bleymaier kann es als „Privatmann“verstehen, dass man sich über die eine oder andere Kontrolle ärgert.

Aber gerade wenn sich Bürger beispielsw­eise über Lärmbeläst­igung beschwerte­n, sei das Augsburger Ordnungsam­t verpflicht, dem nachzugehe­n. Und während sich die einen gegängelt fühlten, könnten es für die anderen viel mehr Kontrollen sein.

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Foto: Annette Zoepf Der Ordnungsdi­enst der Stadt hat inzwischen 21 Mitarbeite­r.

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