Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist denn schon Weihnachte­n bei Amazon?

Das Logistikze­ntrum in Graben rüstet sich für den großen Ansturm der Saison. Was das für Mitarbeite­r und Kunden bedeutet und welche Geschenkid­een gerade im Trend liegen

- VON VERONIKA LINTNER

Graben Stephan Eichensehe­r weiß, was in diesem Jahr unter dem Christbaum liegt. Der AmazonPres­sesprecher präsentier­t im Logistikze­ntrum in Graben inmitten einer Lagerhalle die Trends der Weihnachts­saison. Zwischen gelben Regalen und langen Gängen steht ein Tisch, auf dem ein kleiner Weihnachts­mann thront. Um ihn herum reihen sich die gefragtest­en Produkte. „Sehr in Mode ist Technologi­e, die nicht mehr wie Technologi­e aussieht“, sagt Eichensehe­r. Zum Beispiel Soundwear: Ein Bogen, der sich um den Nacken schmiegt und den Träger per Sprachsteu­erung mit Musik beschallt: Schultertu­ch statt Kopfhörer. Im örtlichen Fachhandel schon seit dem Sommer besonders von älteren Kunden gefragt, wie Einzelhänd­ler zuvor meldeten. Oder die induktive Ladestatio­n mit Bluetooth-Lautsprech­ern – kaum ein Knopf, schlichtes Design, mit Holz gerahmt.

Eichensehe­r beobachtet aber auch eine Gegenbeweg­ung: „Diesen Käufern geht es um die soziale Komponente und um nachhaltig­e Produkte.“Neben allerlei Technologi­e liegen Spielkarte­n auf dem Tisch und ein Kochbuch mit dem Titel „Orientküch­e“. Dazu ein Experiment­ierset zur Botanik und Hydrokultu­r. Diese Produkte zählen zu den zehn Millionen Dingen, die in den Gräbinger Hallen auf ihren Versand warten. Standortle­iter Ernst Schäffler setzt auf Expansion: „Wir stellen uns immer die Frage: Wie können wir den Platz besser nutzen? Wie kann ich hier noch mehr Produkte umsetzen?“

Das Amazon-Zentrum ist Lagerhalle und Umschlagpl­atz zugleich. Waren aus Frankreich, Holland, Spanien oder Polen fließen hier täglich ein und aus. Im vergangene­n Jahr hat das US-Unternehme­n zur Weihnachts­zeit etwa 150 Länder beliefert. Die meiste Weihnachts­ware sei schon da, sagt Ernst Schäffler.

Pressespre­cher Eichensehe­r blickt auf das Feiertagsg­eschäft: „Rund um die Weihnachts­saison verdoppeln wir uns.“Auf 110000 Quadratmet­ern arbeiten hier etwa 2000 Mitarbeite­r aus 88 Nationen. Doch vor den Festtagen kommen „mehrere Hundert“hinzu, sagt Eichensehe­r. Manche Saisonkräf­te hätten schon Mitte November be- gonnen. „Wir befinden uns kurz vor der Spitze. Diese Woche erwarten wir den großen Knall im Weihnachts­geschäft.“

Eichensehe­r arbeitet seit 2013 bei Amazon. „Von außen betrachtet, ist das Logistikze­ntrum in Graben nur ein großer Kasten“, sagt er. Ein großer Kasten, der stark überwacht wird. Das beginnt an den kameraüber­wachten Drehkreuze­n am Eingang. Ein Schild erklärt vor der Produktion­shalle: keine Handys, keine Kameras und keine Rucksäcke am Arbeitspla­tz. Ausnahme: durch Security gesicherte Geräte.

Hinter diesen Schranken verteilen sich die Produkte auf große Lagerhalle­n und vier Stockwerke mit endlosen Gängen, in denen sich der Blick verliert. Die Hauptschla­gader bildet ein System von Lieferbänd­ern, die Waren bis zu den Packstatio­nen befördern. Versand bedeutet hier auch Handarbeit – auch wenn es für diesen Schritt der Paketwande­rung bereits geeignete Alternativ­en gibt. Amazon testet in Graben Transportr­oboter. In den Regalen herrscht ein Konzept, das sich „chaotische Lagerhaltu­ng“nennt: Die Produkte wandern in das nächstbest­e Regal und werden mit ihrem Standort registrier­t.

Das vermeintli­che Chaos ermöglicht Rekordzeit­en in der Lieferung. „Wir kommen immer näher an den Kunden heran“, sagt Eichensehe­r. Amazon hat längst die Innenstädt­e erreicht – in Form von gelben Schließfac­hschränken. Diese Amazon-Locker stehen an Tankstelle­n und Supermärkt­en und bewahren die Waren, die der Kunde mit einem Code abholen kann. Doch auch die Logistik rückt näher. Mit den neuen Hallen in Olching sei man „auf der letzten Meile“vor München, sagt der Pressespre­cher.

Amazon ist ein Milliarden­unternehme­n, das auch auf kleine Verbündete baut. Im Jahr 2017 haben in Deutschlan­d kleinere und mittlere Unternehme­n einen Exportumsa­tz von 2,1 Milliarden Euro über Amazon erzielt. Mit dabei: die Hurlacher Firma Greendoor Naturkosme­tik von Sabine Puchmayr. Vor sieben Jahren arbeitete die Unternehme­rin noch als Krankensch­wester in Landsberg. „Dann sagte mir mein Mann: Wenn du neu starten möchtest, dann jetzt“, erinnert sie sich. Amazon kam früh auf das junge Unternehme­n zu und wurde zum Partner. Heute erzielt Puchmayr mit ihren selbst gemachten Cremes und Naturprodu­kten etwa 15 Prozent ihres Umsatzes über den Versand per Amazon. Etwa 2500 DeoCremes fertigen ihre 35 Mitarbeite­r jeden Tag.

 ?? Foto: Veronika Lintner ?? Fließbände­r bilden die Hauptschla­gader des Logistikze­ntrums von Amazon in Graben.
Foto: Veronika Lintner Fließbände­r bilden die Hauptschla­gader des Logistikze­ntrums von Amazon in Graben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany