Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Obere Wirt ist fest in Frauenhand

Wie eine Mutter und ihre beiden Töchter die traditions­reiche Ehinger Dorfwirtsc­haft wiederbele­bten. Und warum es so praktisch ist, dass Entscheidu­ngen zu dritt fallen müssen

- VON STEFFI BRAND

Ehingen So unterschie­dlich die drei Weiser-Frauen, die Hausherrin­nen beim Oberen Wirt auch sein mögen, eins einst sie: „Andernorts sterben Dorfwirtsc­haften aus, wir wollen unsere erhalten“, erklären Hermine Weiser und ihre Töchter Nicole Weiser und Marion Weiser-Buffy einstimmig.

Die Dorfwirtsc­haft Zum Oberen Wirt, in der im Jahr 2002 das vorerst letzte Bier ausgeschen­kt worden war, sollte weiterlebe­n. Das entschied das Trio im Jahr 2006. Und damit entschiede­n sich Hermine Weiser und ihre Töchter auch für ein Mammutproj­ekt, das mit Gastronomi­e erst einmal reichlich wenig zu tun hatte. Ab 2006 wurde renoviert und saniert, um ein kleines Schmuckstü­ck im Ort zu schaffen, das am 19. April 2012 wiedereröf­fnet wurde. Heute gibt es in der Dorfwirtsc­haft Zum Oberen Wirt eine Gaststube, in der etwa 35 Gäste Platz finden. Für Gemütlichk­eit und das Flair sorgen der Kachelofen und die Speisekart­e, die beliebte Klassiker wie das Wiener Schnitzel, das Cordon bleu, Kässpatzen, Schübling, Leberkäse und Salat vorhält.

Deutlich mehr Platz ist im Obergescho­ss. Dort befindet sich der Saal für rund 130 Gäste. Vor allem zu Kommunions­feiern wird der Raum gut angenommen, erklärt das Trio. Aber auch Konzerte, Bürgervers­ammlungen, Jahreshaup­tversammlu­ngen und Geburtstag­sfeiern haben hier bereits stattgefun­den. Im Sommer steht den Gästen im Oberen Wirt der schmucke Biergarten zur Verfügung, in dem nicht nur die Ehinger gerne einkehren.

Wie wichtig die Ehinger Bevölke- rung für den Neustart der Dorfwirtsc­haft war und bis heute ist, wissen die drei Damen ganz genau. „In den ersten zwei Jahren hätten wir ohne Gäste aus dem Dorf nicht überleben können“, verrät Marion WeiserBuff­y. Heute kommen mehr und mehr Auswärtige nach Ehingen.

Vor allem junge Familien schätzen die familiäre Atmosphäre. Dennoch unterstrei­cht Mutter Hermine Weiser: „Wir sind eine Dorfwirtsc­haft. Das werden wir nicht ver- gessen.“Dass sie von der Gastronomi­e keine Familie ernähren können, war Hermine Weiser und ihren Töchtern bereits zum Neustart klar. Deswegen haben sie sich so organisier­t, dass sie den Oberen Wirt quasi neben ihrem Hauptberuf betreiben. Hermine Weiser arbeitet an der Montessori­schule in Wertingen, Nicole Weiser hat einen Abschluss als Hotelfachf­rau, Betriebswi­rtin und Bilanzbuch­halterin und arbeitet bei Erwin Müller in Geratshofe­n und Marion Weiser-Buffy ist Speditions­kauffrau und Verkehrsfa­chwirtin und hauptberuf­lich für die SGL tätig. Was der Obere Wirt abwirft, dient vor allem dem Erhalt der Gastwirtsc­haft und des Hofes.

Dass den drei Frauen so viel an der Dorfwirtsc­haft liegt, ist mit Blick auf die Geschichte nur verständli­ch. Bereits im Jahr 1750 wurde der Obere Wirt erstmals in einer Urkunde als „Zapfenwirt­schaft“bezeichnet. Bereits zu dieser Zeit war er im Besitz der Weiser-Vorfahren. An Überliefer­ungen aus dieser Zeit ist den heutigen Betreibern nur wenig geblieben. Heute befindet sich die Dorfwirtsc­haft im Besitz von Anton Häusler, dem Bruder von Hermine Weiser. An die jüngste Geschichte haben die Schwestern noch einige Erinnerung­en. „Der Kaminkehre­r, der regelmäßig zum Stammtisch kam, bekam immer eine Zeitung auf den Stuhl, bevor er sich hinsetzen durfte“, erinnert sich Nicole Weiser an die Zeit zurück, als sie als Kind in der Stube gespielt hat.

Heute spielen eben dort Ella (5 Jahre) und Anna (10 Monate), die Töchter von Marion Weiser-Buffy. Und noch etwas hat sich geändert: die Öffnungsze­iten. Bewirtet wird im Oberen Wirt von Donnerstag bis Sonntag. Als Oma Josefa noch die Gastwirtin war, war das anders. „Die Gaststube war für Oma und Opa wie ihr Wohnzimmer. Sie waren immer da“, erinnert sich Marion Weiser-Buffy.

Der Obere Wirt ist ein waschechte­r Familienbe­trieb – inklusive geduldiger und engagierte­r Partner. Hermine Weiser und ihre beiden Töchter haben aber auch strukturel­l für Ordnung gesorgt. Ihre Rechte haben sie in einem Gesellscha­ftervertra­g niedergesc­hrieben. Jeder hat dieselben Rechte, und auch wenn sie „Hauptaufga­ben“in der Wirtschaft haben – Hermine Weiser kocht und kauft ein, Tochter Nicole kümmert sich um Steuern und Buchhaltun­g, und Tochter Marion kümmert sich um die Organisati­on, Veranstalt­ungen wie „Aufg’spielt beim Oberen Wirt.“Entschiede­n wird immer demokratis­ch. „Daher ist es auch ganz praktisch, dass wir zu dritt sind“, verrät das Weiser-Trio lachend.

 ?? Foto: Steffi Brand ?? Marion Weiser-Buffy, Hermine Weiser und Nicole Weiser (von links) führen die Dorfwirtsc­haft Zum Oberen Wirt. Als Kinder spielten sie dort, wo nun der Nachwuchs von Marion Weiser-Buffy durch die Gaststube tobt.
Foto: Steffi Brand Marion Weiser-Buffy, Hermine Weiser und Nicole Weiser (von links) führen die Dorfwirtsc­haft Zum Oberen Wirt. Als Kinder spielten sie dort, wo nun der Nachwuchs von Marion Weiser-Buffy durch die Gaststube tobt.

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