Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Obere Wirt ist fest in Frauenhand
Wie eine Mutter und ihre beiden Töchter die traditionsreiche Ehinger Dorfwirtschaft wiederbelebten. Und warum es so praktisch ist, dass Entscheidungen zu dritt fallen müssen
Ehingen So unterschiedlich die drei Weiser-Frauen, die Hausherrinnen beim Oberen Wirt auch sein mögen, eins einst sie: „Andernorts sterben Dorfwirtschaften aus, wir wollen unsere erhalten“, erklären Hermine Weiser und ihre Töchter Nicole Weiser und Marion Weiser-Buffy einstimmig.
Die Dorfwirtschaft Zum Oberen Wirt, in der im Jahr 2002 das vorerst letzte Bier ausgeschenkt worden war, sollte weiterleben. Das entschied das Trio im Jahr 2006. Und damit entschieden sich Hermine Weiser und ihre Töchter auch für ein Mammutprojekt, das mit Gastronomie erst einmal reichlich wenig zu tun hatte. Ab 2006 wurde renoviert und saniert, um ein kleines Schmuckstück im Ort zu schaffen, das am 19. April 2012 wiedereröffnet wurde. Heute gibt es in der Dorfwirtschaft Zum Oberen Wirt eine Gaststube, in der etwa 35 Gäste Platz finden. Für Gemütlichkeit und das Flair sorgen der Kachelofen und die Speisekarte, die beliebte Klassiker wie das Wiener Schnitzel, das Cordon bleu, Kässpatzen, Schübling, Leberkäse und Salat vorhält.
Deutlich mehr Platz ist im Obergeschoss. Dort befindet sich der Saal für rund 130 Gäste. Vor allem zu Kommunionsfeiern wird der Raum gut angenommen, erklärt das Trio. Aber auch Konzerte, Bürgerversammlungen, Jahreshauptversammlungen und Geburtstagsfeiern haben hier bereits stattgefunden. Im Sommer steht den Gästen im Oberen Wirt der schmucke Biergarten zur Verfügung, in dem nicht nur die Ehinger gerne einkehren.
Wie wichtig die Ehinger Bevölke- rung für den Neustart der Dorfwirtschaft war und bis heute ist, wissen die drei Damen ganz genau. „In den ersten zwei Jahren hätten wir ohne Gäste aus dem Dorf nicht überleben können“, verrät Marion WeiserBuffy. Heute kommen mehr und mehr Auswärtige nach Ehingen.
Vor allem junge Familien schätzen die familiäre Atmosphäre. Dennoch unterstreicht Mutter Hermine Weiser: „Wir sind eine Dorfwirtschaft. Das werden wir nicht ver- gessen.“Dass sie von der Gastronomie keine Familie ernähren können, war Hermine Weiser und ihren Töchtern bereits zum Neustart klar. Deswegen haben sie sich so organisiert, dass sie den Oberen Wirt quasi neben ihrem Hauptberuf betreiben. Hermine Weiser arbeitet an der Montessorischule in Wertingen, Nicole Weiser hat einen Abschluss als Hotelfachfrau, Betriebswirtin und Bilanzbuchhalterin und arbeitet bei Erwin Müller in Geratshofen und Marion Weiser-Buffy ist Speditionskauffrau und Verkehrsfachwirtin und hauptberuflich für die SGL tätig. Was der Obere Wirt abwirft, dient vor allem dem Erhalt der Gastwirtschaft und des Hofes.
Dass den drei Frauen so viel an der Dorfwirtschaft liegt, ist mit Blick auf die Geschichte nur verständlich. Bereits im Jahr 1750 wurde der Obere Wirt erstmals in einer Urkunde als „Zapfenwirtschaft“bezeichnet. Bereits zu dieser Zeit war er im Besitz der Weiser-Vorfahren. An Überlieferungen aus dieser Zeit ist den heutigen Betreibern nur wenig geblieben. Heute befindet sich die Dorfwirtschaft im Besitz von Anton Häusler, dem Bruder von Hermine Weiser. An die jüngste Geschichte haben die Schwestern noch einige Erinnerungen. „Der Kaminkehrer, der regelmäßig zum Stammtisch kam, bekam immer eine Zeitung auf den Stuhl, bevor er sich hinsetzen durfte“, erinnert sich Nicole Weiser an die Zeit zurück, als sie als Kind in der Stube gespielt hat.
Heute spielen eben dort Ella (5 Jahre) und Anna (10 Monate), die Töchter von Marion Weiser-Buffy. Und noch etwas hat sich geändert: die Öffnungszeiten. Bewirtet wird im Oberen Wirt von Donnerstag bis Sonntag. Als Oma Josefa noch die Gastwirtin war, war das anders. „Die Gaststube war für Oma und Opa wie ihr Wohnzimmer. Sie waren immer da“, erinnert sich Marion Weiser-Buffy.
Der Obere Wirt ist ein waschechter Familienbetrieb – inklusive geduldiger und engagierter Partner. Hermine Weiser und ihre beiden Töchter haben aber auch strukturell für Ordnung gesorgt. Ihre Rechte haben sie in einem Gesellschaftervertrag niedergeschrieben. Jeder hat dieselben Rechte, und auch wenn sie „Hauptaufgaben“in der Wirtschaft haben – Hermine Weiser kocht und kauft ein, Tochter Nicole kümmert sich um Steuern und Buchhaltung, und Tochter Marion kümmert sich um die Organisation, Veranstaltungen wie „Aufg’spielt beim Oberen Wirt.“Entschieden wird immer demokratisch. „Daher ist es auch ganz praktisch, dass wir zu dritt sind“, verrät das Weiser-Trio lachend.