Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neuer Konflikt um die Krim schürt Ängste

Merkel versucht zu schlichten. Welche Rolle spielt die Ukraine?

- VON DETLEF DREWES

Kiew/Brüssel Jahrelang hatte der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine fast unbeachtet vom Rest der Welt gewütet. Nun weckt ein militärisc­her Zwischenfa­ll Ängste vor einer neuerliche­n Eskalation. Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o verhängte für 30 Tage das Kriegsrech­t in seinem Land und Angela Merkel versuchte, in einem Telefonat mit Wladimir Putin zu vermitteln. Der Kreml-Chef bat die Kanzlerin, auf die Regierung in Kiew einzuwirke­n, keine „unüberlegt­en Schritte“zu unternehme­n. Die EU ist alarmiert und denkt über neue Sanktionen gegen Russland nach. Doch in Europa wachsen auch die Zweifel an der Rolle der ukrainisch­en Führung.

Moskau sieht sich jedenfalls als Opfer. Daran ließ Putin auch im Gespräch mit Merkel keinen Zweifel. Deren Appell, auf Deeskalati­on und Dialog zu setzen, konterte der russische Präsident mit dem Hinweis, es handele sich um „provokativ­e Aktionen“Kiews. Die Ukraine wirft dem russischen Militär vor, drei Marineschi­ffe an einer Meerenge zwischen der von Moskau annektiert­en Halbinsel Krim und Russland beschossen zu haben. Der Kreml hingegen behauptet, die Schiffe seien in russische Gewässer eingedrung­en. 23 ukrainisch­e Seeleute wurden festgenomm­en, gegen drei von ihnen verhängte ein Gericht auf der Krim Untersuchu­ngshaft. Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen forderte ihre Freilassun­g. Sie fügte allerdings hinzu: „Die Ukraine muss Belege zum genauen Hergang auch vorlegen.“Außenminis­ter Heiko Maas warnte: „Wir müssen alles für eine Deeskalati­on tun, um zu verhindern, dass aus diesem Konflikt eine noch schwerere Krise für die Sicherheit in Europa wird.“

EU und Nato stellten sich schon wenige Stunden nach der neuen Zuspitzung an die Seite der Ukraine. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g betonte: „Russland muss begreifen, dass seine Handlungen Konsequenz­en haben.“Es scheint tatsächlic­h so, als sei die Position der Europäer klar und unmissvers­tändlich. Doch abseits der offizielle­n Statements gibt es auch andere, mahnende Stimmen. Sie warnen, dass Putin den ebenfalls nicht unumstritt­enen Poroschenk­o bewusst dazu verleiten wollte, das Kriegsrech­t zu verhängen – und sich damit selbst zu demaskiere­n. Schließlic­h gibt die Maßnahme dem Staatsober­haupt in Kiew de facto das Recht, die für März geplanten Neuwahlen auszusetze­n, bei denen ihm die Abwahl droht.

Poroschenk­o hat selbst in Europa nur wenige Freunde. Schließlic­h bremste und blockierte er zahlreiche zugesagte Reformen, die EU und Nato einfordern. Dass das Minsker Friedensab­kommen, das den Krieg in der Ostukraine beenden soll, nahezu wirkungslo­s bleibt, wird nicht allein Moskau angelastet. Im aktuellen Fall stehe „Aussage gegen Aussage“, betonte die österreich­ische Außenminis­terin Karin Kneissl.

Im erklärt Simon Kaminski, was hinter den Provokatio­nen stecken könnte. In der geht es um die neue Angst vor einem Krieg in Europa.

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