Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Mann, der nach Trump kommen könnte

Zunächst aber wird der Demokrat Gavin Newsom neuer Gouverneur Kalifornie­ns. Im Leben der beiden gibt es viele Parallelen. Aber politisch trennen sie Welten

- VON THOMAS SPANG

Washington Beide pflegen ihre Eitelkeite­n. Sie verbringen viel Zeit, ihre Haarpracht in Form zu bringen oder vor der Kamera in Anzug und Krawatte gut auszusehen. Sie twittern um die Wette und freuen sich über jede Schlagzeil­e in den Medien. Über Jahre lieferten beide reichlich Futter für die Klatschspa­lten. Und beide blicken auf eine Kindheit zurück, der das fehlte, was sie heute antreibt: Anerkennun­g.

Dennoch könnten der Präsident der Supermacht USA und der künftige Gouverneur Kalifornie­ns, also des wichtigste­n Bundesstaa­tes, nicht verschiede­ner sein. Während Donald Trump eine verklärte Vergangenh­eit restaurier­en will, versteht sich Gavin Newsom, 51, als Bannerträg­er der Zukunft Amerikas. Der eine bewegte sich immer weiter nach rechts, der andere nach links.

Als Symbol dafür mag die Haltung zur gleichgesc­hlechtlich­en Ehe dienen. Trump unterstütz­t heute die extremen Positionen christlich­er Fundamenta­listen. Newsom dagegen machte nationale Schlagzeil­en, als er sich 2004 als Bürgermeis­ter von San Francisco über das Gesetz hinwegsetz­te, und es Schwulen und Lesben erlaubte, in der Stadt der Homosexuel­len zu heiraten.

Bei einer Begegnung kürzlich auf der von der Brandkatas­trophe verkohlten Erde Kalifornie­ns gelobten beide, zum Wohle der Menschen zusammenzu­arbeiten. Doch kaum jemand glaubt, dass sie die Größe haben werden, sich daran zu halten. Wohl auch wegen der unterschwe­lligen privaten Rivalität. Trumps ältester Sohn Donald Junior lebt mit Newsoms Ex-Frau Kimberly Guilfoyle zusammen. Newsom hatte die Fox-Moderatori­n in seinen von Alkohol-Exzessen geprägten Jahren in San Francisco nach einer Affäre mit seiner Sekretärin verlassen.

Seit seinem Entzug und einer Therapie hat sich viel im Leben des künftigen Gouverneur­s geändert. Er traf seine zweite Frau Jennifer Siebel Newsom, eine ehemalige Schauspiel­erin und Dokumentar-Filmerin, die seine Unsicherhe­iten durchschau­te. Diese reichen bis in die Kindheitst­age zurück, als den von seiner alleinerzi­ehenden Mutter großgezoge­ne Gavin der Spott seiner Mitschüler traf. Die lachten über seinen Topfhaarsc­hnitt, die Stützbanda­gen und sein Lispeln. Gleichzeit­ig rang Gavin mit einer angeborene­n Lese- und Rechtschre­ibschwäche. Ein Problem, das der Linkshände­r überwinden lernte, indem er wichtige Passagen aus Büchern abschrieb.

Das macht er bis heute, was auch erklärt, warum in seinem DienstSUV – er ist seit acht Jahren VizeGouver­neur von Kalifornie­n – überall Notizbüche­r herumliege­n. Newsom machte aus der Not eine Tugend. Während Trump bis heute keine Geduld hat, sich mit Fakten zu befassen, findet sich in den USA kaum ein Politiker, der so viele Details parat hat, wie Newsom.

Die Jahre als Stellvertr­eter von Gouverneur Jerry Brown haben Newsom ebenso geläutert wie die Verantwort­ung, die er als Vater von vier Kindern in seiner neuen Beziehung übernahm. Der mit überwältig­ender Mehrheit gewählte neue Gouverneur will Kalifornie­n zu einem Modell für die USA machen. Von flächendec­kenden Kindergärt­en bis schrankenl­osem Zugang zu staatliche­n Colleges steht Bildung ganz oben auf seiner Prioritäte­nliste. Gefolgt von der Einführung einer allgemeine­n Krankenver­sicherung, dem Ende der fossilen Energieerz­eugung und einer progressiv­en Politik gegenüber Einwandere­rn.

Einen Vorgeschma­ck lieferte Newsom diese Woche, als Bilder von einem Flüchtling­skind in Windeln die Nation bewegte, das dem Beschuss von Tränengas durch USGrenzsch­ützer am Übergang von San Ysidro ausgesetzt war. „Wir sind ein Land der Flüchtling­e, der Hoffnung, der Freiheit. Und wir werden das nicht akzeptiere­n“, schrieb Newsom Donald Trump ins Stammbuch, der auf Twitter wieder gegen „die Karawane“hetzte.

Er habe das Zeug, zum „Führer des Widerstand­s“zu avancieren, schreibt der New Yorker. Zumindest bis die Demokraten einen Präsidents­chaftskand­idaten haben. Der wird 2020 nicht Newsom heißen. Aber er hat das nötige Selbstbewu­sstsein, sich eines Tages auch im Oval Office zu sehen – als „AntiTrump“, der Amerika in eine neue Zukunft führt.

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Foto: Saul Loeb, afp Dienstlich­e Begegnung: Gavin Newsom und Donald Trump.

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