Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kahlschlag bei General Motors

Der Autoherste­ller schließt fünf Fabriken und entlässt rund 15 000 Mitarbeite­r. US-Präsident Donald Trump ist erzürnt und droht dem größten US-Fahrzeugfa­brikanten, staatliche Subvention­en zu streichen

- VOn THOmAS SPAnG

Lordstown Robert Defelice, 47, rieb sich die Augen, als er in der Mittagspau­se eine Kurznachri­cht seiner Frau Christina las. „Das kann nicht sein“, dachte sich der Montagearb­eiter im GM-Werk von Lordstown ungläubig. Sollte stimmen, was er da las, stellt der Autobauer im Frühjahr dort die Fertigung des Kleinwagen­s Chevy Cruze ein. Im Sommer hätten er und 1600 Kollegen im Nordosten Ohios keinen Job mehr. Ein kurzer Anruf daheim schaffte Gewissheit. General Motors hatte den Abbau jedes siebten Arbeitspla­tzes in Nordamerik­a bereits offiziell bestätigt.

Neben Lordstown will der größte amerikanis­che Autobauer bis Ende 2019 zwei US-Standorte und zwei weitere in Kanada schließen. Dort baut GM Limousinen seiner Marken Chevy, Cadillac und Buick. Hinzu kommen zwei Getriebefa­briken in Michigan und Maryland. Der offizielle Grund sind Absatzschw­ierigkeite­n auf dem Markt für Limousinen. Dieser sank in den ersten neun Monaten um 13 Prozent, während die Verkäufe von SUV und Pick-upTrucks um acht Prozent zulegten. Gleichzeit­ig braucht GM Ressourcen, sich für den technologi­schen Wandel der Branche zu rüsten.

Die Konkurrenz kommt aus dem Silicon Valley von Riesen wie Google, Apple und Tesla. Die angepeilte­n Kostenersp­arnisse von 4,5 Milliarden im Jahr sollen dafür eingesetzt werden, bei der Elektromob­ilität und selbstfahr­enden Fahrzeugen konkurrenz­fähig zu bleiben. Schließlic­h machen den US-Autobauern auch Donald Trumps Strafzölle zu schaffen. Diese trieben die Einkaufspr­eise für Stahl- und Aluminium nach oben. Für GM machte das allein im vergangene­n Quartal rund 300 Millionen Dollar aus.

„Sie haben nicht gesagt, dass sie die Fabrik dauerhaft schließen“, versucht der Bürgermeis­ter des Städtchens Lordstown, Arno Hill, aus der Erklärung GMs etwas Positives herauszule­sen. „Wir vermuten, dass es noch einen Herzschlag gibt.“Wie lange das so bleibt, hängt davon ab, worauf GM-Chefin Mary Barra und die mächtige Autogewerk­schaft UAW sich verständig­en. Die rund eine Million Dollar Steuereinn­ahmen, die ein Viertel des Haushalts des 3200-Einwohner-Ortes ausmachen, sind auf jeden Fall weg. Ob GM das 1966 eröffnete Traditions­werk für andere Modelle nutzen wird, steht in den Sternen.

Der Chef des Autoteile-Zulieferer­s Jamestown Industries, Sylvester Townsend, ahnt Böses. „Das wird vernichten­d sein“, sagt der Unternehme­r, der Schutzhüll­en für die Stoßstange­n des Chevy Cruze liefert. Wenn GM das Werk schließt, muss Townsend seine 32 Beschäftig­ten entlassen – wie andere Zulieferer überall in den USA.

US-Präsident Trump ist ungehalten. Er drohte GM-Chefin Mary Barra am Telefon, sie werde „ein Problem“bekommen. Sollte es dauerhaft bei den Werkschlie­ßungen bleiben, müsse der Konzern mit Konsequenz­en rechnen. „Sie legen sich mit der falschen Person an“, polterte Trump und forderte, die Produktion in China einzustell­en und stattdesse­n „verdammt noch mal schnell“wieder in Ohio zu fertigen. Am Abend drohte Trump dem Autoherste­ller damit, Subvention­en zu streichen. Seine Regierung prüfe derzeit, alle staatliche­n Zuschüsse an GM einzustell­en, darunter jene für Elektroaut­os. Für Trump sind die Werksschli­eßungen politisch hoch brisant, weil er seinen Sieg in Ohio bei den Präsidents­chaftswahl­en wesentlich den Wählern in der traditione­ll demokratis­chen Industrier­egion verdankt. Auf einer Wahlkampfk­undgebung im benachbart­en Youngstown versprach er 2016 vollmundig, er werde die über Jahrzehnte verlorenen Jobs wieder zurückhole­n. „Zieht nicht um, verkauft euer Haus nicht!“

Genau darüber denken nun Robert und Christina Defelice nach. Denn ohne das GM-Werk drohen in Lordstown die Lichter auszugehen. Wie schwer es wird, einen Job zu finden, der 30 Dollar in der Stunde, Krankenver­sicherung und andere Zusatzleis­tungen zahlt, hat Christina schon erfahren. Sie verlor bereits im Juni ihren Job, als GM die Chevy-Cruze-Produktion von zwei Schichten auf eine reduzierte.

Zufriedenh­eit herrscht dagegen an der Wall Street. GM stelle die Weichen zum richtigen Zeitpunkt, der Börsenkurs legte zu.

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Foto: Eduardo Lima, dpa Der Schock sitzt tief: Der größte US-Autobauer General Motors (GM) hat ein großes Sparprogra­mm mit massivem Personalab­bau angekündig­t. Unser Bild zeigt zwei betroffene Mitarbeite­r in Kanada.

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