Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bereit für das Ende der Welt
Ein Mann aus der Region will sich illegale Schusswaffen besorgen. Er wird im Allgäu festgenommen. Nun ist klar: Der 49-Jährige gehört einer speziellen Szene an und bereitete sich auf eine angebliche Katastrophe vor
Der Mann, der sich im August mit mehreren Tausend Euro Bargeld auf den Weg ins Allgäu machte, hatte einen Plan. Er wollte, davon sind die Ermittler überzeugt, Waffen kaufen, genauer: Schusswaffen mit Schalldämpfer und Munition. Doch die Männer, die der 49-Jährige aus dem Augsburger Raum bei der vermeintlichen Übergabe in der Nähe von Bad Grönenbach antraf, waren keine Waffenhändler, sondern Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei. Sie nahmen ihn fest; er kam wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft.
Die Beamten durchsuchten auch die Wohnung des 49-Jährigen sowie sein Auto, in dem sie eine Pistole mit Schalldämpfer und Munition auffanden. Eine Erlaubnis für die Waffe hatte der Mann nicht. Die bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angesiedelte „Zentralstelle Cybercrime Bayern“sprach später von „langwierigen Ermittlungen“im Vorfeld, davon, dass der Mann sich „über Monate hinweg im Darknet um den Kauf mehrerer illegaler Handfeuerwaffen“bemüht haben soll. Hinweise, dass der 49-Jährige mit den bestellten Waffen weitere Straftaten plante, lagen den Ermittlern damals allerdings nicht vor.
Derlei Hinweise gibt es auch ein Vierteljahr später nicht. Auch der Verdacht eines Handels mit den Waffen habe sich nicht bestätigt, heißt es von der Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage. Stattdessen ist der Beschuldigte wieder auf freiem Fuß. Es wird zwar weiter gegen ihn ermittelt, der Haftbefehl gegen ihn wurde allerdings im Oktober aufgehoben. Der Beschuldigte, ein Mann, der im IT-Bereich arbeitet, soll umfangreiche Angaben gegenüber den Ermittlern der zuständigen Kriminalpolizei gemacht haben.
Nach Informationen unserer Zeitung haben die Ermittler Kenntnisse, dass der 49-Jährige der sogenannten „Prepper“-Szene angehört. Dazu gehören, grob gesagt, Menschen, die sich minutiös auf eine mögliche Krise vorbereiten – eine Naturkatastrophe, ein Terroranschlag, der staatliche Zusammenbruch. Mitglieder der Szene horten Lebensmittelvorräte, lernen spezielle handwerkliche Fähigkeiten Symbolfoto: Ralf Lienert und Selbstverteidigungstechniken, bauen Rückzugsorte wie Bunker.
Die Szene ist vielschichtig. Viele Mitglieder lehnen politischen Extremismus ab, es geht ihnen um Krisenvorsorge. Teils gibt es aber auch Überschneidungen zur „Reichsbürger“-Bewegung, in rechtsradikale Kreise – und eben Anhänger, die sich auch Waffen besorgen wollen, um auf „Tag X“vorbereitet zu sein. Wie groß die Szene überhaupt ist und welche Gefahr von Teilen davon ausgeht, ist nur schwer zu beurteilen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter hatte vor einigen Monaten eine Anfrage an die Staatsregierung zur bayerischen „Prepper“-Szene gestellt, unter anderem zur „Anzahl der Personen“. Ergebnis: Man könne dazu nichts mitteilen, die Szene die Szene unterliege auch nicht dem „Beobachtungsauftrag“des bayerischen Verfassungsschutzes. Zudem würden „Prepper“oder jene „Doomer“, die sich auf den kompletten Zusammenbruch der Zivilisation vorbereiten, bei der Polizei nicht als eigenes Themenfeld erfasst. Ein allzu großes Thema scheint die Szene in der Region bislang jedenfalls noch nicht zu sein: Erkenntnisse zu einer Prepper-Szene in der Stadt oder der Region hat die Augsburger Polizei nicht.
Im Falle anderer Polizeipräsidien im Freistaat sind jeweils auch nur einige wenige „Prepper“aktenkundig. Der 49-jährige Beschuldigte aus der Region, der versucht haben soll, sich illegal Waffen zu besorgen, wäre demnach ein Ausnahmefall.
Vor zwei Jahren allerdings beschäftigte die Augsburger Justiz ein Fall, der deutlich an den aktuellen erinnert. Damals landete ein Polizeihauptmeister aus Augsburg vor Gericht, der ein ganzes Arsenal von Waffen, Munition, sogar Sprengstoff und militärische Pyrotechnik gehortet hatte. Auch er fürchtete sich vor dem Ausbruch von Chaos und Katastrophen und richtete sich zu Hause für das „Überleben“ein. Er quittierte freiwillig den Dienst und erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe.