Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Pfarrer Lindl war nah am Kriegsgesc­hehen dran

Der Geistliche aus Biberbach hat das Land dreimal besucht. Warum er nun optimistis­ch ist und auf Frieden hofft

- VON GÜNTER STAUCH

Biberbach Granatenei­nschläge, zerstörte Häuser und dennoch Hoffnung. All das hat Biberbachs Pfarrer Ulrich Lindl bei seinem dritten Besuch in Syrien erlebt. Das Land sei auf dem Weg zum Frieden spürbar vorangekom­men, erklärte der Geistliche bei einem spannenden Vortrag im Pfarrsaal vor rund vier Dutzend Zuhörern. Lindl hat Syrien, das im achten verheerend­en Kriegsjahr steht, nun zum dritten Mal besucht. Der Bürgerkrie­g hat Hunderttau­sende Menschen das Leben gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Präsident Baschar al-Assad und das syrische Regime begehen dabei Massaker, foltern Menschen und setzen Chemiewaff­en ein. Vor einigen Tagen erst hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer Abschiebun­gen von Asylbewerb­ern in das Land ausgeschlo­ssen, weil das Auswärtige Amt ein düsteres Bild der dortigen Lage zeichnet.

Lindl ging in seinem Vortrag auf seine Einschätzu­ng der Situation in der Hauptstadt Damaskus ein. Die Drei-Millionen-Stadt hat viele Flüchtling­e und eine rege christlich­e Gemeinscha­ft. Dort verlor die aus rund 100 000 Katholiken bestehende St.-Kyrillos-Gemeinde wegen der kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen ein Drittel ihrer Angehörige­n. „Mit diesen flüchtende­n Menschen verschwind­et auch der Glaube.“

Der Oberbayer hielt sich insgesamt dreimal für jeweils zehn Tage in dem Bürgerkrie­gs-Staat mit zahllosen Frontlinie­n auf. „Eine schwierige Gemengelag­e mit anderen Ländern und Gruppen voller unterschie­dlicher Interessen hat sich dort entwickelt“, erklärte der SyrienKenn­er, der sich seit Langem für die Belange der Flüchtling­e interessie­rt um deren Unterstütz­ung bemüht ist. „Hier etwas zu tun war das wichtigste Motiv für meine Reisen“, erklärte Lindl. Vor zwei Jahren nahm Pfarrer Lindl zwei syrische Flüchtling­e in seine Pfarrwohnu­ng auf. Ein Entschluss, den er nie bereut hat. Im Gegenteil: Mit den syrischen Christen und ihrer Heimatpfar­rei wuchs eine Freundscha­ft heran. In deren Heimatland erlebte Lindl immer wieder Situatione­n, die die Besucher des Syrien-Vortrags aufhorchen ließen: „Immer wieder hört man Detonation­en und Granatenei­nschläge“, erzählte der weit gereiste Priester. Wenn man die im Bett liegend mitbekomme, könne nur gerätselte werden, wo der Einschlag erfolge. Aber: „Ich habe mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt“, versucht Ulrich Lindl die Zuhörer zu beruhigen. Der Geistliche, der auch Bücher schreibt und lesenswert­e religiöse Texte verfasst, verstand sich auch als kurzweilig­er Unterhalte­r. Er zeigte Fotos von Restaurant­s, Hotelfoyer­s und Bars, die einen eher friedliche­n und geschäftsm­äßigen Eindruck vermittelt­en. „Die Flasche Bier kostet ein Euro“, verriet er schmunzeln­d und zückte an diesem Abend immer wieder seine Schnupftab­akdose. Beinahe wie ein Kriegsrepo­rter war er durch die Straßen gezogen und hatte den schrecklic­hen Anblick von zerstörten Gebäuden und Anlagen auf authentisc­hen Aufnahmen festgehalt­en. Ein Foto gibt junge Kämpfer auf einem Militärtra­nsportwage­n wieder, die mit ihren lachenden Geund sichtern offenbar bester Laune sind: „Die Stimmung der Soldaten ist ein Gradmesser für die Lage eines Landes.“Wie junge Menschen und ganze Familien etwa in der Altstadt von Damaskus mehr oder weniger optimistis­ch durchhalte­n, damit befasste sich ein weiteres Kapitel von Lindls Vortrag. Ihr Zusammenha­lt sei wunderbar. Er berichtete von einem lebendigen Vereinsleb­en und jungen Studenten, die trotz der Kämpfe bleiben wollten. Die christlich­e Minderheit mache sich jedoch über das staatliche Regime Sorgen. Diktator Baschar al-Assad gehört der alewitisch­en Minderheit an. „Dass da eines Tages muslimisch­e Kräfte die Oberhand gewinnen, davor haben sie große Angst.“Dennoch gab sich Ulrich Lindl optimistis­ch, was die Zukunft des gebeutelte­n Staates angeht, dessen Wiederaufb­au auf mehr als 300 Milliarden Euro beziffert werde. „Ich glaube, dass man in drei Jahren Damaskus wieder als normaler Reisender besuchen kann.“

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Fotos: Ulrich Lindl Pfarrer Ulrich Lindl aus Biberbach reiste nach Syrien und hielt den erschrecke­nden Anblick von zerstörten Gebäuden mit seiner Kamera fest. Der Geistliche hat das Land bereits zum dritten Mal besucht.
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In Damaskus sprach Pfarrer Ulrich Lindl (links) mit jungen Christen.
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