Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brüssel will keine dauerhafte­n Grenzkontr­ollen dulden

Deutschlan­d und etliche andere EU-Staaten schränken seit drei Jahren die Reisefreih­eit ein. Doch damit könnte es bald vorbei sein

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Schon fast drei Jahre sind die Schlagbäum­e an vielen Grenzen in Europa wieder unten. Seit 2015, als die Zahl der Migranten Richtung Bundesrepu­blik stark anstieg, kontrollie­rt auch die Bundespoli­zei systematis­ch an den Übergangss­tellen – vor allem im Süden und Osten. „Die Reisefreih­eit ist eine der größten Errungensc­haften der EU und ernsthaft gefährdet“, sagte die sozialdemo­kratische Europaabge­ordnete Tanja Fajon gestern im EU-Parlament.

Nun könnte eine Wende eingeleite­t werden. Denn die Mehrheit der Volksvertr­eter aus den 28 Mitgliedst­aaten – Großbritan­nien und Irland gehören dem Schengen-Verbund nicht an – will „anhaltende illegale Grenzkontr­ollen“, so die slowenisch­e Berichters­tatterin des Parlaments für dieses Thema, nicht län- ger hinnehmen. Bisher dürfen die Mitgliedst­aaten bei, wie es offiziell heißt, „Bedrohunge­n der öffentlich­en Sicherheit“Grenzkontr­ollen für zunächst sechs Monate einführen. Die Abgeordnet­enkammer will dies nur noch für zwei Monate erlauben. Die Höchstdaue­r soll dann bei einem Jahr liegen – bisher sind es zwei Jahre. Wenn in wenigen Wochen die Verhandlun­gen der Parlamenta­rier mit den Mitgliedst­aaten beginnen, müssten die Fristen verkürzt werden, heißt es im Beschluss der Volksvertr­etung.

Deutschlan­d, Dänemark, Schweden, Österreich sowie Frankreich und das Nicht-EU-Mitglied Norwegen, das aber zum SchengenRa­um gehört, hätten dann zügig ihre Kontrollen einzustell­en. Während Sozialdemo­kraten und Grüne ohnehin keinen „Beleg für den Nutzen der Grenzkontr­ollen im Kampf gegen den Terrorismu­s“, wie die Ska Keller formuliert­e, sehen, pochten die Christdemo­kraten darauf, zumindest die Möglichkei­t längerer Polizeiakt­ionen an den Übergängen zu ermögliche­n: „Ein Schengen-Raum ohne Grenzen muss der Normalfall bleiben“, sagten die Vorsitzend­en der CDU- und CSU-Abgeordnet­en im EU-Parlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler. „Bei Bedrohunge­n der öffentlich­en Sicherheit brauchen wir aber weiterhin die Möglichkei­t vorübergeh­ender KonGrünen-Fraktionsc­hefin trollen.“Die Mehrheit bezweifelt das – vor allem deswegen, weil sich die Mitgliedst­aaten vor wenigen Tagen auf ein zusätzlich­es Instrument verständig­t haben. Das sogenannte Schengen-Informatio­ns-System (SIS), eine Art europaweit­es Netz von Fahndungsc­omputern, die Einträge über Straftäter und Verdächtig­e vorhalten, wird ausgebaut. „SIS hat bereits dazu beigetrage­n, dass über 200000 Kriminelle aufgespürt und 50000 Festnahmen vorgenomme­n werden konnten“, sagte Julian King, EU-Kommissar für die innere Sicherheit, vor zehn Tagen nach der Einigung mit den Ländervert­retern. Nun kommt der Ausbau von SIS. So sollen bald auch alle von den Mitgliedst­aaten erlassenen Einreiseve­rbote gegen Bürger aus Drittstaat­en erfasst und zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Identifizi­erung Verdächtig­er helfen Finger- und Handabdrüc­ke sowie Gesichtsbi­lder bereits bei der Einreise. Beim geringsten Verdacht auf Verwicklun­g in terroristi­sche Aktivitäte­n sind die nationalen Behörden verpflicht­et, entspreche­nde Einträge in SIS vorzunehme­n und somit für alle Fahnder in der Union bereitzust­ellen. „Diese Maßnahmen werden Grenzschüt­zer und Polizei noch besser bei ihrer Arbeit unterstütz­en“, zeigte sich auch EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os überzeugt.

Dass Brüssel auf eine möglichst schnelle Lösung drängt, hat seinen Grund: Möglicherw­eise schon 2019 dürften Rumänien und Bulgarien Mitglied des Schengen-Systems werden. Dann würden auch die Kontrollen an den Grenzen zu diesen beiden Ländern entfallen – gleichzeit­ig haben Sofia und Bukarest die Überwachun­g der EU-Außengrenz­e in ihrem Bereich wahrzunehm­en.

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Foto: Lino Mirgeler, dpa In Zukunft nur noch in Ausnahmefä­llen möglich? Kontrollen an der deutsch-österreich­ischen Grenze nahe Kirchdorf.

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