Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Flüchtling­e und Grünen-Politiker verunglimp­ft

Amtsgerich­t verurteilt Reichsbürg­er wegen mehrerer Delikte zu einer neunmonati­gen Freiheitss­trafe

- VON PETER RICHTER

Kann man mit etwas drohen, das nicht existiert – aber an das dennoch nicht wenige Menschen in Deutschlan­d fest zu glauben scheinen? Gemeint ist in diesem Fall die vermeintli­che Existenz einer „russischen Militärsta­atsanwalts­chaft in Berlin“. Die oben erwähnte Frage hat jetzt das Amtsgerich­t mit „Ja“beantworte­t. Richterin Susanne Scheiwille­r verurteilt­e einen Reichsbürg­er wegen versuchter Nötigung und versuchter Erpressung.

Das Gericht sah daneben auch den Tatbestand der Volksverhe­tzung als erfüllt. Es verhängte eine neunmonati­ge Freiheitss­trafe auf Bewährung. Der Angeklagte hatte sich auf Facebook rassistisc­h und beleidigen­d über Flüchtling­e geäußert. Der 60-Jährige äußerte sich im Prozess nicht zur Anklage.

Sein Verteidige­r Hermann Kühn forderte dennoch, seinen Mandanten freizuspre­chen. „Man kann nicht mit einem Übel drohen, das es nicht gibt. Genauso gut kann ich drohen, dann lass ich den Osterhasen erschießen. Das ist absurd.“Auch mit seinem Vorwurf, die Polizei habe nicht vernünftig ermittelt, fand der Anwalt bei Gericht kein Gehör. Die Ermittler sollen es versäumt haben, nach der IP-Adresse des Computers zu suchen, von dem die Hetze versendet wurde. Der Mann war in die Mühlen der Justiz geraten, weil er sich standhaft weigerte, Rundfunkge­bühren zu zahlen. Der BR leitete daraufhin gegen ihn die Zwangsvoll­streckung ein. Was der Betroffene mit dem Vorwurf konterte, die Justiz begehe kriminelle Handlungen. Er schrieb dies auch so Landgerich­tspräsiden­t Herbert Veh und einer Gerichtsvo­llzieherin, drohte beiden, eben jene „russische Militärsta­atsanwalts­chaft“einzuschal­ten, sofern nicht binnen einer Woche das Verfahren eingestell­t werde. Die Gerichtsvo­llzieherin identifizi­erte vor Gericht den ihr persönlich bekannten Angeklagte­n als den Briefeschr­eiber.

Schwierige­r war für das Gericht die Frage zu klären, ob der Angeklagte tatsächlic­h Autor der rassistisc­hen Beiträge auf Facebook ist. Nach mehreren Verhandlun­gstagen und der Anhörung von Zeugen war Richterin Scheiwille­r davon überzeugt. 2015 hatte ein Mann unter einem Pseudonym geschriebe­n, Flüchtling­e seien „krankes Geschmeiß“, „Abfall“und „Bodensatz der Welt“. Nur vier Monate später verunglimp­fte derselbe Autor den Grünen-Politiker Cem Özdemir im Internet. Der Politiker erstattete Strafanzei­ge.

Die Kripo Aalen fand heraus, dass in Augsburg bereits eine Strafanzei­ge vorlag. Hier hatte ein Kunde einer Saturn-Filiale, der den gleichen Namen angab wie der FacebookNu­tzer, für Aufsehen gesorgt, weil er sich lauthals über die angebotene „orientalis­che Musik“beschwert hatte. Unter seiner Adresse in Augsburg traf die Polizei zwar nicht diesen Mann, sondern einen Mann, der wusste, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg.

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