Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zu viele Lkw: Lärmschutz stößt an Grenzen
Derzeit wird über Geschwindigkeitsbegrenzungen diskutiert. Gegen den krank machenden Krach von der Schnellstraße helfen diese aber kaum. Das zeigen Berechnungen aus Gersthofen
Gersthofen/Landkreis Augsburg Ein Tempolimit auf der Autobahn bringt für die unter dem Verkehrslärm leidenden Anwohner nur sehr wenig. Grund: Hauptquelle für den Krach sind die Lastwagen. Diese aber sind beispielsweise von einer Tempo-100-Grenze gar nicht betroffen, weil sie ohnehin nicht schneller als 80 fahren dürfen.
So begründete der Augsburger Lärmschutzspezialist Thomas Pehl, weshalb eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 Kilometer den lärmgeplagten Bewohnern von Hirblingen und im Gersthofer Musikerviertel seinen Berechnungen zufolge nicht wirklich helfen würde. Auf der A 8 sind seinen Angaben zufolge 25 Prozent des Verkehrs Lastwagen, und diese seien die hauptsächliche Lärmquelle. Pehls Unternehmen hat die Auswirkungen von verstärkten Lärmschutzvorkehrun- gen in diesem Bereich von Gersthofen berechnet und stellte seine Ergebnisse am Mittwochabend im Stadtrat vor.
Der von der Autobahn ausgehende Verkehrslärm ist in den Gemeinden an der A8 ein Dauerbrenner. Von Adelsried bis Zusmarshausen häufen sich mit steigendem Verkehrsaufkommen die Klagen, die Stadt Neusäß hat zwischen Edenbergen und der eigenen Gemarkung bereits nachbessern lassen. Auf der anderen Seite der Autobahn schaute nun Pehl nach, was Gersthofen für seine Bürger in Hirblingen tun kann.
Doch nicht nur in dem Stadtteil ist die Belastung hoch. Auch im sogenannten Musikerviertel – gelegen in der Nähe von Bundesstraße 2 und Autobahn – ist es laut. Schon vor 14 Jahren – während des Genehmigungsverfahrens für den sechsspurigen Autobahnausbau – waren Gersthofer Bürger vehement für einen verbesserten Lärmschutz eingetreten. Damals sagten die Behörden sogenannten Flüsterasphalt und bis zu neun Meter hohe Lärmschutzwände zu. Gleichzeitig war schon damals klar, dass die zulässigen NachtGrenzwerte so für mehrere Hundert Gebäude im Stadtgebiet nicht einzuhalten waren.
Fast 15 Jahre später gibt es im Bereich der Auffahrt Augsburg West Lärmschutzwälle und Flüsterasphalt, auf der Bundesstraße 2 soll er noch kommen. Bei Hirblingen mindert eine Waschbetonstraßendecke den Lärm (nicht so effektiv wie Flüsterasphalt), zudem gibt es auch hier Wälle und Wände gegen den krank machenden Krach von der Autobahn.
Pehls Augsburger Unternehmen Bekon berechnete nun, inwieweit sich der bestehende Schutz noch verbessern lässt. Das Ergebnis: Die Anwohner würden es nicht merken. Egal ob höhere Lärmschutzwände oder Flüsterasphalt: Alle überprüften Verbesserungsmöglichkeiten lägen unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle von drei Dezibel, so Pehl. Am wenigsten Wirksamkeit bescheinigte er einem Tempolimit. Das gilt laut Pehl auch für andere Gemeinden entlang der Autobahn, die sein Unternehmen begleitet habe. Dabei bestritt er nicht, dass es an der Autobahn laut sei und immer lauter werde. Er habe lediglich die Wirksamkeit eines verbesserten Schutzes überprüft.
Wie sehr der Verkehrslärm an den Nerven vieler Menschen in der Stadt nagt, verdeutlichten die Wortmeldungen quer durch die Parteien. „Es gibt Spitzenzeiten und die Belastung steigt“, sagte der im Musikerviertel wohnende Klaus Greiner (SPD). Laut Alois Pfiffner (WIR) gibt es inzwischen „in jedem Stadtteil Beschwerden. Man muss für die Bürger was tun.“Der Hirblinger Markus Brem sprach von der stark beeinträchtigten Lebensqualität vieler Menschen. „Da werden Rechte verletzt.“
Angesichts der „ernüchternden Erkenntnisse“(Stefan Buck, CSU) von Pehl soll dieser nun untersuchen, welche Lärmschutzmaßnahmen überhaupt etwas bringen könnten. Im Gespräch ist zum Beispiel eine Verlängerung der Lärmschutzwand nach Edenbergen. Im Musikerviertel forderte Greiner in der Schubertsstraße Tempo 30.
Bleibt noch die Frage, ob Gersthofens Stadtrat tatsächlich einem zusätzlichen Lärmschutz auf Kosten der Stadt zustimmen würde. Das könne er nur, wenn klar sei, dass die Belastung in Hirblingen und im Musikerviertel vergleichsweise hoch sei, sagte Hans-Jürgen Fendt (WIR). Er könne sich vorstellen, dass die Menschen in der Stiftersiedlung oder im Autobahnviertel ähnlichen Belastungen ausgesetzt sind.