Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Flüchtling­e hinter Stacheldra­ht

Streit über Unterbring­ung

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien/Drasenhofe­n Welche Mindeststa­ndards sind bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en einzuhalte­n? Um diese Frage ist ein Konflikt zwischen FPÖ und ÖVP im Bundesland Niederöste­rreich ausgebroch­en. Dort sorgte der für Asylbewerb­er und Flüchtling­e zuständige FPÖ-Politiker und Landesrat Gottfried Waldhäusl am Freitag für Aufregung, weil er ein Heim für rund 25 unbegleite­te Jugendlich­e mit Stacheldra­ht sichern ließ. Die Jugendlich­en dürfen es nur eine Stunde am Tag unter Aufsicht von Sicherheit­sleuten verlassen.

Allgemein verschlech­tert sich in Österreich die Lage für Flüchtling­e. Die Koalition aus rechtspopu­listischer FPÖ und konservati­ver ÖVP hat eine Neuregelun­g der Mindestsic­herung beschlosse­n. Danach entscheide­n künftig die Deutschken­ntnisse über die Höhe der Unterstütz­ung. Wer kein oder kaum Deutsch spricht, soll 300 Euro weniger, nämlich monatlich 563 Euro bekommen. Die allgemeine Mindestsic­herung für Bedürftige liegt bei 863 Euro. Mit der Differenz sollen Sprachkurs­e finanziert werden. In diesem Punkt sind sich die Koalitions­parteien einig.

Doch im Fall Drasenhofe­n gehen die Meinungen auseinande­r. Es handele sich um „notorische Unruhestif­ter, die in jedem Quartier für Unruhe gesorgt haben“, sagte Landesrat Waldhäusl. Sieben der dort untergebra­chten Jugendlich­en seien bereits untergetau­cht. Die Beherbergu­ng sei nicht mit der regierende­n Volksparte­i in Niederöste­rreich abgesproch­en, so Waldhäusl. Er sei „verantwort­lich und müsse für Ruhe und Ordnung sorgen“. Die Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) kritisiert­e, dass die Unterkunft in Drasenhofe­n „kein Gefängnis“sei – deshalb habe „Stacheldra­ht dort nichts verloren“.

Der ÖVP-Bürgermeis­ter des Ortes, Reinhard Künzel, bezeichnet­e Waldhäusls Maßnahmen als „Schande für Österreich“. Von verschiede­nen Seiten wird die Rechtmäßig­keit des Freiheitse­ntzugs bezweifelt. Der Ex-Präsidents­chaftskand­idat, Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ), verteidigt Waldhäusl: „Ich gehe davon aus, dass Waldhäusl verantwort­lich agiert.“

Waldhäusl hatte vor Monaten schon Aufsehen mit dem Vorhaben erregt, Käufer von koscherem Fleisch zu verpflicht­en, ihre Identität und ihre Religionsz­ugehörigke­it nachzuweis­en. In Niederöste­rreich sind 5700 Flüchtling­e untergebra­cht, ein Drittel davon in Privatquar­tieren. Zuletzt hat es Klagen über Hunger in den Unterbring­ungen gegeben, die Unterkunft und Verpflegun­g als Sachleistu­ng bieten.

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