Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Steht die Digitalste­uer vor dem Aus?

Mit einer Abgabe auf Konzerne wie Facebook wollte die EU für mehr Gerechtigk­eit sorgen. Doch für das Lieblingsp­rojekt von Frankreich­s Präsident Macron wird es eng

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Selten stieß ein Steuervorh­aben der Brüsseler EU-Kommission auf so viel spontane Zustimmung. Das war im Februar, als die Kommission ihren Vorschlag für eine Digitalste­uer präsentier­te, der nun vermutlich wieder in den Schubladen verschwind­en wird. Der Ausgangspu­nkt: Google, Facebook und Amazon machen milliarden­schwere Gewinne in Europa, zahlen aber kaum Abgaben. Denn die Firmen betreiben ihr Geschäft ohne eine Betriebsst­ätte, die man besteuern könnte, von Standorten außerhalb der EU.

„Unsere Vorschrift­en aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedst­aaten nicht, in Europa tätige Digitalunt­ernehmen zu besteuern“, sagte Währungsko­mmissar Pierre Moscovici damals, als die EU-Verwaltung die Pläne des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron aufgriff. Am kommenden Dienstag treffen die Finanzmini­ster der EU in Brüssel zusammen. Sie werden die Abgabe wohl beerdigen, indem sie diese in die ferne Zukunft verschiebe­n.

Dabei klang das Vorhaben durchaus nachvollzi­ehbar: Falls überhaupt zahlen Internetko­nzerne in EU im Schnitt rund neun Prozent Steuern, klassische Großuntern­ehmen dagegen rund 20 Prozent. Deshalb hatte Brüssel vorgeschla­gen, dass Konzerne wie Amazon, Facebook oder Instagram, die mehr als 750 Millionen Euro Umsatz machen und davon wenigstens 50 Millionen mit Online-Geschäften verdienen, künftig drei Prozent Umsatzsteu­er abführen sollten. Im nächsten Schritt sollten die Firmen dann auch zur Körperscha­ftssteuer herangezog­en werden. Mangels einer physischen Betriebsst­ätte wollte man den Gewinn in den Mitgliedst­aaten ermitteln und als Grundlage für die Berechnung nehmen.

Es gab viel Lob, bis die Experten Fragen stellten: Was ist denn eigentlich ein Digitalunt­ernehmen? Amazon dürfte unter die Definition fallen – aber ab wann ein Konzern wie beispielsw­eise Mediamarkt, der auch zunehmend mehr Umsatz im Online-Handel macht, einbezogen werden müsste, blieb offen. Gehören auch Banken und Sparkassen dazu, die immer mehr Dienstleis­tungen virtuell anbieten? Auch der Bundesverb­and Deutsche Startups beschwerte sich, weil gerade Gründer ihre Tätigkeite­n häufig auf der Infrastruk­tur von Facebook oder Amazon aufbauen – und somit hö- here Kosten zu schultern hätten. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) schwante ebenfalls nichts Gutes und er warnte deshalb, dass Deutschlan­d unter Umständen vergleichs­weise wenige Zusatzeinn­ahmen werde verbuchen können, aber stattdesse­n neue Probleme mit den USA bekommen könnte.

Denn Präsident Donald Trump dürfte einen solchen Schritt der Europäer als Angriff auf die großen US-Internetko­nzerne empfinden und zu Gegenmaßna­hmen ausholen, die dann EU-Firmen mit Tätigkeit in den Vereinigte­n Staaten treffen würden. Diese zahlen auf amerikader nischem Boden teilweise traumhaft niedrige Steuersätz­e von 0,9 Prozent.

Abgesehen davon konnten sich die EU-Finanzmini­ster, die eine solche Abgabe einstimmig beschließe­n müssten, nie einigen. Mindestens sieben Länder signalisie­rten noch in dieser Woche, nicht zuzustimme­n. Nun dürfte sich am Dienstag wohl ein Kompromiss durchsetze­n, den auch Scholz mittragen würde: Die Union verschiebt das Projekt erst einmal ins nächste Jahr. Dann wird ein Vorschlag der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit (OECD) für eine globale Digitalste­uer erwartet.

Da in der OECD aber die USA an führender Stelle vertreten sind, rechnet niemand mit einer wirklich brauchbare­n Initiative. Somit wären die EU-Länder wiederum auf sich gestellt, was Deutschlan­d eigentlich verhindern will. Fazit: Frühestens Ende 2022 könnte das Thema erneut aufgegriff­en werden – und selbst dann ist kaum mit der nötigen Einstimmig­keit zu rechnen.

Der Digitalste­uer scheint das gleiche Schicksal wie der Finanztran­saktionsst­euer zu drohen. Diese wird auch seit Jahren diskutiert – von einer Realisieru­ng aber ist die Gemeinscha­ft weit entfernt.

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Foto: Silas Stein, dpa Konzerne wie Facebook sollten auch in Europa mehr Steuern zahlen. Doch die Idee ist gefährdet.

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