Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Emersacker hält zu Kneipenwirt Jonny
Im Dorf gibt es jetzt eine Spendensammlung für neues Mobiliar. Allerdings muss der Gemeinderat noch absegnen, dass im Schloss wieder ein Lokal entstehen kann
Ein Dorf legt für seinen Kneipenwirt zusammen: Freunde und Verwandte haben eine Spendensammlung für Christian „Jonny“Czichon gestartet, der vor zwei Wochen beim Großbrand im Schloss der 1400-Seelen-Gemeinde sein Lokal verloren hat. Weil die „Pilskneipe mit Pfiff“nur noch Schutt und Asche ist, musste sich der 61-Jährige einen neuen Job suchen – geholfen hat ihm dabei ein ehemaliger Kneipengast.
Er las in der Zeitung von dem Unglück, nahm Kontakt zu Christian Czichon auf und bot ihm eine Halbtagsstelle im
Lager seines Unternehmens an. „Jonny“ist dafür dankbar: Der Job ermöglicht es ihm, sich jeden Tag um seine 86-jährige Mutter zu kümmern. Trotzdem fehlt Czichon etwas: Abends hat er jetzt frei – ein ungewohntes Gefühl für den Nachtmenschen, dessen Kneipe an Wochenenden meistens bis zum Morgengrauen geöffnet war und der immer wieder mit ungewöhnlichen Aktionen von sich reden machte. Einmal brachte er Stripper aus der Augsburger Apollo-Bar mit in den Holzwinkel – 400 Gäste wollten „Madame Tussauds“und ihr männliches Pendant erleben. Und jetzt? „Ich hocke abends daheim herum.“Nach einer kurzen Pause sagt er: „Ich glaube, daheim sterbe ich auf Dauer.“Czichon, der seinen Spitznamen von seinem Vater erhal- ten hatte, braucht wieder eine Kneipe. Sie ist so etwas wie ein Lebenselixier für den 61-Jährigen.
Vom alten Lokal mit seinem golden glänzenden Ambiente und dem auffälligen Tresen ist nichts mehr übrig. Das Feuer hat alles verbrannt. Und was nicht verschmorte, wurde von einer Schmutzschicht überzogen. Verantwortlich dafür ist der Rauch. Er hat auch das Leben der alten Papagei-Dame Karina beendet. Sie saß nahe dem Eingang in einer Voliere. Jetzt hat der Vogel, den Stammgäste lieb gewonnen hatten, einen neuen Ehrenplatz im Garten des Gastwirts.
Aus den Trümmern hat Czichon einen Döner-Spieß aus Edelstahl gerettet – er hat den Brand und die große Hitze unbeschadet überstanden. Unversehrt geblieben ist auch eine größere Whiskyflasche. Sie blieb nach der letzten Party in der Kneipe zurück. Von der „Rock-Oldie-Nacht“sind sonst nur noch Erinnerungen geblieben.
Die Nacht vor dem großen Feuer verlief vergleichsweise unspektakulär: ein Sonntagabend. Christian Czichon machte einem Gast noch eine Kleinigkeit zu essen und schloss dann relativ früh vor 22 Uhr. So jedenfalls hat er den Abend in Erinnerung behalten. Geweckt wurde er dann am nächsten Morgen von seinem Hund: Der machte die Feuerwehrsirenen nach, die in Emersacker und Umgebung nach und nach aufheulten. In den früheren Morgenstunden hatte ein alter Kühlschrank in der Küche – so die Ermittlungen der Kripo – das Feuer ausgelöst. Die Flammen griffen schnell über die alten Fehlböden auf das gesamte Gebäude über. Fast 200 Helfer aus der Region löschten den Großbrand.
Am Donnerstag trafen sich Bürgermeister Michael Müller, Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege und des Landratsamts, um über die Zukunft des alten Gebäudes zu reden. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass alle Beteiligten zusammenarbeiten, um das Gebäude zu erhalten und eine Gaststätte für einen einfachen Betrieb zu schaffen“, fasste Müller zusammen. Damit es wieder ein Lokal im Schloss gibt, müssten nächste Woche auch die Gemeinderäte zustimmen. Das „Ja“von „Jonny“gibt es bereits. Nur mit einer kleinen Einschränkung: „Ich kann nur nichts mehr ins Mobiliar stecken“, sagt der 61-Jährige. Er hat es Stück für Stück aufgebaut, als er vor genau 20 Jahren die Kneipe übernahm. Mit den Spenden aus der Sammlung könnte eine neue Kneipe eingerichtet werden. Bürgermeister Michael Müller unterstützt den Aufruf. „Wir haben doch sonst keine Kneipe im Ort. Was ist denn die Alternative? Ein leer stehendes Gebäude?“Die Pilskneipe im Schloss sei die ganzen Jahre über eine Anlaufstelle für Jüngere und Ältere gewesen. Auch die Gemeinderäte gingen oft nach Sitzungen noch auf einen Absacker zu „Jonny“. Müller: „Jonny hat immer auch mit den Vereinen zusammengearbeitet. Er gehört einfach zum Dorfleben.“