Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kanonen laden, fertig, Feuer!
Auf einem Acker in Aretsried treffen sich mehr als 50 Schützenvereine mit 65 Geschützen zum alljährlichen Barbaraschießen. Was während des lauten Spektakels alles geboten war
Aretsried Bum, bum, bum, bum. Eine Kanone nach der anderen feuert ihr Pulver ab. Um einen weitläufigen Acker in Aretsried stehen die Kanoniere aufgereiht und zünden ihre Geschütze. Jeder Böllerschütze zieht an der Leine der Kanone, entzündet sie und feuert quer über das Feld. Nach dem Schuss steigt weißer Rauch auf, in der Luft riecht es nach Schwefel, genauso wie an Silvester.
Etwa 50 Schützen-, Krieger- und Soldatenvereine haben sich am Sonntagnachmittag mit ungefähr 65 Kanonen in Aretsried getroffen. Der Anlass: das alljährliche Barbaraschießen. Das ist ein Brauchtum zum Namenstag der Schutzpatronin der Artillerie am 4. Dezember, der heiligen Barbara, erklärt Gau-Böllerreferent Manfred Hirle aus Altenmünster, den alle Teilnehmer nur als „Böllermanne“kennen. „Der Sage nach wurde sie im dritten Jahrhundert nach Christus von ihrem Vater enthauptet, weil sie ins Christentum übergetreten war. Und als der Vater ihr den Kopf abschlug, wurde er von einem Blitz getroffen – wegen diesem Blitz und Donner ist Barbara unsere Schutzpatronin.“
In Bayern gibt es derzeit etwa 800 Böllergruppen, mehr als 10 000 Schützen stünden unter der Obhut des Bayerischen Schützenbundes, erklärt Landesböllerreferent FranzXaver Wagner. Einer von ihnen ist Werner Brost aus Glött im Landkreis Dillingen. Aus einer Holzkiste holt er den Schein heraus, der ihn zum Böllern berechtigt: Erlaubnis nach Paragraf 27 Sprengstoffgesetz. Er ist mit einem „Burgundergeschütz“aus dem Mittelalter nach Aretsried gekommen, Modell Feldschlange, eine Kartuschenkanone. Genauso wie das Geschütz des Vereins Achsheim Alpenrose, ein Original aus dem 19. Jahrhundert, erklärt Günther Höhl. „Wir sind etwa 15 Böllerschützen, die das seit etwa sechs Jahren machen.“Neu dabei ist Eva Merk, eine der wenigen Frauen unter den überwiegend männlichen Kanonieren in Aretsried. „Im Oktober habe ich meine Prüfung zur Böllerschützin gemacht. Mein Freund hat mich dazu gebracht. Heute ist es für mich eine Premiere.“
Vor Eva Merk steckt ein blaues Schild im Boden, ihr Nachbar hat ein rotes vor seiner Kanone stehen. Die Schützen sind in zwei Gruppen eingeteilt, es wird immer abwechselnd gezündet. Zum Barbaraschießen beginnt die rote Gruppe mit dem Salutschuss. „Das bedeutet, dass alle einmal gleichzeitig abfeuern“, erklärt Manfred Hirle alias Böllermanne. „Dann gibt es noch das langsame, schnelle und gegenläufige Reihenfeuer und den Flächenbrand. Der gefällt mir am besten, da kracht’s pausenlos.“
Damit bei so vielen Schützen nichts passiert, müssen die Kanoniere bestimmte Kommandos einhalten, die Manfred Hirle laut über ein Mikrofon ansagt. Um alles doppelt zu sichern, schwenkt Landesböllerreferent Franz-Xaver Wagner eine große Fahne und gibt darüber zusätzlich visuelle Zeichen. Das erste Kommando ist „Kanonen laden“. Dann befüllen die Schützen die Rohre entweder mit dem Schwarzpulver oder vorgefertigten Kartuschen, je nach Modell. Dann ruft Manfred Hirle: „Sicherheit!“Alle Kanoniere müssen ihre Hand heben, um zu signalisieren, dass die Kanone fertig geladen ist und sie bereit sind. Wenn alle Schützen ihre Hand in die Luft gestreckt haben, heben zur doppelten Absicherung einige Männer grüne Fahnen hoch. Sie zeigen an, dass alle bereit sind. Erst dann gibt Hirle das Startsignal: „Gebt Feuer!“Bereits bei dem F senkt Franz-Xaver Wagner die Signalfahne und die Schützen müssen ihre Leinen ziehen, um rechtzeitig auszulösen.
Nach allen acht Durchgängen ist Eva Merk zufrieden. „Ich freue mich, dass mein Freund und ich jetzt ein gemeinsames Hobby haben. Es macht Spaß zu zweit, ich wollte nicht immer nur dabei rumstehen.“