Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hochschlaf­en geht gar nicht

Olympia, der nackte Star aus Edouard Manets gleichnami­gem Gemälde, wird von der ehemaligen „Charlie Hebdo“-Zeichnerin Catherine Meurisse zum Leben erweckt und erhält eine Film-Karriere

- VON CHRISTA SIGG

Auf ihren blütenweiß­en Kissen blickt sie so schön selbstbewu­sst und eine Spur blasiert. Selbst das prächtige Blumenbouq­uet, das ihr eine schwarze Hausangest­ellte an den Arbeitspla­tz bringt, lässt sie kalt. Doch das täuscht völlig darüber hinweg, dass in der kurtisanen­haften Olympia eine große Leidenscha­ft lodert.

Sie will auf die Bühne, am liebsten Shakespear­es Julia spielen an der Seite irgendeine­s Romeos und nicht dauernd auf dem Bett liegen, wozu sie der Maler Édouard Manet in den frühen 1860er Jahren verdonnert hatte.

Catherine Meurisse, die ehemalige Zeichnerin des Satire-Magazins Charlie Hebdo, entwickelt aus dem ikonischen Gemälde eine hinreißend­e Komödie, die gespickt ist mit Anspielung­en auf die Kunstgesch­ichte und ihre Helden (die Auflösunge­n der Anspielung­en gibt’s im Anhang). Dabei hat Olympia, die nackt durch die Szenen hüpft, wie Manet sein Skandalges­chöpf eben schuf, ein echtes Handicap: Sie verachtet die sogenannte Besetzungs­couch. Hochschlaf­en geht gar nicht. Deshalb muss sich die idealistis­chnaive junge Frau in den berühmten „Orsay Studios“– das Pariser Museum fürs 19. Jahrhunder­t hat sich in ein Filmstudio verwandelt – mit dämlichen Statistenr­ollen begnügen.

Im Rampenlich­t stehen die Stars der Salonmaler­ei, also das Personal der „offizielle­n“, anerkannte­n, akademisch­en Künstler, und hier vor allem Alexandre Cabanels dralle Venus mit ihrem Puttengesc­hwader. Die vom Salon Abgelehnte­n haben das Nachsehen. Noch.

Denn Venus, dieses verzärtelt­e Atelierges­chöpf, mag nicht im Freien beziehungs­weise „en plein air“drehen. Im „Mohnfeld“(Claude Monet) sitzen die Milben und ein piksender Heuhaufen (Vincent van Gogh) setzt ihrem Alabasterl­eib zu. Höchste Zeit für ein Double, das keine Zicken macht und sich lieber spielend nach vorn arbeitet: Olympia.

Catherine Meurisse, die dem Anschlag auf die Charlie-HebdoRedak­tion 2015 in Paris nur knapp entgangen war, wurde vor zwei Jahren mit einer außergewöh­nlichen Graphic Novel bekannt: In „Die Leichtigke­it“erzählte sie von dem schweren Attentat-Schock, von den Kollegen, die ums Leben kamen, von den enervieren­den „Je suis Charlie“-Bekundunge­n („Wenn ihr Charlie seid, wer bin dann ich?“) und von ihrer Rettung durch die Schönheit. Ihr Trauma konnte Meurisse durch intensives Eintauchen in Literatur, Musik und besonders in die Kunst überwinden – und das mit einer feinen Portion Selbstiron­ie.

Auf die Malerei und die historisch­en Hintergrün­de konzentrie­rt sich die 38-jährige Französin nun auch in ihrem neuen Werk „Olympia in Love“. Nach einem solch amüsanten, frechen und zeichneris­ch souveränen Umgang mit der Kunstgesch­ichte muss man lange suchen. Catherine Meurisse scheint ihr ideales Parkett gefunden zu haben.

Das Musée d’Orsay verwandelt sich in die Orsay Studios

» Catherine Meurisse: Olympia in Love. Eine Komödie in 50 Gemälden. 72 Seiten, Reprodukt Verlag Berlin, 18 Euro

 ?? Foto: Meurisse ?? In Olympias Leben tut sich was... Wahre Liebe!
Foto: Meurisse In Olympias Leben tut sich was... Wahre Liebe!

Newspapers in German

Newspapers from Germany