Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Geldstrafe­n für dilettanti­sche Cannabis-Gärtner

Ein 62-jähriger Rentner und seine 39-jährige Mitbewohne­rin müssen sich vor Gericht wegen der Aufzucht einer Drogenplan­tage verantwort­en. In der Verhandlun­g werden teils tragische Lebensumst­ände beleuchtet

- VON MICHAEL SIEGEL

Die Fotos der in ihrer Wohnung selbst gezüchtete­n Cannabispf­lanzen rührten das Gericht fast zu Mitleid. Dennoch müssen jetzt ein 62-jähriger Rentner aus Augsburg und seine 39-jährige Mitbewohne­rin jeweils über 2000 Euro Strafe zahlen. Zusätzlich zum versuchten Eigenanbau von Cannabis hatten sie im sogenannte­n Darknet drei Mal Rauschgift gekauft.

Beide Angeklagte­n hatten im Gerichtssa­al umfangreic­he Angaben gemacht. Er führe einen Kampf ums Überleben, sagte der alkoholabh­ängige Angeklagte vor Richterin Rita Greser. Und gestand, der Versuch des Drogenanba­us in der Wohnung sei seine Idee gewesen. Mithilfe des einen oder anderen Joints gelinge es ihm, die eine oder andere Flasche Wodka weniger zu trinken. Und nein, das mit der Drogenbest­ellung aus dem Internet, das sei er nicht gewesen.

Stimmt, gestand die 39-jährige Mitangekla­gte, eine Köchin, die sich mit dem 62-Jährigen eine Wohnung in der Innenstadt teilt. Sie habe das in der Anklagesch­rift genannte Haschisch im sogenannte­n Darknet bestellt, also einem weniger leicht zugänglich­en Teil des Internet. Dass Haschisch auch ihre Probleme mit Alkohol erleichter­n könne und wie man es online bestellt, das habe sie auf einer Therapie von anderen Teilnehmer­n gelernt. Dass die Angeklagte trotz ihrer schwierige­n Lebenssitu­ation Vollzeit zur Arbeit gehe, nötigte der Richterin Respekt ab, war letztlich aber auch der Grund dafür, dass ihr Drogenkons­um ans Licht gekommen war. Ihr Arbeitgebe­r war nämlich in Sorge um das Wohl seiner Köchin geraten, nachdem sie länger nicht mehr zur Arbeit erschienen war. Er bat die Polizei um Hilfe, woraufhin zwei Beamte zur genannten Wohnung fuhren.

Die Frau habe sie hereingebe­ten und sich umgehend wieder ins Bett gelegt, erinnerten sich die Beamten. Nachdem den Polizisten laut ihrer Zeugenauss­age der schlechte Gesundheit­szustand der Frau aufgefalle­n war und sie zudem neben ihrem Bett Utensilien zum Drogenkons­um entdeckten, hätten sie sich in der Wohnung umgeschaut. Dabei entdeckten sie zunächst einige frei stehende Cannabispf­lanzen und dann die Aufzuchtan­lage in einem Schrank – insgesamt 16 Stauden.

Die beschlagna­hmten knapp einen Meter hohen Pflanzen in kümmerlich­em Zustand hatten laut einem Gutachten kaum THC-, also Wirkstoffg­ehalt. Von besserer Qualität erwies sich das Rauschgift, das die Angeklagte unter Mitfinanzi­erung ihres Mitbewohne­rs im Netz bestellt hatte und das beide anschließe­nd zum Teil bereits konsumiert hatten. Staatsanwä­ltin Berna Dogan forderte für die beiden geständige­n Konsumente­n leichter Drogen jeweils Geldstrafe­n von 3600 Euro. Verteidige­r Moritz Bode war mit einer Geldstrafe für den Angeklagte­n einverstan­den, hielt aber einen Betrag von höchstens 1800 Euro für angemessen. Richterin Greser benannte die „dilettanti­sche Aufzuchtan­lage“und die schlimme Lebenssitu­ation der beiden Angeklagte­n. Wegen unerlaubte­n Anbaus, Erwerbs und Besitzes von Betäubungs­mitteln verurteilt­e sie den Angeklagte­n zu 2250 Euro, seine Mitbewohne­rin zu 2450 Euro. Beide nahmen das Urteil an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany