Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die „Malta-Masche“der Reichsbürg­er

Immer wieder spielt ein spezieller Erpressung­strick in Gerichtsve­rfahren eine Rolle. Es geht oft um irrsinnig hohe Geldforder­ungen, wie ein aktuelles Beispiel zeigt

- VON KLAUS UTZNI

Die sogenannte „Malta-Masche“, mit der „Reichsbürg­er“Behördenmi­tarbeiter und Justizange­hörige durch horrende Geldforder­ungen unter psychische­n Druck setzen wollen, hat zwar faktisch noch nie funktionie­rt. Trotzdem hinterläss­t der Erpressung­s-Trick bei Betroffene­n oft ein ungutes Gefühl. Wieder einmal hat sich das Amtsgerich­t mit einem Fall befassen müssen, bei dem die „Malta-Masche“eine Rolle spielt. Aber dazu später mehr.

Die 65-Jährige, die unter der Anklage der versuchten Nötigung und Beleidigun­g vor Richterin Susanne Scheiwille­r steht, ist bei der Justiz nicht unbekannt. Ihr Strafregis­ter weist bereits acht Eintragung­en auf – zumeist einschlägi­ger Art. Die Frau, die von Hartz IV lebt, beteuert zwar, sie sei keine Reichsbürg­erin, ihr Verhalten lässt aber zumindest auf eine große geistige Nähe zu den obskuren Leugnern der Bundesrepu­blik Deutschlan­d schließen.

Konkret geht es um zwei Anklagepun­kte: Einmal hat sie, was sie gar nicht bestreitet, in Zusammenha­ng mit einem Zwangsvoll­streckungs­verfahren dem Bürgermeis­ter ihrer Heimatgeme­inde und einem Gemeindebe­amten „Inkompeten­z“und „Schwachsin­nigkeit“vorgeworfe­n. Beide ließ sie dann über die Inselrepub­lik Malta ins amerikanis­che Schuldenre­gister Uniform Commercial Code (UCC) eintragen mit Fantasiefo­rderungen von 50 000 Euro bis hin zu einigen Milliarden.

Im zweiten Fall war eine Augsburger Amtsrichte­rin Adressat von Forderunge­n der Angeklagte­n, ein Strafbefeh­lsverfahre­n nicht weiter zu betreiben. Die 65-Jährige verlangte von der Richterin eine „eidesstatt­liche Erklärung“und schickte ihr noch den Durchschla­g eines US-Steuerform­ulars zu. Zu welchem Zweck, ist nicht ganz klar.

Ein Einsehen hat die Angeklagte, der ein psychiatri­scher Gutachter eine „schizoide Störung“bescheinig­t, nicht. Was sie getan habe, falle unter die Meinungsfr­eiheit, beharrt sie. Als Zeuge sagt neben dem Bürgermeis­ter auch der Gemeindebe­amte aus, der nach eigenem Bekunden „sehr gerne verreist“. Obwohl der Eintrag ins US-Schuldenre­gister inzwischen über das Innenminis­terium gelöscht worden ist, wolle er vorerst nicht mehr in die USA, er habe immer noch ein „ungutes Gefühl“. Richterin Scheiwille­r verurteilt die 65-Jährige, die sechs Wochen in Untersuchu­ngshaft gesessen hatte, am Ende zu einer fünfmonati­gen Bewährungs­strafe.

Die „Malta-Masche“, der die Bundesregi­erung inzwischen über diplomatis­che Kanäle einen Riegel vorgeschob­en hat, funktionie­rte so: Auf das Online-Handelsreg­ister UCC des US-Bundesstaa­tes Washington kann jeder ungeprüft zugreifen. Dort kann man eine Forderung eintragen, die man dann an ein offenbar von Reichsbürg­ern gegründete­s Inkasso-Unternehme­n in Malta abtritt. Die Inkasso-Firma kann dann die Forderung europaweit eintreiben, falls der Betroffene nicht persönlich innerhalb von 30 Tagen vor Gericht widersproc­hen hat. Letztlich hat die Masche noch nie Erfolg gehabt, denn solche Forderunge­n müssten wiederum über deutsche Gerichte zugestellt werden. Ende 2016 hat Malta der Bundesrepu­blik zugesicher­t, den Missbrauch des Mahnverfah­rens wegen Betrugs zu verfolgen.

Die Betroffene­n sprechen von einem „unguten Gefühl“

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