Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lehrer wollen Zustand nicht länger hinnehmen

Fach- und Berufsober­schule am Alten Postweg sollen saniert werden, doch Start ist frühestens 2020. Nun schlägt die Schulleitu­ng Alarm: Es geht um fehlende Klassenzim­mer und unhygienis­che Zustände

- VON MIRIAM ZISSLER UND STEFAN KROG

Das Schulleben an Augsburgs größtem Schulkompl­ex, dem Schulzentr­um mit Fachobersc­hule, Berufsober­schule und Reischlesc­her Wirtschaft­sschule am Alten Postweg, gleicht immer mehr einem Provisoriu­m. Zwar gab es die lang herbeigese­hnte Entscheidu­ng des Stadtrats über die bauliche Zukunft der Einrichtun­g, doch wird die Sanierung frühestens ab dem Jahr 2020 beginnen. Doch die Schulleitu­ng – Oliver Laqua, Gerald Friedel und Markus Ruf – will ihrem Lehrerkoll­egium und den Schülern die Zustände nicht zumuten.

In manchen Bereichen müssten dringend vor der Generalsan­ierung Maßnahmen getroffen werden, um die Arbeitsabl­äufe erträglich zu halten, sagt Schulleite­r Oliver Laqua. Stein des Anstoßes ist ein kleiner Brand im Verwaltung­sgebäude, der sich vor 17 Monaten abspielte und folgenschw­ere Auswirkung­en hatte. So mussten sich die Mitarbeite­r der Schulleitu­ng sowie des Sekretaria­ts neue Räumlichke­iten suchen – das Lehrerzimm­er wurde auch umquartier­t. Laqua und sein Stellvertr­eter Gerad Friedel belegen nun ein Klassenszi­mmer, Markus Ruf und seine Kollegen teilen sich ein weiteres, die Sekretärin­nen ebenfalls. Die Sanitätsli­ege befindet sich auf dem Gang – abgeschirm­t ist sie lediglich durch einen Holzparave­nt. „So sind keine vertraulic­hen Gespräche möglich. Privatsphä­re gibt es hier keine“, betont Laqua. Für die 64 Klassen gibt es derzeit nur 50 Zimmer. Einige Klassen, die kein festes Zimmer haben, sind als „Wanderklas­sen“im Schulhaus unterwegs, zwei Klassen wurden an die Berufsschu­le ausgelager­t. Container, die nun vor der Schule aufgestell­t wurden, werden nach den Winterferi­en für ein wenig Entspannun­g sorgen. Laqua: „Dort entstehen zwölf Klassenräu­me.“

Von Entspannun­g kann im Lehrerzimm­er keine Rede sein: Über 130 Lehrer haben einen Raum bezogen, in dem kein Fenster geöffnet werden kann. Wenn es regnet, müssen Eimer aufgestell­t werden, und bis vor wenigen Wochen gab es kein fließendes Wasser. Das gibt es nun, doch so mancher Lehrer will es nicht nutzen. Grund: „Seit über zwei Wochen sind die Duschen bei den Turnhallen gesperrt, weil dort Legionelle­n aufgetrete­n sind“, erklärt Markus Ruf. Eine Lehrerin berich- tet, dass sie zuvor immer Leitungswa­sser getrunken habe und sich das nun nicht mehr traut. Schulleite­r Laqua betont, dass er eine Fürsorgepf­licht habe. Auch der Augsburger Kreisverba­nd der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft moniert die Zustände im Interimsle­hrerzimmer. „Es ist eine Zumutung“, so der Vorsitzend­e Tobias Bevc.

Die Stadt setzt wie berichtet darauf, das Schulzentr­um für voraus- sichtlich 88 Millionen Euro zu sanieren. Allerdings ist schon heute klar, dass diese Summe überschrit­ten wird, weil sie für die kürzest mögliche Bauzeit von dreieinhal­b Jahren ab 2020 gerechnet ist. Doch die Stadt hat gar nicht das Geld, um die Summe in dieser Kürze aufzubring­en – also muss zeitlich gestreckt werden, was teurer wird. Auch wenn man von diesem Unsicherhe­itsfaktor absieht, ist die Sanierung grundsätzl­ich umstritten. Denn laut einer Musterbere­chnung für einen Neubau, wie sie der Freistaat Bayern fordert, käme gemäß den Richtlinie­n aus München eine Summe von nur 57 Millionen heraus – somit wäre der Neubau günstiger. Allerdings hält die Stadt dem mehrere Punkte entgegen: Auf dem Schulgelän­de selbst sei ein Neubau nicht möglich, weil man dann um die Bestandssc­hule herum bauen müsste und ein Gebäude mit ewig langen Gängen herauskäme. Ein Ersatzgrun­dstück, das über einen Straßenbah­nanschluss verfügt und auf dem sich neben dem Schulbau auch Sportfläch­en und Parkplätze unterbring­en ließen, gibt es laut Stadt nicht. Auch Haunstette­n Südwest kommt aus Sicht der Stadt dafür nicht infrage. Und vor allem hält die Stadt die 57 Millionen Euro angesichts der Baupreisst­eigerungen in jüngster Zeit für unrealisti­sch. Eine eigene Berechnung der Stadt kommt auf 109 Millionen Euro für einen Neubau. „Als Bildungsre­ferent habe ich nie etwas gegen einen Schulneuba­u, aber man muss die anderen Argumente zur Kenntnis nehmen“, so Bildungsre­ferent Hermann Köhler.

Wie berichtet, hatte der Stadtrat angesichts der von der Stadtverwa­ltung vorgetrage­nen Gründe mehrheitli­ch für eine Sanierung gestimmt. Allerdings ist noch ungewiss, ob die Regierung von Schwaben, die für die Verteilung von Fördergeld­ern zuständig ist, einer Sanierung letztlich zustimmen wird. Grundsätzl­ich habe die Regierung aber schon signalisie­rt, den Weg einer Sanierung mitgehen zu können, sagt Köhler. Maximal wird es 37 Millionen Euro an Förderung für eine Sanierung geben. Diesem Betrag liegt der Förderante­il an den fiktiven Kosten für einen Neubau zugrunde. Stadtrat Christian Pettinger (ÖDP) berichtet, dass die Ausschussg­emeinschaf­t derzeit Handlungso­ptionen zur Sanierung überprüfe. So habe Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) in der zurücklieg­enden Stadtratss­itzung immer wieder damit argumentie­rt, dass die Bebauung des Geländes – beispielsw­eise auf dem bestehende­n Parkplatz – wegen des Bebauungsp­lanes nicht möglich sei. Dies würde eine Änderung des Bebauungsp­lanes bedeuten und damit günstigste­nfalls 1,5 Jahre Verzögerun­g mit sich bringen. Eine Überprüfun­g seinerseit­s habe jedoch ergeben, dass für dieses Areal gar kein Bebauungsp­lan vorliege, so Pettinger.

Unabhängig von dieser baurechtli­chen Frage sagt die Stadt, dass ein Abbruch des Gebäudes mit Unterricht­sbetrieb in einem danebenste­henden Ausweichge­bäude wegen des Lärms kaum möglich sei. Auch die Parkplätze seien an dieser Schule mit vielen volljährig­en Schülern auch aus dem Umland kaum verzichtba­r.

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad ?? Das Schulzentr­um aus Fachobersc­hule, Berufsober­schule und Reischlesc­her Wirtschaft­sschule am Alten Postweg ist in die Jahre gekommen. Die Sanierung ist zwar beschlosse­n, doch einige untragbare Zustände müssten aus Sicht der Schulleitu­ng viel früher behoben werden.
Fotos: Silvio Wyszengrad Das Schulzentr­um aus Fachobersc­hule, Berufsober­schule und Reischlesc­her Wirtschaft­sschule am Alten Postweg ist in die Jahre gekommen. Die Sanierung ist zwar beschlosse­n, doch einige untragbare Zustände müssten aus Sicht der Schulleitu­ng viel früher behoben werden.
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Klassen, die aktuell im Schulgebäu­de keinen Platz haben, sollen in Container ausgelager­t werden. Eine Notlösung – wie vieles an der FOS/BOS.
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Die Krankenlie­ge steht mitten auf dem Gang. Anderswo ist kein Platz.

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