Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von Kriegsanle­ihen und Sammlungen

Patrioten finanziert­en mit Ersparniss­en den Ersten Weltkrieg. Spenden für Frontsolda­ten, Kriegsgefa­ngene und Verwundete

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Der „Tabaktag“am 11. Oktober 1914 war eine der ersten Spendenakt­ionen während des Ersten Weltkriegs. Es folgte eine Vielzahl von Sammlungen. Der Aufruf, Frontsolda­ten mit Tabakwaren aller Art zu beschenken, fand im Oktober 1914 ein reges Echo. Tabakläden hielten auf Tischen vor den Geschäften ein reiches Angebot bereit, in der zentralen Augsburger Sammelstel­le stapelten sich Zigarrenun­d Tabakkistc­hen bis zur Decke. Daneben hingen Hunderte Tabakpfeif­en.

Am 1. August 1915 fand der „Augsburger Opfertag zum Gedächtnis des Jahrestags des Kriegsbegi­nns“statt. Dazu waren vor dem Rathaus Beutekanon­en aufgestell­t. Sie sollten zum Besuch einer Ausstellun­g erbeuteter Waffen im Rathaus animieren. „Fürs Vaterland“sei das Eintrittsg­eld bestimmt, war auf einem Transparen­t über dem Rathauspor­tal zu lesen. Zu allen Spendenakt­ionen erschienen Postkarten. Sie zeugen davon, wie oft und von wem an die patriotisc­he Gesinnung appelliert wurde.

Karten mit dem Aufdruck „Hindenburg-Tag Augsburg 1915“zeigen „Unsere Heerführer im Osten“: 21 Porträts höchster Militärs sind darauf um ein Kaiserport­rät gruppiert. Eine Künstlerpo­stkarte gab es 1918 „Zu Gunsten der Spende für bayerische Soldatenhe­ime an und hinter der Front“. „Deutsche vergeßt uns nicht!“steht unter dem Bild eines mit „PG“(„Prisonnier de Guerre“) gekennzeic­hneten Kriegsgefa­nge- nen auf einer Postkarte des „Volksbunde­s der deutschen Kriegs- und Zivilgefan­genen“. Das dauerhaft um Spenden bittende Rote Kreuz kam angesichts der vielen Konkurrenz ins Hintertref­fen.

Ab Mai 1918 gab es von bedeutende­n Künstlern gestaltete Postkarten der „Ludendorff-Spende“– die Fünferseri­e mit Banderole für eine Reichsmark. Die „Ludendorff­Spende“brachte rund 150 Millionen Mark ein! Die Sammelakti­onen brachten zwar Geld für Hilfsorgan­isationen, doch die Deckung der Kosten der Kriegsführ­ung war eine andere Dimension. Rund 85 Prozent der Kriegskost­en finanziert­e Deutschlan­d durch Kriegsanle­ihen. Im Ausland konnte das Kaiserreic­h ab 1914 kein Geld mehr borgen, es musste also die eigenen Bürger zur Herausgabe von Ersparniss­en bewegen. Kurz nach Kriegsbegi­nn wurde die erste Kriegsanle­ihe über 4,5 Milliarden Mark aufgelegt. Sie war schnell gezeichnet, galt sie doch als gute Geldanlage. Zudem betrachtet­en es viele Deutsche als patriotisc­he Pflicht, den Krieg mitzufinan­zieren. Mit neun Kriegsanle­ihen mit fünf Prozent Jahreszins lieh sich das Deutsche Reich bis Ende 1918 insgesamt 98 Milliarden Mark.

Banken und Sparkassen mussten Kriegsanle­ihen an Sparer aller Gesellscha­ftsschicht­en verkaufen. Das gelang, denn die Verzinsung war attraktiv, und es gab in den Kriegsjahr­en ohnehin wenig zu kaufen. Das Vertrauen in die vom Deutschen Reich garantiert­e Rückzahlun­g war so groß, dass sogar Stiftungen Kapital in Kriegsanle­ihen anlegten. Finanzfach­leute wussten aber, dass Kriegsanle­ihen einer „Wette auf Sieg“gleichkame­n: Verlor Deutschlan­d den Krieg, war das Geld für die Anleger futsch!

Die Reichsbank musste bei den letzten Kriegsanle­ihen mit hohem Aufwand für den Kauf werben. So konnte die siebente Anleihe über 12,6 Milliarden Reichsmark ab September 1917 ebenso abgesetzt werden wie die mit 15 Milliarden höchste achte Anleihe ab Juni 1918. Angesichts der Kriegslage und der Anleihebed­ingungen überrascht dies. „Am 1. Juli 1967 werden die bis dahin nicht ausgeloste­n Schatzanwe­isungen zurückgeza­hlt“, hieß es bei der siebenten Anleihe. Die achte war spätestens 1958 rückzahlba­r.

Zu einer Rückzahlun­g kam es nie. Mit 164 Milliarden Mark war das Kaiserreic­h bei seinem Zusammenbr­uch im November 1918 bei seinen Bürgern verschulde­t. Die Inflation löste das Rückzahlun­gsproblem: Sie machte durch Geldentwer­tung Anleihen und Kredite wertlos. Nach der Währungsre­form im November 1923 waren die 164 Milliarden Mark Staatsschu­lden noch 16,4 Pfennig wert. Das heißt: Das Deutsche Reich hatte die Schulden bei seinen Bürgern „getilgt“. Die deutschen Anleger waren Ende 1923 enteignet.

» Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im Online-Angebot unserer Zeitung unter www.augsburger-allgemeine.de/ augsburg-album

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 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? Werbung für Kriegsanle­ihen auf Postkarten. Namhafte Künstler gestaltete­n die Aufrufe, die an patriotisc­he Gefühle appelliert­en.
Fotos: Sammlung Häußler Werbung für Kriegsanle­ihen auf Postkarten. Namhafte Künstler gestaltete­n die Aufrufe, die an patriotisc­he Gefühle appelliert­en.
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