Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Meuterei in der JVA Kaisheim
Drei Angeklagte widersetzen sich den Anweisungen der Justizbeamten. Dafür standen sie nun vor dem Amtsgericht Augsburg. Der damalige Rädelsführer wurde vorzeitig abgeführt
Beim Wort Meuterei denkt man zuerst an Schiffsbesatzungen, die gegen den Kapitän aufbegehren. Eine Meuterei gab es aber im Juni 2017 auch in der Justizvollzugsanstalt in Kaisheim. Deswegen mussten sich vier Männer jetzt vor dem Amtsgericht in Augsburg verantworten. Einer erschien aber gar nicht erst zum Prozess. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.
Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich den Anweisungen der Justizbeamten widersetzt zu haben, die die Inhaftierten in ihren Zellen einschließen wollten. Auch soll es bei der Diskussion zwischen dem Personal und den Beschuldigten zu Beleidigungen und Androhung von Gewalt gegen die Beschäftigten gekommen sein. Die Angeklagten sollten an jenem Tag früher als üblich in ihre Zellen, weil viele Kräfte laut Aussage des damaligen Schichtleiters auf der Krankenstation gebunden waren.
„Ich habe im Gespräch auch versucht, es zu erklären, und angeboten, dass es die ausfallende Zeit am darauffolgenden Mittwoch oben drauf gibt. Die russischsprachigen Gefangenen wollten darauf aber nicht eingehen.“Es sei ihnen darum gegangen, zu zeigen, dass sehr wohl ausreichend Personal da sei und der Einschluss nicht notwendig sei, sagte ein 40-jähriger Angeklagter, den die drei als Zeugen geladenen Beamten alle als Rädelsführer bezeichneten. Er beklagte das Kommunikationsverhalten des Schichtleiters, der die Gefangenen als „Kasper“be- zeichnet habe und seinen „schlechten Ruf bei den Kollegen“mit der Aktion habe aufbessern wollen.
Der Schichtleiter sagte, dass die Situation „zunehmend bedrohlich“geworden sei. Deswegen sei der Hausalarm ausgelöst worden. Erst, als viele Kollegen aus anderen Abteilungen, teils mit Schlagstöcken bewaffnet, hinzukamen, löste sich die Gruppe auf, sagte er. Dass es den Häftlingen darum ging, etwas zu beweisen, den Eindruck hatte auch sein Kollege. „Als viele Kollegen vor Ort waren, sich der Rädelsführer per Handschlag bei den anderen und sie gingen zurück in ihre Zellen.“Auch habe einer der Angeklagten, ein 37-jähriger Russlanddeutscher, gedroht, dass es künftig noch mehr solcher Aktionen geben könnte.
Als bedrohlich habe er auch das Auftreten des Anführers empfunden, der inzwischen ins baden-württembergische Bruchsal verlegt wurde und der die gesamte Verhandlung über Handschellen tragen musste. Dieser habe sich sehr nah vor ihm aufgebaut, was angesichts seiner Muskeln und Größe „einschüchternd“gewirkt habe, räumte der Schichtleiter ein. Die Verteidigerin des Mannes, der unter anderem bereits wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt wurde, kritisierte die Aussage des Schichtleiters als reine Mutmaßung. Ihr Mandant habe nur diskutiert. Von einer Meuterei könne also gar nicht die Rede sein.
Diese ist laut Strafgesetzbuch erfüllt, wenn Gefangene sich zusammenrotten und einen Anstaltsbeamten oder einen anderen Amtsträger nötibedankte gen oder angreifen. Bereits der Versuch ist strafbar. Einer der Verteidiger äußerte, dass der Vorfall vielleicht als Ungehorsam, aber nicht als Meuterei interpretiert werden könne. Ein Verteidiger kritisierte, dass ausschließlich Beamte als Zeugen geladen wurden.
Der mit angeklagte 25-jährige Litauer, der wegen mehrer Wohnungseinbrüche in Haft sitzt, gab an, bereits eine Strafe in der JVA erhalten zu haben, so habe er drei Monate nichts einkaufen dürfen, saß in Einzelhaft und durfte mehrere Tage nicht auf den Hof. Er äußerte vor Gericht, mit dem Fall nichts zu tun zu haben. Er sei nur aus Neugier dazugekommen, um herauszufinden, warum der Alarm ausgelöst worden sei.
Staatsanwältin Franziska Deisenhofer sah die Vorwürfe durch die Zeugenaussagen als erwiesen an. Sie forderte acht Monate Haft für den Rädelsführer, sechs Monate für den zweiten Russlanddeutschen und fünf Monate für den Litauer. Richterin Ulrike Ebel-Scheufele sah es ähnlich. „Die Beamten wussten sich nicht mehr anders zu helfen, als den Alarm auszulösen. Die Situation war gefährlich.“Sie verurteilte den Litauer zu vier Monaten, den 37-Jährigen zu drei Monaten und den Rädelsführer zu sieben Monaten zusätzlicher Haft. Sie tragen zudem die Kosten des Prozesses. Der Rädelsführer erlebte die Urteilsverkündung nur noch teilweise. Nachdem er zur Richterin „Was erzählen Sie für einen Quatsch. Hören Sie nicht zu? Das ist eine Katastrophe“sagte, wurde er vorzeitig aus dem Gerichtssaal abgeführt.