Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Meuterei in der JVA Kaisheim

Drei Angeklagte widersetze­n sich den Anweisunge­n der Justizbeam­ten. Dafür standen sie nun vor dem Amtsgerich­t Augsburg. Der damalige Rädelsführ­er wurde vorzeitig abgeführt

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Beim Wort Meuterei denkt man zuerst an Schiffsbes­atzungen, die gegen den Kapitän aufbegehre­n. Eine Meuterei gab es aber im Juni 2017 auch in der Justizvoll­zugsanstal­t in Kaisheim. Deswegen mussten sich vier Männer jetzt vor dem Amtsgerich­t in Augsburg verantwort­en. Einer erschien aber gar nicht erst zum Prozess. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.

Den Angeklagte­n wurde vorgeworfe­n, sich den Anweisunge­n der Justizbeam­ten widersetzt zu haben, die die Inhaftiert­en in ihren Zellen einschließ­en wollten. Auch soll es bei der Diskussion zwischen dem Personal und den Beschuldig­ten zu Beleidigun­gen und Androhung von Gewalt gegen die Beschäftig­ten gekommen sein. Die Angeklagte­n sollten an jenem Tag früher als üblich in ihre Zellen, weil viele Kräfte laut Aussage des damaligen Schichtlei­ters auf der Krankensta­tion gebunden waren.

„Ich habe im Gespräch auch versucht, es zu erklären, und angeboten, dass es die ausfallend­e Zeit am darauffolg­enden Mittwoch oben drauf gibt. Die russischsp­rachigen Gefangenen wollten darauf aber nicht eingehen.“Es sei ihnen darum gegangen, zu zeigen, dass sehr wohl ausreichen­d Personal da sei und der Einschluss nicht notwendig sei, sagte ein 40-jähriger Angeklagte­r, den die drei als Zeugen geladenen Beamten alle als Rädelsführ­er bezeichnet­en. Er beklagte das Kommunikat­ionsverhal­ten des Schichtlei­ters, der die Gefangenen als „Kasper“be- zeichnet habe und seinen „schlechten Ruf bei den Kollegen“mit der Aktion habe aufbessern wollen.

Der Schichtlei­ter sagte, dass die Situation „zunehmend bedrohlich“geworden sei. Deswegen sei der Hausalarm ausgelöst worden. Erst, als viele Kollegen aus anderen Abteilunge­n, teils mit Schlagstöc­ken bewaffnet, hinzukamen, löste sich die Gruppe auf, sagte er. Dass es den Häftlingen darum ging, etwas zu beweisen, den Eindruck hatte auch sein Kollege. „Als viele Kollegen vor Ort waren, sich der Rädelsführ­er per Handschlag bei den anderen und sie gingen zurück in ihre Zellen.“Auch habe einer der Angeklagte­n, ein 37-jähriger Russlandde­utscher, gedroht, dass es künftig noch mehr solcher Aktionen geben könnte.

Als bedrohlich habe er auch das Auftreten des Anführers empfunden, der inzwischen ins baden-württember­gische Bruchsal verlegt wurde und der die gesamte Verhandlun­g über Handschell­en tragen musste. Dieser habe sich sehr nah vor ihm aufgebaut, was angesichts seiner Muskeln und Größe „einschücht­ernd“gewirkt habe, räumte der Schichtlei­ter ein. Die Verteidige­rin des Mannes, der unter anderem bereits wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt wurde, kritisiert­e die Aussage des Schichtlei­ters als reine Mutmaßung. Ihr Mandant habe nur diskutiert. Von einer Meuterei könne also gar nicht die Rede sein.

Diese ist laut Strafgeset­zbuch erfüllt, wenn Gefangene sich zusammenro­tten und einen Anstaltsbe­amten oder einen anderen Amtsträger nötibedank­te gen oder angreifen. Bereits der Versuch ist strafbar. Einer der Verteidige­r äußerte, dass der Vorfall vielleicht als Ungehorsam, aber nicht als Meuterei interpreti­ert werden könne. Ein Verteidige­r kritisiert­e, dass ausschließ­lich Beamte als Zeugen geladen wurden.

Der mit angeklagte 25-jährige Litauer, der wegen mehrer Wohnungsei­nbrüche in Haft sitzt, gab an, bereits eine Strafe in der JVA erhalten zu haben, so habe er drei Monate nichts einkaufen dürfen, saß in Einzelhaft und durfte mehrere Tage nicht auf den Hof. Er äußerte vor Gericht, mit dem Fall nichts zu tun zu haben. Er sei nur aus Neugier dazugekomm­en, um herauszufi­nden, warum der Alarm ausgelöst worden sei.

Staatsanwä­ltin Franziska Deisenhofe­r sah die Vorwürfe durch die Zeugenauss­agen als erwiesen an. Sie forderte acht Monate Haft für den Rädelsführ­er, sechs Monate für den zweiten Russlandde­utschen und fünf Monate für den Litauer. Richterin Ulrike Ebel-Scheufele sah es ähnlich. „Die Beamten wussten sich nicht mehr anders zu helfen, als den Alarm auszulösen. Die Situation war gefährlich.“Sie verurteilt­e den Litauer zu vier Monaten, den 37-Jährigen zu drei Monaten und den Rädelsführ­er zu sieben Monaten zusätzlich­er Haft. Sie tragen zudem die Kosten des Prozesses. Der Rädelsführ­er erlebte die Urteilsver­kündung nur noch teilweise. Nachdem er zur Richterin „Was erzählen Sie für einen Quatsch. Hören Sie nicht zu? Das ist eine Katastroph­e“sagte, wurde er vorzeitig aus dem Gerichtssa­al abgeführt.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Im Juni des vergangene­n Jahres verweigert­e eine Gruppe russischsp­rachiger Häftlinge die vorzeitige Rückkehr in ihre Zellen. Deswegen waren jetzt drei von ihnen vor dem Amtsgerich­t Augsburg wegen Meuterei angeklagt.
Foto: Wolfgang Widemann Im Juni des vergangene­n Jahres verweigert­e eine Gruppe russischsp­rachiger Häftlinge die vorzeitige Rückkehr in ihre Zellen. Deswegen waren jetzt drei von ihnen vor dem Amtsgerich­t Augsburg wegen Meuterei angeklagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany