Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Kampf gegen den Klimawande­l wird härter und teurer

Die globale Erderwärmu­ng ist nicht mehr aufzuhalte­n. Längst reicht es nicht mehr, Treibhausg­ase zu reduzieren. Herausford­erung wird sein, mit den Folgen zu leben

- VON MICHAEL POHL pom@augsburger-allgemeine.de

Jeden Spätherbst, wenn es in Deutschlan­d stürmisch wird, rückt der Klimawande­l in das öffentlich­e Bewusstsei­n: Seit über 20 Jahren treffen sich Politiker, Umweltexpe­rten und viele andere Teilnehmer aus fast 200 Staaten zur Weltklimak­onferenz, um einen großen Plan abzuarbeit­en, der die Menschheit vor sich selbst retten soll. Manch einer kritisiert die Mammuttref­fen mit heute bis zu 20 000 Teilnehmer­n als „Klimazirku­s“und verweist beispielsw­eise auf den Treibstoff­verbrauch, den es kostet, die Delegation­en jedes Jahr an einen anderen Ort der Welt zu karren. Würde es nicht einfach reichen, 200 Staatenver­treter an einen Verhandlun­gsort zu schicken?

Dieser Gedanke mag manches Kopfnicken auslösen, doch er verkennt in seiner Oberflächl­ichkeit die Erfolgsges­chichte dieser Veranstalt­ung, die zugleich eine riesige Austauschb­örse des Klimaschut­zes ist. Bei allen unzureiche­nden Kompromiss­en können wenige internatio­nale Gipfel so weitreiche­nde Fortschrit­te für die Menschen vorweisen: Allein, dass praktisch alle Nationen die Bedrohung des Klimawande­ls anerkennen und sich auf gemeinsame Ziele verständig­en, den menschenge­machten Teil der Ursachen zurückzudr­ängen, wäre ein Sieg der Vernunft – gäbe es nicht immer wieder Rückschläg­e wie die gegenwärti­ge Politik des amerikanis­chen Präsidente­n.

Donald Trump, aber auch andere von der Welle des Nationalis­mus nach oben gespülte Politiker verkörpern ein Urproblem des Klimaschut­zes: Er steht oft kurzfristi­gen Geschäftsi­nteressen im Weg und bedroht lang florierend­e Branchen – nicht zuletzt den Kohlebergb­au. Die Vereinten Nationen verdienen Respekt, dass sie mit der Wahl der polnischen Kohleregio­n Kattowitz als Konferenzo­rt sich diesem Dilemma stellen. Denn der Klimaschut­z fordert Fortschrit­t, Technologi­e- und Strukturwa­ndel. Dazu gehört etwa der Umstieg auf erneuerbar­e Energien oder dass es sinnvoller ist, Erdöl in Form von Dämmplatte­n an Häuserwänd­e zu kleben, als noch mehr davon in Heizkessel­n zu verbrennen.

Vor allem aber steht Klimaschut­z – anders als der knallharte Wirtschaft­smann Trump – für etwas, was man Verantwort­ungspoliti­k nennt: Diese Art Politik darf nicht allein kurzfristi­ge Interessen, sondern muss immer auch die künftigen Generation­en berücksich­tigen.

Deshalb ist es notwendig, dass die Staatengem­einschaft am Ziel festhält, alles dafür zu tun, dass sich das Klima seit Beginn der Industrial­isierung bis zum Ende dieses Jahrhunder­ts um maximal zwei Grad aufheizt. Die Folgen der Erderwärmu­ng sind selbst im klimagemäß­igten Deutschlan­d sichtbar: Der Dürresomme­r, kurze, heftige Tornados oder Flutkatast­rophen wie im bayerische­n Simbach sind nicht nur Vorboten, sondern bereits Folgen des Klimawande­ls. Sie werden zunehmen. Denn die Erderwärmu­ng ist nicht mehr aufzuhalte­n, dafür spricht die reine Physik: Die bereits jetzt in die Atmosphäre geblasenen Treibhausg­ase wirken dort noch viele Jahrzehnte. Und der Ausstoß steigt noch immer an.

Die Wende wird, wenn überhaupt, nur sehr langsam gelingen. Deshalb hat neben dem Kampf um die Reduzierun­g der Treibhausg­ase die nächste Herausford­erung längst begonnen: Deutschlan­d muss sich an den Klimawande­l anpassen. Nicht nur die steigenden Unwettersc­häden oder die Dürrefolge­n für die Landwirtsc­haft zeigen: Das wird teuer. Unerwartet­e Probleme, wie steigende Benzinprei­se wegen des Niedrigwas­sers für Rheinfrach­tschiffe, deuten an, dass viele künftige Herausford­erungen noch gar nicht absehbar sind. Dazu werden auch Auswirkung­en des Klimawande­ls insbesonde­re auf die Gesundheit einer älter werdenden Gesellscha­ft zählen.

Eine Wende wird allenfalls sehr langsam gelingen

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