Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fleißig ist er ja schon

Reformer? Vermittler? Gestalter? Ganz genau wissen die wenigsten, für was Hasan Salihamidz­ic in München eigentlich zuständig ist. Das Problem: Er macht wenig dafür, das Rätsel zu entschlüss­eln

- VON TILMANN MEHL

München Fleißig war er schon immer. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich Hasan Salihamidz­ic gleich drei Mal unter die Führung Felix Magaths begab. Eines Mannes also, der extra Hügel am Trainingsg­elände des VfL Wolfsburg aufwerfen ließ, auf dass er seine Spieler hinaufsche­uchen konnte. Salihamidz­ic bestritt seine ersten Bundesliga­spiele beim Hamburger SV unter Magath. Später kreuzten sich ihre Wege beim FC Bayern erneut und schließlic­h holte der Trainer den Dauerläufe­r nach Wolfsburg. Da war Salihamidz­ic bereits 34 Jahre alt.

Sieben Jahre später gilt er noch immer als äußerst strebsam. Er ist mittlerwei­le Sportdirek­tor des FC Bayern. Dort loben sie ihn für seine Arbeitsauf­fassung. Der Erste, der morgens kommt, der Letzte, der geht. Vorgänger Matthias Sammer definierte seinen Job in München nicht über die Stundenanz­ahl, die er am Ende des Monats an der Säbener Straße verbracht hatte. Über Sammer sagte der damalige Dortmunder Trainer Jürgen Klopp, dieser solle „jeden Tag Gott danken, dass man ihn dazugeholt hat. Ich glaube nicht, dass Bayern München einen Punkt weniger hätte, wenn Matthias Sammer nicht da wäre“. Mit Sammer gewannen die Münchner die Champions League, drei Mal den Pokal und jedes Jahr die Meistersch­aft. Mit Salihamidz­ic schlittert­en die Bayern in die erste ernsthafte Krise seit etlichen Jahren.

In München hatten sie vor nicht allzu langer Zeit eine moderne Unternehme­nskultur eingericht­et. Pep Guardiola erzog die Mannschaft zu wundervoll­em Offensivfu­ßball. Matthias Sammer schaffte Strukturen, mahnte und kritisiert­e. Michael Reschke kümmerte sich um die Kaderplanu­ng. Ausgewiese­ne Fachkräfte. Statt wie Sammer zu kritisiere­n, poltert derzeit Uli Hoeneß gegen alles und jeden. Den Kader entwickeln soll Salihamidz­ic. Der gilt als strebsam und freundlich – nicht aber als profunder Kenner sämtlicher Fußballlig­en und -talente. Muss er auch nicht, solange er einen kenntnisre­ichen Mitarbeite­rstab um sich versammelt und ihn anleitet. Ein solcher ist aber bislang nicht auffällig geworden.

Salihamidz­ic interpreti­ert sein Tätigkeits­feld anders als zuvor Sammer. Wie genau, ist auch nach über einem Jahr noch nicht deutlich geworden. Möglicherw­eise sieht er seine Aufgabe darin, nach innen zu wirken. Dann aber scheiterte er an der Aufgabe, Mannschaft und Trainer einer gemeinsame­n Ebene zuzuführen. Er selbst bleibt in seinen Ausführung­en vage. Es gebe genug zu tun, richtet er den Reportern gerne aus. Nach dem 5:1-Sieg gegen Lissabon sagte er, dass er etwas sage, es etwas zu sagen gebe. Und sagte nichts mehr.

So bleibt der Eindruck eines schweigend­en Salihamidz­ic hängen, wenn neben ihm Hoeneß gegen sämtliche Medien wettert. Oder den Trainer infrage stellt. Wenn nun aber der Sportdirek­tor kein Experte für die Zukunftsge­staltung ist und auch nicht als Mittler zwischen Mannschaft und Trainer oder Präsident und Medien auftritt – was bleibt dann noch? Es ließen sich beispielsw­eise Strukturen schaffen. Ideen entwerfen, für welche Art Fußball die Münchner künftig stehen wollen. Diese Ideen auf die Jugendmann­schaften übertragen, auf dass in Bälde mal wieder ein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung zu den Profis schafft.

Derzeit aber reden sie in München davon, im Sommer groß investiere­n zu wollen. Das ist wohl notwendig, um internatio­nal nicht abgehängt zu werden. Aber wohin soll es gehen? Als Reminiszen­z an Robben und Ribéry das Flügelspie­l forwenn cieren? Oder doch eher ein mehrdimens­ionales Spiel? Welche Spielertyp­en würden dafür benötigt? Sieht man die Zukunft von Joshua Kimmich im Mittelfeld? Bräuchte es dann nicht einen Rechtsvert­eidiger? Wann will man sich um einen Nachfolger für Robert Lewandowsk­i kümmern? Vollstreck­er oder eher spielender Angreifer? Will man sich von Hummels trennen? Oder Boateng? Von beiden? Martinez? Es gibt genug zu tun. Nur: Einer muss es auch machen.

 ?? Foto: Witters ?? Hasan Salihamidz­ic war als Spieler Publikumsl­iebling der Bayern-Fans. Mittlerwei­le ist er Sportdirek­tor des bekanntest­en deutschen Vereins und scheint seine Rolle noch nicht ganz gefunden zu haben. Nun aber wartet eine entscheide­nde Phase auf die Münchner.
Foto: Witters Hasan Salihamidz­ic war als Spieler Publikumsl­iebling der Bayern-Fans. Mittlerwei­le ist er Sportdirek­tor des bekanntest­en deutschen Vereins und scheint seine Rolle noch nicht ganz gefunden zu haben. Nun aber wartet eine entscheide­nde Phase auf die Münchner.

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